ImageDie neuen Eisenbahnpläne von Verkehrsministerium und ÖBB gehen in Richtung „Zwei-Klassen-Bahn“. Die Pyhrnbahn zwischen Linz und Graz ist ein Opfer dieser „Doktrin“. Heinrich Höbarth von der Initiative Pyhrnbahn wehrt sich dagegen und fordert die durchgehende Zweigleisigkeit und Schnellzugtauglichkeit auf der Phyrnstrecke.

 

ImagePyhrnbahn - Klimaschutz und Energieeffizienz brauchen die Bahn

Die Energie- und Verkehrswende und der Klimaschutz bedeuten, dass dem System Eisenbahn eine Schlüsselstelle zukommt. Denn dieses System entspricht von allen Verkehrsträgern der Tatsache am besten, dass der Strom im Zuge des Umstiegs auf erneuerbare Energien die energetische Hauptsäule des Verkehrs werden wird und dass der Gesamtenergieeinsatz deutlich reduziert werden muss. Das System Bahn kann den Strom am effektivsten in Antriebskraft umwandeln. In Österreich ist auf elektrifizierten Strecken die Bahn wegen des hohen Wasserkraft-Anteils bei Bahnstrom die bereits vorhandene, klimaschonende, hoch effiziente Technik für E-Mobilität. Weitere Energieeffizienz-Vorteile der Bahn: Rollwiderstand auf Schienen nur 1/10 gegenüber der Straße, geringe Steigungen. Während die Elektrifizierung von Dieselstrecken relativ rasch möglich ist, wird die Umstellung des Straßenverkehrs auf E-Antrieb länger dauern.

Um die notwendige massive Verkehrsverlagerung zur Bahn zu ermöglichen bzw. zu stimulieren, genügt es nicht, das Augenmerk beim Ausbau des hochrangigen Bahnnetzes nur auf die Verbindung der Landeshauptstädte mit Wien zu richten (Westbahn- und Südbahnstrecke), sondern es müssen auch die Landeshauptstädte untereinander optimal verbunden werden. Es muss das gesamte Bahnnetz Österreichs hinsichtlich Kapazität und Attraktivität verbessert werden. Eindimensional-streckenbezogene Kosten-Nutzen-Rechnungen müssen immer im Zusammenhang mit dem ganzen System und im Lichte künftiger Herausforderungen gesehen werden.

Nicht übersehen werden dürfen die gesamtstaatlichen positiven Synergieeffekte der Verkehrsverlagerung vom System Straße zum System Schiene, die durch den Bahnausbau möglich werden – z. B. durch Verkehrsverlagerung von der Pyhrnautobahn A 9 zur Bahnlinie Linz-Selzthal-Graz: Reduktion des Energieeinsatzes im Verkehr und der Straßenabnützung, Reduktion des Imports fossiler Energieträger, Reduktion der Kosten, die durch Schadstoffemissionen, Verkehrsunfälle, Klimawandel und Verkehrsstaus verursacht werden usw.

Aktuelle Situation auf der Pyhrnbahn: Anlass zur Trauer

ImageEinerseits ist zu begrüßen, dass es seit Mitte Dezember 2013 auf der Relation Graz-Linz, also zwischen der zweit- und drittgrößten Stadt Österreichs, wieder zwei IC-Zugpaare gibt (Im Dezember 2010 war ja der IC-Verkehr Graz-Linz eingestellt worden). Die Fahrzeit für die 247 km lange Fahrt beträgt aber 3 Stunden, während ein Autofahrer die Strecke Graz-Linz (225 km) in zwei Stunden zurücklegt. Das heißt, mit der Wiedereinführung des IC-Verkehrs Graz-Linz ist es nicht getan. Es müssen weitere Schritte der Fahrplanverdichtung und der Fahrzeitverkürzung folgen, um sich immer mehr der Konkurrenzfähigkeit mit dem PKW-Verkehr nähern zu können. Am dringendsten sind Ausbaumaßnahamen auf dem 104 km langen Abschnitt Linz-Selzthal, der Pyhrnbahn, und hier vor allem auf der kurvenreichen 70-km/h-Strecke zwischen Kirchdorf an der Krems und Selzthal

Dieser Dringlichkeit entsprach leider gar nicht, was am 1. Juli 2013 geschah: An diesem traurigen Tag wurde damit begonnen, die Vorbereitungen zu treffen, um die aus dem Jahre 1905 stammenden Stahl-Fachwerkbrücken über die Steyr und die Teichl (Gemeinden Klaus und St. Pankraz, Bez. Kirchdorf an der Krems) durch Betonbrücken zu ersetzen – und zwar leider nur eingleisig und nur im Sinne der bestehenden 70-km/h-Linie. 

So werden auch für die nächsten 100 Jahre in Beton gegossene Tatsachen geschaffen, die nur 70 km/h zulassen. Es hätte die Möglichkeit bestanden, diese beiden Brücken (Länge 200 m bzw. 110 m, Gesamtkosten 18,7 Mio. Euro) für zwei Gleise und im Sinne einer schnellzugtauglichen Linienführung zu bauen. Aber Kleinkariertheit und Kurzsichtigkeit haben gesiegt. Leider!

ImageEingleisige Streckenabschnitte zwischen den Landeshauptstädten: Ennstalbahn Bischofshofen-Selzthal (durchgehend eingleisig), Pyhrnbahn Linz-Selzthal (weitgehend eingleisig) , Arlbergbahn Innsbruck-Feldkirch (zwischen Ötztal und Bludenz ca. 2/3 eingleisig).

Das „Zielnetz 2025+“ muss kritisch hinterfragt werden!

Verkehrsministerium und ÖBB verweigern den durchgehend zweigleisigen, schnellzugtauglichen Ausbau des 55 km langen eingleisigen Flaschenhalses zwischen Kirchdorf a. d. Krems und Selzthal. Hier sind laut „Zielnetz 2025+“ nur drei zweigleisige Abschnitte geplant, ansonsten wird die Bahnstrecke nur „im Bestand erhalten“, also weiterhin eine eingleisige und kurvenreiche 70-km/h-Linie wie zu Kaisers Zeiten bleiben. Offizielle Aufgabe der Pyhrnbahn: Nahverkehr Richtung Linz und Güterverkehr. Keine Rede von Schnellzugverkehr Graz-Linz.

Begründet wird diese Vorgangsweise mit „zu geringe Nachfrage im Personenverkehr" (auf der Basis fragwürdiger Methoden bei den Fahrgastzählungen), "zu geringes Potenzial", "Abwanderungsgebiete“. Dabei ist aber die relativ geringe Nutzung der Pyhrnbahn und der Bahnrelation Graz-Linz eine Folge unattraktiven Angebots. Die Zählungen auf der Pyhrnautobahn A 9 im gering frequentierten ASFINAG-Zählpunkt Spital am Pyhrn ergeben im Schnitt fast 10.000 Kfz. <3,5 Tonnen pro Tag zusammen in beiden Richtungen. Tendenz steigend (November 2010: 8.818 Kfz., Jänner 2013: 9473 Kfz.). Also potentielle Nachfrage ist vorhanden!

Die inneralpinen Bahnlinien, wie z. B. die Pyhrnbahn Linz-Selzthal, sind ja nicht nur Teile von Verbindungen zwischen Landeshauptstädten, sondern auch Lebensadern für periphere inneralpine Räume. Die inneralpinen Bahnlinien sind Basis bereits vorhandener, klimafreundlicher E-Mobilität. Die Pyhrnbahn ist außerdem auch Teil der internationalen Pyhrn-Schober-Achse, deren Bedeutung sicher zunehmen wird.

ÖBB und Verkehrsministerium setzen aber mit dem „Zielnetz 2025+“ um, was Verkehrsministerin Bures (gemeinsam mit den Vorständen der ÖBB Christian Kern und Andreas Matthä) in der Pressekonferenz vom 19. September 2011 gleichsam als Doktrin der neuen Verkehrspolitik ausdrücklich verkündet hat:

„Die Bahn als Massenverkehrsmittel hat dort große Vorteile, wo viele Menschen und Güter zu befördern sind. Diese Bahnlinien gilt es durch Investitionen in die Infrastruktur zu stärken und weiter auszubauen. Anderseits werden die Investitionen dort reduziert, wo nur wenige Menschen und Güter befördert werden können, weil das Potenzial für eine weitere Verkehrsverlagerung nicht gegeben ist. Investitionen erfolgen demnach "systemadäquat" dem "System Bahn" angemessen.“

Das sind an sich recht plausibel klingende Sätze. Erst bei genauerem Hinsehen erkennt man die diskriminierende Härte dieser Formulierungen. Sie bilden die Grundlage für eine Zwei-Klassen-Bahn: Optimales Angebot auf der Westbahnstrecke, auf der Südbahn und in/um den Ballungsräumen, ansonsten „Restbahn“ oder überhaupt Umstellung auf Busse. Die Pyhrnbahn ist ein Opfer dieser „Doktrin“. Im „Zielnetz 2025+“ ist für die Pyhrnbahn gar keine Schnellzugtauglichkeit vorgesehen.

Untermauert wird diese „Doktrin“ im „Gesamtverkehrsplan für Österreich“ (vor allem auf den Seiten 21 und 41), den Ministerin Bures am 14. Dezember 2012 präsentiert hat: http://www.bmvit.gv.at/verkehr/gesamtverkehr/gvp/index.html  

Das „Zielnetz 2025+“ der ÖBB für Österreich

ImageQuelle: „Mobilität und Transport 2025+“,  VCÖ-Schriftenreihe „Mobilität mit Zukunft“, Nr. 2/2013, Seite 35

Dieses „Zielnetz 2025+“ sieht für den Abschnitt Linz-Selzthal leider nur eine Kantenzeit von 80 Minuten vor und für Selzthal-Graz (über die Brucker Schleife) nur 85 Minuten. Zusammen sind das 165 Minuten oder 2 3/4 Stunden. Auf der Autobahn A 9 legt man die Strecke Linz-Graz – wie bereits erwähnt – in zwei Stunden zurück

Nicht nur reagieren, sondern auch gestalten!

Es ist höchst an der Zeit, sich die Frage zu stellen, an welchen Grundsätzen sich die Planungen für die Bahn-Infrastruktur zu orientieren haben. Soll bloß reagierend vorgegangen werden und eine Zwei-Klassen-Bahn in Kauf genommen werden, oder soll auch im ökologischen, sozialen und volks- und regionalwirtschaftlichen Sinn und im Sinn von gerechtem Ausgleich gestaltet werden?

Die Antwort kann nur lauten: Reagieren und gestalten!

Sozialer und regionaler Ausgleich ist nur dadurch möglich, dass in gestaltender Weise auch in ländlich-peripheren und inneralpinen Regionen attraktiver öffentlicher Verkehr (ÖV) mit der Bahn als Rückgrat zur Verfügung gestellt wird. Infrastruktur ist ein wichtiges Element der Raumerschließung und Raumgestaltung, somit Voraussetzung für Entwicklung und Prosperität und daher vor allem auch in ländlichen, inneralpinen, peripheren, strukturschwachen Regionen wichtig. Optimale Bahn-Infrastruktur sollte daher nicht nur Privilegierten vorbehalten bleiben. Außerdem wird angesichts teuer werdender Treibstoffe im gesamten Bundesgebiet attraktiver ÖV als Alternative zum Auto gebraucht, nicht nur in dicht besiedelten Gebieten bzw. auf lukrativen Bahnstrecken.

ImageEin langfristiges Grundkonzept für den Ausbau der Bahn-Infrastruktur zu erstellen kann daher nicht Aufgabe der betriebswirtschaftlich agierenden ÖBB sein. Sondern die gestaltende Planung der Bahn-Infrastruktur, die ökologische, soziale und volks- und regionalwirtschaftliche Anliegen berücksichtigt und auf gerechten Ausgleich achtet, ist Aufgabe der Politik. Sie muss davon ausgehen, dass eine massive Verkehrsverlagerung von der Straße zur Schiene ermöglicht bzw. stimuliert werden muss. Das ist nur bei einem generell hohen Maß an Bahn-Kapazität und -Attraktivität möglich.

Eine ganzheitlich-integrative, möglichst homogene, leistungsfähige, optimal vernetzte Bahn-Infrastruktur muss in ganz Österreich die Basis bilden für umwelt- und klimaschonende Mobilität, wirtschaftliche Aktivitäten und für Kultur und Prosperität. Besonderer Anstrengungen bedarf es zur Behebung von Erreichbarkeitsdefiziten und zur Beseitigung von Mängeln bei der Attraktivität auf Fernverkehrskorridoren und in strukturschwachen, von Abwanderung bedrohten Regionen. Ein Grundsatz könnte lauten: Wo sich Bahn-Infrastruktur befindet, soll Bahnverkehr bleiben.

Notwendigkeit eines durchgehenden zweiten Pyhrnbahn-Gleises – besonders auch für den Güterverkehr:

Um massive Verkehrsverlagerung zu ermöglichen bzw. stimulieren zu können (attraktiver Personennah- und -regionalverkehr mit Stundentakt als Mindestfahrplandichte, attraktiver IC-Verkehr Linz-Graz im Stundentakt, zunehmender Güterverkehr), muss die Kapazität der Pyhrnbahn durch ein zweites Gleis erhöht werden. Damit die Güterzüge ohne Ausweichhalte durchfahren können und daher das Energieeffizienz-Potenzial der Schiene voll nützen können, ist ein durchgehendes zweites Gleis nötig, und zwar auch in der Pyhrn-Priel-Region, also zwischen Kirchdorf und Selzthal. Durch Eingleisigkeit bedingte Güterzug-Ausweichhalte sind Energievernichtung, weil jedes Mal die gesamte Masse wieder in Bewegung gesetzt werden muss. 

Mit Errichtung des zweiten Gleises Schnellzugtauglichkeit anstreben:

Mit der Errichtung eines zweiten Gleises soll die Chance genutzt werden, die Attraktivität der Pyhrnbahn wesentlich zu heben, indem das zweite Gleis in flacher Linienführung schnellzugtauglich trassiert wird und das Bestandgleis je nach Möglichkeit mit dem neuen Gleis begradigt bzw. verflacht wird, also parallel mit dem Neugleis geführt wird (wie zwischen Kremsmünster und Kirchdorf zum Teil schon realisiert). 

ImageZwischen Linz und Kirchdorf wird man durchgehend oder zumindest weitgehend beide Gleise parallel führen. Für den Streckenteil Kirchdorf-Selzthal scheint es sinnvoll zu sein, zum Teil das durchgehende, schnellzugtaugliche Neugleis aus topographischen Gründen getrennt vom Bestandgleis zu führen und in diesen getrennten Abschnitten das bestehende Gleis im derzeitigen Linienverlauf zu belassen (oder nur geringfügig zu korrigieren)

Dieses Konzept hat den Vorteil, dass man einerseits die romantische alte Linienführung der Pyhrnbahn weitgehend erhalten kann und trotzdem auf Grund des zweiten, schnellzugtauglichen Gleises eine moderne Bahn-Infrastruktur schaffen kann. 

 Dafür muss bereits jetzt ein langfristiger Ausbauplan erstellt werden:

Dieser Ausbauplan muss weit über das "Zielnetz 2025+" hinausreichen und durchgehende Zweigleisigkeit und Schnellzugtauglichkeit vorsehen.

Aus Kostengründen kann ein derartiger Plan nur in kleinen Schritten umgesetzt werden, und zwar in erster Linie dort, wo ohnehin Baumaßnahmen nötig bzw. geplant sind. Im Sinne dieses Planes muss schon jetzt ein Korridor von Verbauung freigehalten werden. Bei jedem Ausbauschritt soll nach diesem Plan aufwärts kompatibel vorgegangen werden. Dies mag zunächst teuer sein, ist aber langfristig die billigere Lösung.

Ein solcher Ausbauplan ist auch deshalb wichtig, weil der geplante neue Bosrucktunnel mit diesem Ausbauplan kompatibel sein muss.

Wir von der Initiative Pyhrnbahn (www.initiative-pyhrnbahn.at, Sprecher: Erwin Kargl) wollen einen Pyhrnbahn-Ausbauplan, der über das „Zielnetz 2025+“ hinausreicht.

Heinrich Höbarth