Anfang 2019 beginnt der Bau der Westring-Autobahn in Linz. Es gibt viele Gründe, warum wir uns mit diesem zukunftsfeindlichen Megastraßenprojekt nicht abfinden dürfen.

Vorgestrig und verantwortungslos

Alles, aber auch wirklich alles spricht dafür, dass wir eine umwelt- und menschenfreundliche Verkehrswende dringender denn je brauchen. Lokale Gründe – Linz erstickt im Autoverkehr, hohe Schadstoff- und Lärmbelastung - und natürlich auch globale Gründe – wie der drohende Klimakollaps. Laut UN-Klimarat haben wir noch zehn Jahre Zeit, um zu verhindern, dass unser Klima völlig außer Rand und Band gerät. Und was macht die Politik in Linz und Oberösterreich in diesem Jahrzehnt? Sie baut Autobahnen auf Teufel komm raus. Derzeit führen 16 Autofahrstreifen über die Donau. In einem Jahrzehnt könnten es bereits bis zu 30 Autofahrstreifen sein, wenn die von der Politik geplanten Straßenprojekte realisiert werden. Neben der Voestbrückenverbreiterung, der neue Donaubrücke, der A7-Ostumfahrungs-Autobahn ist das vor allem die A26-Westring-Autobahn, deren Bau 2019 beginnt. Diese Verkehrspolitik ist vorgestrig und verantwortungslos. Denn der Autoverkehr zählt in Österreich zu den Hauptverursachern klimaschädlicher Emissionen.

Der Stau wird nicht beseitigt, sondern in die Stadt verlagert

Die Politik verspricht, dass die Westring-Autobahn zu einer Entlastung staugeplagter PendlerInnen und verkehrsgeplagter BewohnerInnen. Doch die Zahlen der ASFINAG belegen das Gegenteil (1): Anfänglichen Entlastungen in bestimmten Bereichen (z.B. Waldeggstraße Nord, Rudolfstraße) stehen erhebliche Mehrbelastungen in anderen Straßenzügen gegenüber; z.B. Blumauerstraße, Kärntnerstraße, Westbrücke, Knoten Bindermichl, Unionstraße, Gruberstraße, Dinghoferstraße, Goethestraße. Im Bahnhofsviertel droht fast eine Verdoppelung des Autoverkehrs. Der Stau wird nicht beseitigt, sondern mitten in die Stadt verlagert!

Wer Straßen sät, wird Autoverkehr ernten

Schlimmer noch: Wenige Jahre nach Bau des Westrings sind auch die Entlastungen in einzelnen Straßenzügen zum Gutteil wieder verpufft. Und in Summe steigen die Autofahrten infolge des Westrings massiv an. Die ASFINAG versucht das durch den Taschenspielertrick zu verschleiern, dass sie von einer faktisch unbegrenzten Kapazität der Westtangente und der Nibelungenbrücke ausgeht. Stellt man aber in Rechnung, dass bei diesen Nadelöhren bereits jetzt die Kapazitätsgrenze erreicht ist, so sind die Zahlen der ASFINAG selbst höchst aufschlussreich: Dann lässt sich errechnen, dass der Westring schlicht und einfach dazu dient, die zusätzliche Straßenkapazitäten für rund 30.000 zusätzliche Autofahrten täglich in Linz schaffen. Angesicht der Kapazitätsgrenzen müssten sonst sofort alle verfügbaren Mittel in den Öffentlichen Verkehr investiert werden, um einen Verkehrskollaps zu vermeiden. Der Westring öffnet also den Gürtel für noch mehr Autoverkehr statt endlich das Übergewicht an Autoverkehr loszuwerden. Der Westring ist daher ein Torpedo gegen den Öffentlichen Verkehr und andere umweltfreundlichen Formen der Mobilität. Ein markantes Beispiel: Nach dem Bau der 4. Donaubrücke werden – so die ASFINAG-Zahlen – so wie davor (!) rd. 48.000 Autos über die Nibelungenbrücke, zusätzlich kommen aber über 38.000 Autofahrten über die 4. Donaubrücke hinzu! Selbst der Projektbetreiber ASFINAG bestätigt damit: Wer Straßen sät, wird Autoverkehr ernten!

Westring Schaubild 3

Gefährlich für unsere Gesundheit

Die Abgase von 40.000 täglichen Fahrzeugen durch den Westring-Tunnel sollen gebündelt jeweils an den Enden der Tunnelröhren hinausgeblasen werden, also in die Frischluftschneise des Donautals und ins Bahnhofsviertel. Ein von der ASFINAG beauftragter Mediziner hat festgestellt, dass die Lärm- und Schadstoffbelastung durch den Westring in Bahnhofsnähe so hoch sein wird, dass es dort zu einem Wohnungsverbot kommen soll. Im Bahnhofsviertel wohnen aber nicht nur Menschen, dort arbeiten mittlerweile viele tausend (Bahnhofstower, Wissensturm, Energie AG, Landesdienstleistungszentrum, Post, Musiktheater, usw.). Auch sie sind dann 8 bis 10 Stunden am Tag diesen enormen Schadstoffbelastungen ausgesetzt.

Aufgrund des steigenden Verkehrsvolumens wird durch den Westring die Schadstoffbelastungen für alle LinzerInnen wachsen. Linz ist schon jetzt ein Luftsanierungsgebiet, die lungenschädlichen Abgase müssen daher endlich reduziert und dürfen nicht noch weiter erhöht werden! Eine Studie des Umweltbundesamtes hat ergeben, dass die hohe Feinstaubbelastung in Linz die durchschnittliche Lebenserwartung um 14 Monate reduziert . (2) Laut Umweltverträglichkeitsprüfung verkürzt der Westring statistisch die Lebenserwartung nochmals um ein halbes Monat. (3) Der Kfz-Verkehr ist zum Großteil Verursacher von Ultrafeinstäuben, Stickstoffoxiden und Lärm. Die gesundheitlichen Auswirkungen sind ebenso vielfältig wie wissenschaftlich belegt: Erhöhtes Risiko für chronische Lungenerkrankungen, Asthma, Herz-Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Schlaganfälle, Immunerkrankungen, Krebs. Ebenso sind Beeinträchtigungen der Gehirnfunktion bis hin zur Demenz durch Feinstäube nachweisbar.

Energieschleuder

Der Westring ist eine Energieschleuder ersten Ranges - nicht nur bei der Errichtung, auch beim Betrieb. Alleine die Beleuchtung und Belüftung der Tunnel verschlingt jährlich den Stromverbrauch einer Kleinstadt.

Unwiederbringliche Naturzerstörung

Der Westring führt zu massiven Einschnitten in einer ökologisch besonders sensiblen Landschaft, dem Donautal. Das Naturschutzgebiet Urfahrwänd im Bereich der Linzer Donaupforte wurde von Landesregierung für den Westring durchlöchert. Baumrodungen und Sprengungen zerstören den Lebensraum von Pflanzen und Tieren (z.B. Wanderfalken). Dadurch wird die Artenvielfalt weiter reduziert. Große Flächen Bannwald sollen geopfert werden. Auch der Erholungsraum des Menschen wird schwer beeinträchtigt: im Donautal, am Freinberg und im Bereich des Ziegeleiparks.

Neue Transitschneise droht

Die ursprünglich geplante Nordvariante des Westrings (Tunnelverbindung unter dem Pöstlingberg zur A7) ist zwar vorerst auf Eis gelegt. Ob das nach Fertigstellung des Südabschnitts so bleibt, ist fraglich. Denn sobald dieser fertig ist, wird sich Druck auf eine Errichtung des Nordteils aufbauen, um für den Nord-Süd-Transit auf der Route Berlin-Triest eine weitere Schneise zu schlagen. Die Phyrnautobahn und die S10 bzw. A7 sind Teil der „Transeuropäischen Netze“ (TEN) der EU. In diesen TEN-Netzen Linz gilt als „Nadelöhr“ für den LKW-Transit. Die Westring-Trasse ist nach wie vor für den Süd- und den Nordteil gewidmet.

Westring Schaubild 4

 
Unverschämt teuer

Schon in der Projektphase haben sich die Kosten der Westring-Stadtautobahn mehr als versechsfacht, von 100 Millionen Euro im Jahr 1999 bis jetzt zu offiziell eingestandenen Kosten von rd. 670 Millionen Euro heute. Bürgerinitiativen gehen angesichts dieser Kostendynamik wohl zurecht davon aus, dass in der Endabrechnung die Gesamtkosten bei über einer Milliarde liegen werden. Mit diesem Geld könnte man jedem/r PendlerIn aus dem Oberen Mühlviertel eine Jahreskarte des OÖ-Verkehrsverbundes Rohrbach – Linz schenken – über 200 Jahre lang! Für diese 4,3 Kilometer lange Stadtautobahn wird das Geld beim Fenster rausgeworfen, das wir so dringend für den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs benötigen, um zu verhindern, dass Linz in Abgasen und Stau erstickt.

Westring Schaubild5

 

Mehr Arbeitsplätze durch Öffi-Ausbau

Der Ausbau des Öffentlichen Verkehrs ist nicht nur ökologischer, er ist auch arbeitsintensiver. Eine WIFO-Studie belegt, dass beim  Öffi-Ausbau mit demselben Geld um bis zu 60% mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Mit eine Milliarde Euro können im Öffentlichen Verkehr 6.000 Vollzeitarbeitsplätze/Jahr mehr geschaffen werden als mit Investitionen in den Autobahnbau. (4)

Es gibt Alternativen!

Die Verkehrspolitik in OÖ fördert einen Teufelskreis: Mehr Autos – mehr Straßen – mehr Autos – mehr Straßen usw. Die Folgen dieser autofixierten Verkehrspolitik kann man aus den Verkehrserhebungen ablesen. Zwischen 1992 und 2012 ist der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) von 55% auf 67,6% gestiegen; der Anteil des Öffentlichen Verkehrs (ÖV) ist dagegen von 14,2% auf 10,2% und der Anteil des Mischverkehrs ÖV-MIV von 2,9 auf 1,9% gesunken. Besonders dramatisch ist diese Entwicklung beim PendlerInnenverkehr aus dem Oberen Mühlviertel (Bezirk Rohrbach) nach Linz. Der ÖV-Anteil sank im Zeitraum 1992 bis 2012 von 24% auf 13,6%, der ÖV-MIV-Mischverkehr von 10,2% auf 6,2%; der Autoverkehr (MIV) dagegen explodierte - von 63,1% auf 75,2%. Hauptgrund dafür: der ständige Ausbau von Straßen und die systematische Vernachlässigung des Öffentlichen Verkehrs. Aus dem Bezirk Rohrbach pendeln täglich über 15.000 Menschen in die Nachbarbezirke, zum Großteil mit dem Auto, zum Großteil nach Linz. Mit dem Bau des sündteuren Westrings soll diese Fehlentwicklung beschleunigt werden.

Dabei liegt die Alternative auf der Hand: den Öffentlichen Verkehr fördern! Konkret: Mühlkreisbahn als Volleisenbahn ausbauen, die Langsamfahrstrecken sanieren, die Strecke elektrifizieren, den Takt verdichten, die Anbindungsmöglichkeiten (Park&Ride, Bike&Ride) verbessern, die Bahn Richtung Tschechien und Bayern verlängern und vor allem direkt in den Hauptbahnhof einbinden! Parallel dazu könnte durch eine oberirdische 2. Straßenbahnachse der ÖV im Zentrum kostengünstig ausgebaut und der Autoverkehr reduziert werden. Eine solche Zwei-Achsenlösung, wie sie von der „Initiative Verkehrswende jetzt!“ entwickelt wurde, wäre um einige hundert Millionen Euro billiger als die Westring-Autobahn kosten. Sie schützt unsere Gesundheit, weil die Bahn faktischen keinen Feinstaub emittiert, während sowohl Benzin/Diesel- als auch E-Autos zu den Hauptverursachern von Feinstaub zählen, da dafür vor allem der Abrieb der Reifen verantwortlich ist. Das wäre ein wirksamer Beitrag zum Klimaschutz, da die Benzin/Diesel-Autos mehr als 15-Mal soviel CO2/Personen km und auch E-Cars immerhin noch das 6,5-Fache der Bahn ausstoßen (sh. Schaubild). Und last but not least: Der Öffentliche Verkehr ist viel effizienter als das Auto: Auf der Breite eines Fahrstreifens können mit Autos 2.000, mit Bussen 9.000 und mit der Bahn 22.000 Personen pro Stunde durchgeschleust werden.

Westring Schaubild 2 1

Auch der Radverkehr ist eine umwelt- und menschenfreundliche Alternative zum Bau neuer Megastraßen, bei dem es in Linz noch sehr viel Luft nach oben gibt. 46% aller Autofahrten in Linz liegen unter 5 Kilometer – eine ideale Distanz für das Rad. Linz hat einen Radfahranteil von knapp 8%. Was möglich ist, wenn der Radfahrverkehr entsprechend gefördert wird, zeigen Städte wie Kopenhagen mit einem Radfahranteil von 40%. Um das zu erreichen, braucht es aber einen entsprechenden politischen Willen und sehr viel mehr finanzielle Mittel. Ein Vergleich: Die voraussichtlichen Kosten des Westrings verschlingen mehr als das 3.000-Fache des jährlichen Linzer Radfahrbudgets!

Fazit: Die Alternativen zur Westring-Autobahn sind billiger, gesünder, effizienter, umwelt- und klimafreundlicher. Welche Argumente braucht es für die Politik noch, um endlich im 21. Jahrhundert anzukommen?!

Wir brauchen eine Verkehrswende!

Unser Aufruf an die politisch Verantwortlichen daher: Hört endlich auf, die PendlerInnen in Geiselhaft für Eure Unterordnung unter die Interessen der Automobillobby zu nehmen! Wir brauchen eine Verkehrswende! Also: Absolute Priorität für den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs und der sanften Mobilität anstatt Megastraßenprojekten wie Westring, Ostumfahrung, Monsterautobahnbrücke, usw.

Und unser Aufruf an die PendlerInnen: Viele von Euch leben am Land bzw. sind aufs Land gezogen, um Gestank, Umweltgiften und Lärm der Großstadt zu entfliehen. Das ist verständlich und sei allen vergönnt! Wenn Ihr mit dem Auto in die Stadt zur Arbeit fahrt, bezahlen aber die Menschen in der Stadt dafür den Preis, indem sie mit noch mehr Gestank, Umweltgiften und Lärm leben müssen. Wir wissen, dass es für viele von Euch noch keine wirkliche Alternative zum Auto gibt, weil die Verkehrspolitik die längste Zeit in die falsche Richtung gegangen ist. Umso wichtiger aber ist es, dass Ihr Euch nicht von einer autoindustriegetriebenen Politik für Wahnsinnsprojekte wie den Westring missbrauchen lasst. Nach teilweisen, kurzfristigen Entlastungen wird es umso mehr Staus und Verkehr geben. Lassen wir uns nicht auseinanderdividieren, sondern kämpfen wir gemeinsam für eine umwelt- und menschenfreundliche Verkehrswende! Das hilft den Menschen am Land genauso wie denen in der Stadt!

Solidarwerkstatt, www.solidarwerkstatt.at
(Jänner 2019)

Emissionen PKW Flug

[1] Bericht des Rechnungshofes, A 26 – Linzer Autobahn (Westring), 10/2012

[2] http://www.umwelt.graz.at/cms/dokumente/10204880_4851517/c56c0dae/UBA%20Report%20PM%20und%20Lebenserwartung%202005.pdf

[3] Umweltverträlichkeitsprüfung A26 – Linzer Autobahn (Westring) – Teilgutachten Nr. 13, Humanmedizin

[4] https://www.vcoe.at/files/vcoe/uploads/News/VCOe-Factsheets/2013-14%20Wirtschaft%20beleben/VCOe%20-%20Factsheet%20Wirtschaft%20beleben%20durch%20nachhaltige%20Mobilitaet.pdf