Umweltschutz ist auch eine soziale Frage. Das untere Viertel produziert durch ihre Mobilität nur ein Drittel der klimaschädlichen Emissionen des oberstes Viertels, muss aber doppelt so viele Abgase schlucken wie die Wohlhabenden. Über 6000 Menschen sterben in Österreich vorzeitig aufgrund von Luftverschmutzung.
Im Schnitt verfügen 28 Prozent der Österreicher nie oder nur gelegentlich über einen Pkw. Im untersten Einkommensviertel sind 44 Prozent der Haushalte autofrei, im obersten nur 9%. Haushalte mit niedrigerem Einkommen verantworten durch ihre Mobilität deutlich geringere Umweltschäden als Haushalte mit höherem Einkommen (Grafik*). Der gesamte Fußabdruck bei klimaschädlichen CO2 ist im oberen Viertel 2,5-mal so hoch wie im untersten Viertel. Noch ausgeprägter ist der Unterschied bei der Mobilität. Im Schnitt verursachen die 25 Prozent der Haushalte mit niedrigstem Einkommen durch ihre Alltagsmobilität 1,7 Tonnen CO2 pro Kopf und Jahr. Bei dem Viertel der Bevölkerung mit höchstem Einkommen sind es 5,4 Tonnen CO2, also dreimal so viel (Grafik*). Dabei sind Flugreisen noch gar nicht berücksichtigt.
Gleichzeitig sind Haushalte mit niedrigerem Einkommen deutlich stärker von den negativen Auswirkungen des Autoverkehrs betroffen (sh. Grafik oben), denn diese Menschen wohnen vor allem an stark befahrenen Straßen. So ist etwa bei Menschen mit niedrigem Einkommen die Zahl jener, die unter Luftverschmutzung und Lärm leiden, doppelt so hoch wie bei jenen mit hohem Einkommen (sh. Grafik*). Die Statistik Austria hat in einer Sonderauswertung der EU-Sozialstudie „Silc“ erhoben, dass dauerhaft Arme eine um zehn Jahre niedrigere Lebenserwartung haben als der Rest der Bevölkerung. Dafür gibt es viele Gründe, die schlechteren Umweltbedingungen sind wohl einer davon.
Der Ausbau und die Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs und Reduzierung des Autoverkehrs sind deshalb nicht nur umwelt- und klimapolitisch geboten, sondern auch sozialpolitisch: Das ermöglicht Menschen mit niedrigerem Einkommen einerseits eine bessere Teilhabe an der Mobilität und schützt andererseits ihre Gesundheit in besonderem Maß vor jenem Dreck und Lärm, den vor allem die Reicheren verursachen.
Über 6.000 Tote durch Luftverschmutzung
Die Europäische Umweltbehörde veröffentlichte 2019 Zahlen zur Auswirkung von Luftverschmutzung auf unsere Gesundheit. Auch wenn die Luftschadstoffe zurückgehen, sind die Zahlen immer noch horrend: über 400.000 Menschen starben 2016 vorzeitig aufgrund von Feinstaubbelastung, Stockoxiden und bodennahem Ozon. In Österreich starben in diesem Jahr 5.300 Menschen vorzeitig aufgrund der Feinstaubbelastung, 1.000 aufgrund von Stickoxiden in der Luft, 270 durch bodennahes Ozon. Auch wenn man von Überlappungen ausgeht, so heißt das, dass über 6.000 Menschen in Österreich jährlich an diesen Luftschadstoffen vorzeitig sterben.
GrazerInnen leben 17 Monate kürzer, LinzerInnen 14 Monate
Der Autoverkehr spielt für diese Umweltgift eine große Rolle. Laut Umweltmediziner Dr. Hans-Peter Hutter sind die gesundheitlichen Auswirkungen wissenschaftlich belegt: Erhöhtes Risiko für chronische Lungenerkrankungen, Asthma, Herz-Kreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Schlaganfälle, Immunerkrankungen, Krebs. Ebenso sind Beeinträchtigungen der Gehirnfunktion bis hin zur Demenz z.B. durch Feinstäube nachweisbar. Mangels jüngerer Daten sei an eine Studie des Umweltbundesamtes erinnert, wonach bei einer konstant hohen Feinstaubbelastung über mehrere Jahrzehnte die Lebenserwartung deutlich sinken könne: In Graz verringere sie sich demnach um rund 17 Monate, in Linz um 14, in Wien um zwölf und in St. Pölten um etwa elf Monate. Auch Innsbruck (zehn Monate), in Klagenfurt (neun Monate) und in Salzburg (sieben Monate) wurde eine kürzere Lebensdauer durch Feinstaub prognostiziert (Die Presse, 7.1.2008).
*) Quelle: Mobilität als soziale Frage, www.vcoe.at
Aus: SOLiNZ 2/2021 (Solidarisches Linz & Umgebung) – Online-Zeitung der Solidarwerkstatt-Kommunalgruppe Linz