ImageDas Land NÖ will die Gynäkologie und Geburtshilfe-Station in Waidhofen zusperren. Doch die Region wehrt sich gegen dieses Spar- und Zusperrpolitik. Ein Beitrag von Josef Baum (Verkehrsforum Waldviertel), der sich in dieser Bewegung für den Erhalt der Gyn engagiert.

Showdown um "Landeerlaubnis für Störche" in Waidhofen

Ende September 2015 sickerte durch, was eigentlich erst 2016 für die Öffentlichkeit bestimmt war: Im Bezirk Waidhofen an der Thaya soll ab 1.Jänner 2016 die Gynäkologie und Geburtshilfe-Station abgebaut werden. Betroffene schwangere Frauen müssten in Zukunft entweder ins Krankenhaus Zwettl oder Horn ausweichen. Neu soll in Waidhofen eine Tagesklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgebaut werden. Ursprünglich sollten der Abbau Ende Juni abgeschlossen sein, das wurde nun angesichts der entstandenen Bewegung offenbar vorgezogen, um schnell Fakten zu schaffen: Geburten sollen höchstens noch bis März 2016 möglich sein.

„Das vergeht schon wieder“

Die NÖ-Spitalsholding  begründet das offiziell nicht ökonomisch, es gäbe absehbar gar keine Einsparungen, sondern dies sei ausschließlich im Interesse der Frauen, der Qualität der Behandlung und Sicherheit für Frauen, wurde von Männern der NÖ-Spitalsholding  Delegationen von Frauen mitgeteilt.
Faktum ist, dass betroffene Frauen im Bezirk dies grundlegend anders sehen. Über 16.000 Unterschriften wurden gesammelt, am 11. Oktober fanden sich nach Gründung einer Bürgerinitiative vor allem durch junge Frauen und kurzfristiger Mobilisierung (vor allem über Facebook) über 1.500 Menschen in Waidhofen ein, um ein Zeichen gegen diese Schließung zu setzen. Dies war in der Region wohl die größte Demonstration, die seit den Bauernaufständen hier stattgefunden hat. Ein Bundesrat, der Repräsentant der Region, wurden massiv ausgepfiffen, als er die Landespolitik verteidigen wollte. Diverse Bürgermeister protestierten zwar alibihaft, rührten aber keinen Finger, um den Protest zu organisieren. Der Landeshauptmann, dem ein VP-Getreuer mitteilte, dass die Bevölkerung die Entscheidung einhellig ablehnt, meinte, er solle sich keine Sorgen machen, das vergehe schon wieder.

„Wesentlich Verschlechterung der gesundheitlichen Situation“

In dieser Situation initiierte das Verkehrsforum Waldviertel zur neuerlichen Mobilisierung ein Video, ein Memorandum (Denkschrift) und ein Bürgerforum:
Ein Video „Pro Gyn - Eine Region gibt nicht auf“ wurde in Auftrag gegeben, und in Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative produziert. Das Video dokumentiert, dass - nach der Einstellung der Thayatalbahn und der Verbauung der Bahntrasse - das sachlich unbegründete und konzeptlose Zusperren nicht mehr hingenommen wird. Auch weil dieser weitere Infrastrukturabbau die Region verstärkt in eine Abwärtsspirale treiben würde.
Ein 17-Seiten Memorandum (Denkschrift) widerlegt auch fachlich alle Pseudo-Argumente für das Zusperren von Gyn und Geburtshilfe in Waidhofen/T. und ist inzwischen von namhaften Fachleuten und PraktikerInnen mitunterzeichnet. Dabei wurden praktisch alle wesentlichen internationalen Fachartikel zum Zusammenhang von Größe von Geburtsstationen zu Qualität und Sicherheit für Frauen berücksichtigt: Und es gibt ein absolut eindeutiges Ergebnis: ab einer (kleinen) Mindestgröße gibt es schon seit ca. 20 Jahren KEINEN Zusammenhang zwischen Zahl der Geburten und Sicherheit, ja die Tendenz geht eher ins Gegenteil, dass nämlich vergleichsweise kleinere Stationen MEHR Qualität bieten können, - außer natürlich bei vorher bekannten Risikogeburten, die ja üblicherweise an Spezialstationen überwiesen werden. Das ist der evidenzbasierte Stand der Wissenschaften. Damit erweisen sich die Zusperr“argumente“ für Waidhofen auf Obskurantismus begründet.

Die Zusammenfassung: „Die geplante Schließung der Geburtshilfe- und Gynäkologiestationen im Krankenhaus in Waidhofen T. würde

  1. durch lange Anfahrtswege für viele Frauen (und Babies) eine wesentliche Verschlechterung der gesundheitlichen Sicherheit bedeuten.
  2. Es würde mit dem Verlust einer wichtigen Einrichtung der gesundheitlichen Grundversorgung die Abwärtsspirale der Region deutlich verstärkt, die Region würde weiter ausgedünnt, und weitere Infrastruktureinrichtungen würden infolge infrage gestellt.
  3. Da es keine nachvollziehbare Evidenzbasierung dieser Abbaumaßnahme gibt, und die
  4. Entscheidungsgrundlagen weder öffentlich einsehbar noch transparent sind, wird deren unmittelbare Aussetzung bis zum Ergebnis einer ernsthaften fachlichen Prüfung gefordert“.

„Danke für die Gyn-Schließung, Herr Landeshaupt-mangel“

Der Höhepunkt war zweifellos das Bürgerforum am 19.2.16, zu dem Bürgerinitiative und Verkehrsforum einluden: zwei Landesräte (von VP und SP) und Vertreter des Landespitalsholding. Zunächst versuchte die Politik wochenlang das Forum zu ignorieren, was sie aber nicht durchhielten, als immer mehr zusagten. Die Herren aus St. Pölten sollen und konnten drei Stunden lang sehen, dass – nach langem Schweigen – eine Region aufsteht, und dass sie aus der Region keine einzige Stimme an Unterstützung mehr hatten. Der VP-Landesrat meinte offen, dies seien „schwere Stunden in meinem Leben“. Am nächsten Tag regte der SP-Landesrat für Gesundheit, der allerdings entsprechend den Machtgepflogenheiten in NÖ nicht für Spitäler zuständig ist, doch einen “Runden Tisch“ an, wurde aber sofort zurückgepfiffen.

ImageDen Wiederaufschwung der Bewegung konnte aber schließlich auch der Landeshauptmann nicht mehr ganz ignorieren und gestand schließlich ein Gespräch am 3.3.16 zu, das immerhin anderthalb Stunden dauerte. Hauptergebnis: Die Entscheidung soll innerhalb der nächsten zwei Wochen geprüft werden, und zwar von Leuten, die bisher nicht bei den Entscheidungen waren. Das war ein Erfolg im Sinne des Memorandums, hat aber auch Schwächen. Denn die Auswahl der Prüfer durch den Landeshauptmann ist praktisch eine Vorentscheidung. Und der LH stellte in den Raum, dass die Geburtsstation entweder Horn oder Waidhofen schließen müsse, was keinerlei sachliche Grundlage hat…
Das Ganze erinnert irgendwie an die Geschichte mit der Thayatalbahn, als die Regionalpolitiker dazu angehalten wurde, vom Jahre vorher vom Land beschlossenen Projekt  der Reaktivierung der grenzübergreifenden Bahn abzurücken und stattdessen ein Radweg AUF der Bahn zu befürworten. Nach Protestaktionen, die zwar lange andauerten, aber leider auch nicht annähernd die Breite der jetzigen Bewegung erreichten, verordnete der Landeshauptmann eine Denkpause und einen runden Tisch. Dieser stellte sich dann aber als Farce dar.

Es wird nicht mehr wie vorher sein

Nun wird es bis zur Entscheidung des Landeshauptmanns zunächst keine Aktionen geben, und der Abbau der Geräte sollte eben in wohlweislicher Übererfüllung des Plans dann zügig im März abgeschlossen sein - wenn die Entscheidung nicht grundsätzlich umgedreht wird. Leider kann nicht ausgeschlossen werden, dass es ein Zuckerl geben wird, wie ein kleines Gyn-Ambulatorium in Waidhofen, das gut wäre, aber eben nicht eine Geburtenstation ersetzt.

Faktum ist auch – sehen wir es positiv -, dass Politiker, die die Region aufgegeben und einige sie um ein paar Pfifferlinge verraten haben, monatelang nichts gemacht haben, und sich jetzt wieder nach vorstellen, um einen etwaigen Erfolg zu reklamieren.
Faktum ist aber, dass durch ein Video, ein Memorandum und ein Bürgerforum tatsächlich die Bewegung einen Wiederaufschwung genommen hat, an den nur wenige geglaubt hatten, und der auch einige Male an der Kippe stand. Es gilt das Prinzip Hoffnung. Und es wird jedenfalls in einer fast ewig ruhigen Region nach dieser Bewegung schwerlich so sein wie vorher.

(1.3.2016)