Während in Städten wie Linz neue Stadtautobahnen betoniert werden sollen, zeigt Paris, dass es auch ganz anders geht: Bäume statt Parkplätze – Radfahr-Highways statt Autostraßen. Ein Beitrag aus dem aktuellen SOLiNZ 3/2021.
Denken wir an Paris, denken viele an die besungene Stadt der Liebe. In Filmen sehen wir Paris von seiner schönsten Seite, romantische Plätze, Parks, Gässchen, gemütliche Restaurants. Dass Paris ein veritables Verkehrsproblem hat, erkennt man da nicht sofort. Ein Problem dem sich die sozialistische Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, trotz Rückschlägen mutig und hartnäckig stellt. Ihr Ziel: Autos aus Paris zu verbannen und Paris, zur „Ville Du Quart D’Heure“ werden zu lassen: Alles, was man im täglichen Leben so braucht, soll in einer Viertelstunde erreichbar sein – Schulen, Geschäfte, Ärzte, Parks, Spielplätze etc. Die Ausgangssituation war bzw. ist noch immer knapp an Alarmstufe Rot. Paris leidet – wie andere Metropolen – an den Folgen massiver Luftverschmutzung. Laut EU-Schätzungen sterben in Frankreich jedes Jahr 48.000 Menschen an den Folgen schlechter Luft, die meisten in Städten wie Paris und Lyon. Um der hohen Schadstoffbelastung vor allem im Sommer etwas entgegenzuwirken, werden sogar immer wieder Fahrverbote erlassen.
Seine-Ufer autofrei
In Paris, wie in Seoul (sh. SOLiNZ 1/2021 und 2/2021) und andernorts gibt es trotz der belastenden Situation auch Widerstand gegen Reduktion des Autoverkehrs. Hidalgo musste Rückschläge hinnehmen, aber sie ließ sich nicht davon abbringen, Paris für seine Bevölkerung zu einem lebenswerteren Ort zu machen. So wurde z.B. ihr erster Versuch, die Schnellstraße am rechten Seine-Ufer für Autos zu sperren, 2017 vom Pariser Verwaltungsgericht gekippt. Trotz Spotts und extremer Anfeindungen, dass Hidalgo das ohnehin legendäre Stauchaos komplett außer Kontrolle bringen werde, blieb sie bei ihrer Linie, verschärfte sie sogar noch einmal. Beim zweiten Versuch gelang die Umwandlung der Uferstraße zur Fußgängerpromenade. Nun sind beide Seine-Ufer für den Verkehr endgültig tabu. Wo früher täglich über 40.000 Autos entlang rasten, flanieren jetzt Fußgänger, picknicken Familien.
Radhighways
Im Zuge der Covid-19-Maßnahmen verkündete die Stadtregierung zusätzlich die Schaffung von kilometerlangen Radhighways, die parallel zu wichtigen U-Bahn-Linien als temporäre Alternative für die notorisch überlastete Metro und zum motorisierten Individualverkehr gedacht waren.
Minus 60.000 Parkplätz - Plus 170.000 Bäume
Auch der Raum für Autos, wird weiter verkleinert: 60.000 Parkplätze sollen verschwinden und wichtig für ein gutes Stadtklima: 170.000 neue Bäume gepflanzt werden.
Alternativen für Pendler/innen
Die Kernstadt Paris etwa - so groß wie ganz Wien - hat mit 2,1 Mio. Menschen die höchste Einwohnerdichte Europas. Im Ballungsraum leben ca. weitere 8 Mio. von denen viele täglich zum Großteil mit öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadt pendeln. 8,3 Mio. Fahrgäste zählt der Betreiber des öffentlichen Nahverkehrs Regie Autonome des Transports Parisiens (RATP) täglich, was dieses System während der Stoßzeit fast an seine Grenzen bringt.
Um dem drohenden Kollaps der öffentlichen Verkehrsmittel entgegenzuwirken, wurde 2011 das ca. 35 Milliarden Euro schwere Projekt „Grand Paris Express“ auf den Weg gebracht, durch das bis 2030 200 neue U-Bahn-Kilometer gebaut werden sollen. Ziel ist es, Berufspendler in schnelleren Verbindungen außen um die Stadt herumzutransportieren und ihnen mühsame Umsteigeverbindungen im Stadtzentrum zu ersparen.
Veränderung ist möglich
Paris, Seoul, und andere Städte zeigen wie Lebensqualität und Klima in Großstädten verbessert werden kann – und dass es Alternativen zur autozentrierten Stadtplanung gibt. Straßen rück- statt ausbauen, Bäume pflanzen statt abholzen, FußgängerInnen und RadfahrerInnen öffentlichen Raum zurückgeben, Öffis ausbauen, eine Stadt der kurzen Wege - ein „Ville Du Quart D’Heure“ – man sieht, es geht. Der Linzer SP-Bürgermeister könnte sich von seiner sozialistischen Amtskollegin in Paris einiges abschauen.
Eveline Steinbacher
(Aus SOLiNZ Mai 2021)
Quellen:
https://orf.at/stories/3176995/
https://www.dw.com/de/pariser-seine-ufer-ist-autofrei/a-38289261
https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/paris-sperrt-rechtes-seine-ufer-fuer-verkehr-14475005-p2.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Grand_Paris_Express