Der Nationalrat hat am 25. September den Klimanotstand ausgerufen. Das ist gut so, doch wenn es sich nicht – wie so oft – um ein Lippenbekenntnis handeln soll, müssen rasch Taten folgen. Wenn der Wille da ist, geht der erste Schritt einfach und schnell.

Der Straßenverkehr und zunehmend auch der Flugverkehr zählen in Österreich zu den größten Verursachern von klimaschädlichen Treibhausgasen und von gesundheitsschädlichen Schadstoffen (Feinstaub, Stockoxide). Eine Erkenntnis der Verkehrswissenschaft bestätigt sich jeden Tag aufs Neue: Das Angebot produziert die Nachfrage. Wer neue Straßen baut, wird Autoverkehr ernten. Wenn also wirklich ein Wille da ist, hier und heute Klimaschutz ernst zu meinen, dann muss endlich Schluss gemacht werden mit dem ständigen Bau neuer Autobahnen, Schnellstraßen und Flugpisten. Denn ein Blick in die im nächsten Jahrzehnt geplanten Verkehrsprojekte zeigt, dass – trotz aller Klimaschutzbekenntnisse – der Aus- und Neubau dieser fossilen Großprojekte in den kommenden Jahren massiv vorangetrieben wird. Hier ein Überblick:

Tabelle 20 Milliarden fossil

Das ergibt in Summe unglaubliche 20 Milliarden Euro, die für neue Autobahnen, Schnellstraßen und Flugpisten ausgegeben werden sollen. Zur Erläuterung: Diese Zahlen ergeben sich aus den von der ASFINAG angegeben Errichtungskosten, einschließlich einer 30% Baukostenüberschreitung. Diesbezüglich wurde mangels österreichischer Studien auf eine deutsche Studie Bezug genommen, die bei Großprojekten im Verkehr auf eine durchschnittliche Kostenüberschreitung von 33% kommt. Ebenfalls eingerechnet sind die Finanzierungskosten. Nicht eingerechnet sind die Instandhaltungs- und Sanierungskosten. Und die sind hoch. Um sich ein Bild zu machen: Alleine für den Lobau-Tunnel rechnen ExpertInnen in einem Zeitraum von 40 Jahren mit einer Milliarde an Instandhaltungskosten. Nicht eingerechnet sind auch die enormen Kosten, die durch Umweltzerstörung, Unfälle, Verlust fruchtbarer Böden, Gesundheitsbeeinträchtigungen usw. entstehen. Diese sog. „externen Kosten“ sind laut VCÖ beim Autoverkehr 7-mal so hoch wie bei der Bahn.

Bei diesen 20 Milliarden sind nur die ASFINAG-Straßenprojekte (Autobahnen, Schnellstraßen) berücksichtigt. Doch es gibt sehr viel mehr Megastraßenprojekte, die vom Bund bzw. den Ländern finanziert werden. Alleine in Oberösterreich gehen diese in die hunderte Millionen (z.B. Ausbau B 149, B139, Westspange Steyr). Bundesweit kommt also nochmals eine Summe jenseits der Milliardengrenze dazu.

Jährlich 1,5 Milliarden Auto-Kilometer mehr!

Österreich hat schon jetzt eines der dichtesten Autobahnnetze in Europa. Die Folge: Im Jahr 2018 wurden in Österreich bereits 83 Milliarden Kilometer mit dem Auto zurückgelegt, das entspricht einer Zunahme von 12% (plus 9 Milliarden km) seit 2012. Seit 2012 hat sich die Zunahme eindeutig beschleunigt (sh. Grafik). Jährlich kommen seither rd. 1,5 Milliarden gefahrene Auto-Kilometer dazu (1).

Auto KM VCOE
Viele der in den letzten Jahren gebauten bzw. nun geplanten Autobahnprojekte – z.B. Phyrn-Autobahn, S 10 Mühlviertler Schnellstraße, Lobau-Tunnel Wien, Osttangente Linz – sind sog. TEN-Projekte („Transeuropäische Netze“). Die Korridore für diese TEN-Strecken sind auf EU-Ebene verordnet und teilweise auch über die EU-Ebene kofinanziert. Sie dienen dazu, dem hemmungslosen Güterverkehr und Freihandel kreuz und quer über den Kontinent eine Bresche zu schlagen. Genau das aber ist mit einem wirksamen Klimaschutz unvereinbar. Diese TEN-Verordnungen haben auch rechtlich weitreichende Folgen: So hat der Verfassungsgerichtshof den Baustopp der 3. Piste beim Flughafen Wien/Schwechat mit der Begründung aufgehoben hat, dass dieser Flughafen zu den TEN-Netzen der EU gehört.

„Stopp fossiler Großprojekte!“

Man kann es nicht oft genug betonen: Genau in jenem Jahrzehnt, das vom UNO-Klimarat als das entscheidende angesehen wird, um noch einen Klimakollaps verhindern zu können, sollen in Österreich klimafeindliche fossile Großprojekte in der Höhe von 20 Milliarden Euro gebaut werden. Das ist völlig absurd und verantwortungslos!

Es ist ermutigend, dass eine der zentralen Forderungen der „Fridays for Future“-Bewegung, die am 27. September 150.000 Menschen mobilisieren konnte, lautet:„Stopp fossiler Großprojekte, wie den Neu- und Ausbau von Flughäfen und Autobahnen! (sh. www.fridaysforfuture.at) Ja, genau darum geht es! Die Verhinderung dieser fossilen Großprojekte ist auch deshalb so wichtig, weil es sich um sog. „Lock in“-Investitionen handelt. D.h. sie sperren uns wieder auf Jahrzehnte in einem klimaschädlichen Entwicklungspfad ein. Genau diese Zeit dürfen wir aber angesichts der bedrohlichen Klimakrise nicht mehr verlieren.

Die Nagelprobe(n) 

Der Stopp dieser fossilen Großprojekte ist die erste große Nagelprobe, ob die Ausrufung des Klimanotstands von den politisch Verantwortlichen ernst genommen wird. Da gibt es keine Ausreden. Diese Forderung ist konkret, kann sofort verwirklicht werden – und die Umsetzung kostet nur nichts, sondern erspart viele Milliarden. Womit wir bereits bei der nächsten Nagelprobe sind: Diese Gelder müssen umgehend in ein ambitioniertes Investitionsprogramm für den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs, der sanften Mobilität und erneuerbarer Energien umgeschichtet werden.

Dafür werden wir viel Druck machen müssen. In diesem Sinne: Wir sehen uns beim nächsten Klimastreik am 29. November!

Gerald Oberansmayr
(Oktober 2019)

Quellen:
(1) https://www.vcoe.at/presse/presseaussendungen/detail/mit-auto-gefahrene-kilometer-sind-in-oesterreich-seit-1990-um-50-prozent-gestiegen