Die italienische Regierung wird eine EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich anstrengen, um die – bescheidenen – Einschränkungen beim Transit durch Tirol loszuwerden. Das Beispiel der Schweiz zeigt, dass ökologische Verkehrspolitik außerhalb der EU besser funktioniert.
Nun ist es fix: Die italienische Regierung wird gegen Österreich ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Grund dafür sind einige Maßnahmen, die Österreich ergriffen hat, um den überbordenden Transitverkehr am Brenner etwas einzudämmen: das Nachtfahrverbot, ein sektorales Fahrverbot für bestimmt Güter, Samstagfahrverbot in den Wintermonaten, die Dosierung des Schwerverkehrs. Mit diesen Maßnahmen hat Österreich auf katastrophale Entwicklung seit dem EU- Beitritt reagiert. Der LKW-Verkehr am Brenner ist von 1.560.000 (2000) auf 2.480.000 (2022) gestiegen, ein Plus von 58 Prozent. Die Bevölkerung in Tirols Tälern erstickt im Schwerverkehr.
Wie man eine - im Interesse der Bürgerinnen und der Umwelt - effektive Verkehrspolitik betreibt, zeigt die Schweiz. Dort ist der Transitverkehr im Zeitraum 2000 bis 2022 um 56 Prozent zurückgegangen, von 1.400.000 auf 790.000 LKW-Fahrten. In der Schweiz wird eine Lkw-Maut verlangt, die externen Kosten des Schwerverkehrs einigermaßen abdeckt, und zur Finanzierung des Schienenausbaus verwendet. Verkehrspolitik funktioniert einfach besser, wenn nicht über jeder Maßnahme das EU-Damoklesschwert der Freiheit des Warenverkehrs schwebt.
Die Klage Italiens bringt die Wirkungsweise von EU-Europa auf den Punkt: Eine rechtsextreme Regierung will Interessen der Frächterkonzerne gestützt aus das EU-Wettbewerbsrechts und mit Hilfe EUGH durchsetzen. Und die Aussichten für Italiens Regierung stehen nicht schlecht. Der EUGH hat bereits vorab bekannt gegeben, dass er die Klagsgründe Italiens weitgehend für begründet hält.
Österreich tut jedenfalls gut daran, sich an der Schweiz ein Beispiel zu nehmen. Eine Senkung des LKW-Transits ist möglich, die europäische Verkehrspolitik könnte nachhaltig beeinflusst werden, wenn Österreich und die Schweiz abgestimmt vorgehen. Das wäre ein realer Beitrag zu einem „Green Deal“, den man allerdings gegen die EU und die Binnenmarktregeln durchsetzen muss.
Gerald Oberansmayr
(Juni 2024)