ImageMit der Linzer Ostumfahrung soll für den ungehemmten LKW-Transit von der Ostsee zur Adria eine weitere Schneise freibetoniert werden. Das ist Verkehrspolitik der Marke Vorgestern. Das Gebot der Stunde: Schiene statt Verkehrslawine!

 

Der sog. „European Round Table of Industrialists“ (ERT) gehört zu den mächtigsten EU-Lobbygruppen. Der ERT besteht aus den Chefs der rd. 50 größten europäischen Industriekonzerne. Peter Sutherland, selbst Teilnehmer des ERT und zuvor EU-Wettbewerbskommissar, streicht den Einfluss dieses Konzernzirkels auch in der Öffentlichkeit ungeschminkt heraus: „Ich denke, dass sich die Bedeutung des ERT … daraus ergibt, dass seine Mitglieder aufgrund ihrer Positionen in den Konzernen einen ungehinderten Zugang zu den Regierungschefs haben. Tatsache ist, dass der ERT nur den größten Konzernen in jedem Land der Europäischen Union erlaubt, Mitglied zu werden. So hat schon per definitionem jedes Mitglied Zugang zu den höchsten Regierungsebenen“ (1)

"Missing Links“

Der ERT rühmt sich nicht nur als Autor des EU-Binnenmarktprojekts und der Währungsunion. Er hat auch im Jahr 1984 den Regierungschefs das sog. „Missing Links“-Projekt vorgegeben, das massive Verkehrsinvestitionen vorrangig in den Autobahnausbau forderte, die „Lücken“ in Europas Verkehrsnetz zu schließen, um es zu einem perfekten Fließband zwischen den Konzernfilialen zu verwandeln. Die Automobil-, Reifenherstellungs- und Ölverarbeitungsindustrie nimmt nicht zufällig eine dominierende Stellung im ERT ein. Zu den Mitgliedern zähl(t)en u.a. die Chefs von Repsol, TotalFinaElf, Daimler Benz, Fiat, Air Liquide, Royal Dutch Shell, Norsk Hydro, OMV, Renault, BP Amoco, Pirelli, Volvo, MOL, Statoil, VW, Eni.

2003 klopfte sich der ERT selbst auf die Schultern, dass das von ihm in Auftrag gegebene „Missing Links“-Programm weitgehend abgearbeitet worden war. Die Folgen: Allein zwischen 1990 bis 2002 verlängerte sich das Autobahnnetz auf dem Gebiet der EU-15 von 39.000 auf 53.000 Kilometer, während die Schienenwege von 162.000 auf 152.000 Kilometer schrumpften. Trotz vieler Beteuerungen zu einer ökologischen Wende, setzt sich diese Irrweg seither weiter fort: In den EU-27 schrumpfte das Schienennetz im Zeitraum 2000 – 2011 um 2%, während das Autobahnnetz um 27% wuchs. In Österreich nahm das Autobahnnetz in diesem Zeitraum zwar „nur“ um 5% zu, dafür wurde das Schienennetz um 11% reduziert (2).

"Umweltpolitische Vorbehalte revidieren"

Zu diesen „Missing Links“-Projekte zählt auch die A9-Phyrnautobahn, die dem Transit eine Schneise vom Linzer Zentralraum Richtung Süden durch die Alpen zur Adria schlägt. Doch der Hunger nach neuen Transitschneisen geht weiter. Linz liegt genau liegt im Verlauf der Transitverkehrsachse Berlin – Prag – Triest. Nach dem Bau der A9 soll nun die Strecke Berlin – Prag – Linz für den ungehemmten LKW-Verkehr freibetoniert werden. Die Union der Europäischen Industrie und Handelskammer (UEIH) listet die „Achse Berlin-Prag-Linz“ als eine der „Lücken und Engpässe im Europäischen Verkehrsnetz“ auf, die rasch geschlossen werden müssen. Die UEIH liest Umweltschützern und transitgeplagten Anrainern die Leviten: „Umweltpolitische Vorbehalte gegen den Straßenbau gilt es …  zu revidieren. Gesamtgesellschaftlich betrachtet sind die Investitionen in die Beseitigung von Engpässen und das Schließen von Lücken beim Verkehrsträger Straße viel effektiver … als bei anderen Verkehrsträger. Die Mitgliedstaaten der EU aber auch EU-Kommission und EU-Parlament sollten daher beim Ausbau des Straßennetzes diesen Aspekt angemessen berücksichtigen.“ (2)

 „Lückenschluss“

Was diese auch prompt tun. Die österreichische Politik treibt den „Lückenschluss“ der TEN-Achse Berlin-Prag-Linz wird mit Hochdruck voran. Bis 2015 soll die kreuzungsfreie und vierspurige Mühlviertler Schnellstraße S 10 fertiggestellt werden. Die ASFINAG macht kein Hehl daraus, dass es sich bei der dem über 700 Millionen teuren Straßenbauprojekt um eine EU-Transitschneise handelt: „Das Projekt hat auch hohe überregionale Bedeutung, weil die S 10 die notwendige Anbindung des Oberösterreichischen Zentralraumes, an den süd­böhmischen sowie den Ostseeraum an die Donau bringt. Die S 10 ist damit Teil der transeuropäischen Netze.“ (3) Linz stellt dabei einen „Flaschenhals“ auf dieser Transitstrecke dar, den man um jeden Preis beseitigen will. Deshalb macht derzeit die Landespolitik enormen Druck, zusätzlich zum Westring einen Ostring, also eine Ostumfahrung von Linz, zu bauen, die die S 10 direkt mit der A1 verbindet. Dabei sind verschiedene Varianten in Diskussion, denen jedoch allen gemeinsam ist,

  • dass sie unglaublich teuer sind; geschätzte Kosten zumindest 700 Millionen Euro
  • dass sie Natur zerstören, die Gesundheit der Menschen im Großraum Linz belasten und globale Umweltprobleme verschärfen
  • dass sie auf eine Verkehrspolitik der Marke Vorgestern setzen, die den wachsenden LKW-Transit quasi als „Naturgesetz“ akzeptiert und durch den Bau neuer Transitrouten zur selbsterfüllenden Prophezeiung für die Verkehrsexplosion wird.

Schiene statt Verkehrslawine!

Die Solidarwerkstatt unterstützt daher den Widerstand gegen den Bau der Ostumfahrung genauso wie den Widerstand gegen die Westumfahrung. Diese fossile Verkehrspolitik der Marke Vorgestern muss endlich ein Ende haben. Wir wollen nicht mehr länger zulassen, dass unsere Gesundheit und unser Lebensraum im wahrsten Sinn des Wortes unter die Räder kommt! Die Alternativen zu ständig neuen Transitrouten hat die „Bürgerinitiative keine Ostumfahrung“ (BIKO) kurz und bündig zusammengefasst: „Die Verlagerung auf die Schiene ist das Gebot der Stunde.“ (www.biko-info.at ).

 


Anmerkungen:

(1) in: Bastiaan von Apeldoorn, Transnationale Klassen und europäisches Regieren (2000); zit. nach Winfried Wolf, Strukturen der Verkehrsindustrie – Wirtschaftsinteressen und Verkehrspolitik, in: Handbuch Verkehrspolitik, Wiesbaden 2007
(2) https://www.allianz-pro-schiene.de/presse/pressemitteilungen/2013/024-eu-vergleich-europas-eisenbahnnetz-wird-kuerzer/
(3) Union der Europäischen Industrie- und Handelskammer, Lücken und Engpässe im Europäischen Verkehrsnetz, Basel 21.03.2002
(4) zit. nach http://www.unterweitersdorf.at/system/web/zusatzseite.aspx?menuonr=218612357&detailonr=217650961