Die sog. „Transeuropäischen Netze“ (TEN) der EU sollen mit hunderten Milliarden Euro den Kontinent in ein rollendes Fließband für den „freien Warenverkehr“ verwandeln. Österreich liegt im Fadenkreuz von vier der neun TEN-Korridoren. Alle in den letzten Jahren realisierten, derzeit im Bau bzw. in Planung befindlichen großen Straßenbauprojekte in Österreich liegen an den „Nadelöhren“ dieser TEN-Korridore. Was wenig bekannt ist: Auch die 3. Piste am Flughafen Wien/Schwechat gilt als TEN-Kernprojekt.
Österreich im Fadenkreuz der Transeuropäischen Netze (TEN)
Die sog. „Transeuropäischen Netze“ (TEN) der EU sollen mit hunderten Milliarden den Kontinent in ein rollendes Fließband für den „freien Warenverkehr“ verwandeln. Bis 2050 soll ein lückenloses TEN-Straßennetz im Umfang von 136.706 Kilometer zur Verfügung stehen. Österreich liegt im Fadenkreuz von vier der neun TEN-Korridoren, dem Ostsee-Adria-Korridor, dem Nordsee-Mittelmeer-Korridor, dem Rhein-Donau-Korridor und dem Korridor Orient/östliches Mittelmeer. Alle in den letzten Jahren realisierten, derzeit im Bau bzw. in Planung befindlichen großen Straßenbauprojekte in Österreich liegen an den „Nadelöhren“ dieser TEN-Korridore. Was wenig bekannt ist: Auch die 3. Piste am Flughafen Wien/Schwechat gilt als TEN-Kernprojekt. Die Aufnahme von Projekten in die TEN-Liste ist deshalb von Bedeutung, weil daran EU-Fördermittel gebunden sind. Für Projekte werden Planungs- und Baukostenzuschüsse in Höhe von bis zu 50 Prozent gewährt.
1. Pyhrn-Autobahn
Bereits in den 90er Jahren wurde die Pyhrnautobahn gebaut – als sog. „TEN-Lückenschlussprojekt“. Die Bahn dagegen fristet auf der Strecke Linz – Graz ein stiefmütterliches Dasein. Ganze zwei Direktzüge verkehren täglich. Die Strecke ist im Pyhrnbereich eingleisig und nicht schnellzugtauglich. In die Autobahn ist in den letzten 25 Jahren acht Mal so viel investiert worden wie in die Bahn. Während die Bahn auf der Strecke Linz – Wien eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 150 km/h erreicht, schafft sie zwischen Linz und Graz gerade einmal 75 km/h.
2. A5-Nordautobahn
Die A5-Nordautobahn ist Teil des TEN-Kernnetzes, das den Transitverkehr von der Ostsee bis zur Adria schleust. Die A5 Wien verläuft durch das Weinviertel zur tschechischen Grenze Richtung Brno. 48,5 km sind bereits fertiggestellt, 9 Kilometer bis zur tschechischen Grenze fehlen noch. Betreiber ist die private Bonaventura-Straßenerrichtungs-GmbH. Diese gehört dem französischen Baukonzern Egis. Die Einnahmen von Egis bemessen sich danach, wieviele Kfz auf der A5 fahren. Ein Pkw bringen 40 Cent, ein LKW 4 Euro täglich. Da die Betreiberfirma mit der derzeitigen Verkehrsbelastung, die zwischen 20.000 und 36.000 Kfz liegen, höchst unzufrieden ist, wird Druck zur weiteren Ausweitung des Straßennetzes gemacht, um mehr Verkehr auf der A5 zu erzeugen und damit die Profitabilität der Strecke zu sichern. Je mehr Verkehr – insbesondere von LKWs – desto mehr Profit für den Baukonzern! Verkehr verkehrt.
3. S10-Schnellstraße Unteres Mühlviertel
Die OÖ Landespolitik hatte 2008 versprochen, dass der Bau der S10 und der Ausbau der Summerauer-Bahn im Unteren Mühlviertel zeitgleich stattfinden werde. 2015 wurde um 700 Millionen Euro die S10-Schnellstraße durch das Untere Mühlviertel fertiggestellt. Mit dem Ausbau der Summerauer Bahn wurde bisher noch nicht einmal begonnen, obwohl die Kosten dafür nur rd. die Hälfte jener der S10 betragen hätten. Der Grund: Die S10 ist ein TEN-Projekt, d.h. Geld spielt keine Rolle, die Summerauer Bahn ist kein TEN-Projekt. Die Politik begründet offiziell die fehlenden Gelder für die Bahnattraktivierung mit den Maastricht-Kriterien der EU.
4. Fürstenfelder Schnellstraße
Die Fürstenfelder Schnellstraße soll die Großräume Graz und Budapest miteinander verbinden. Die S7 soll vom Knoten Riegersdorf an der Süd-Autobahn A2 über Fürstenfeld zur ungarischen Grenze bei Heiligenkreuz führen und dort in die ungarische Autobahn m8 münden. Die Gesamtkosten werden von der ASFINAG auf 600 Millionen angegeben, realistischer wohl etliches mehr.
5. Drei neue Megastraßenprojekte im Großraum Linz
Derzeit führen in Linz 16 Autofahrbahnen über die Donau. Werden alle Straßenbauprojekte, die derzeit geplant bzw. teilweise bereits gebaut werden, realisiert, dann könnten es in einigen Jahren bereits 30 Autofahrbahnen sein. Der Großteil dient auch dem Transit: So die Ostumfahrung, der 10-spurige Ausbau der Voest-Brücke und möglicherweise auch der Westring, falls auch der Nordteil verwirklicht wird. Kosten dieser Megastraßenprojekte im Westen, Osten und durch die Mitte von Linz: rd. zwei Milliarden Euro.
Informationen siehe auch www.verkehrswende-jetzt.at
6. Lobau-Autobahn
19 km ökologischer und ökonomischer Wahnsinn – das ist die geplante Lobau-Autobahn. Mit diesem Stück Autobahn durch den Nationalpark Donau-Auen soll der so genannte „Regionenring“, die Autobahnumklammerung von Wien und St. Pölten, geschlossen werden. Abgase von 60.000 Fahrzeugen täglich – nur 100 m entfernt von Wohnhäusern, nahe an Schulen und Kindergärten. 8,5 km der Lobau-Autobahn sind besonders zerstörerisch angelegt: Sie würden als Tunnel durch den Nationalpark Donau-Auen führen, Grundwasser und ökologisches Gleichgewicht wären enorm bedroht. Die Kosten werden auf rund 3 Milliarden Euro geschätzt.
Informationen siehe auch https://www.lobau.org/
7. Dritte Piste am Flughfen Wien/Schwechat
Der Bau der 3. Piste erfolgt vorrangig, um die „Drehkreuzfunktion“ des Flughafens im Rahmen der TEN-Netze auszubauen. Der Verfassungsgerichtshof machte das in seinem Urteil deutlich, als er das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtshofs gegen den Bau der 3. Piste aufhob. Wörtlich heißt es in der VfGH-Entscheidung: „In Anhang II der TEN-V-VO werde der Flughafen Wien-Schwechat als einer der Hauptflughäfen des europäischen Kernnetzes gelistet. ... In der Luftfahrtstrategie für Europa werde dieser Gedanke weiter gesponnen und ausgeführt, dass die größte Herausforderung im Hinblick auf das Wachstum der europäischen Zivilluftfahrt die Verringerung der Kapazitäts- und Effizienzengpässe sei, die das Potential der europäischen Luftfahrtbranche für nachhaltiges Wachstum und internationale Wettbewerbsfähigkeit stark einschränke. ... Eine Optimierung und Erhöhung der Flughafenkapazitäten sei daher erklärtes Ziel der Europäischen Union, nicht nur, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, sondern auch, um die CO2-Emissionen zu reduzieren und den Umweltschutz zu verbessern.“ Eine Steigerung des ausgewiesenen Klimakillers Flugverkehr, um den Umweltschutz zu verbessern? Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
Weitere Informationen siehe hier.
8. Waldviertel-Autobahn
Die NÖ Landespolitik will eine Waldviertel-Autobahn von Stockerau über Hollabrunn, Horn und Gmünd weiter Richtung Freistadt bauen. Dass diese Waldviertel-Autobahn („Europaspange“) ein lupenreines EU-Transitprojekt werden soll, wird nicht einmal ansatzweise bestritten, schließlich will man EU-Geld an Land ziehen. Landesrat Schleritzko: „Wir wollen mit der Europaspange eine Anbindung des Wald- und Weinviertels an die Europastraße 55 und damit an die Nord-Süd-Achse Kopenhagen – Berlin – Dresden – Prag – Linz, die über Venedig weiter nach Griechenland verläuft, schaffen. Gleichzeitig binden wir den Raum noch besser an die europäischen Achsen Richtung Süddeutschland (Europastraße 60) sowie Richtung Schwarzes Meer (E 60 und E 58).“ (Tips-St. Pölten, 23.5.2018)
Bitte unterstützen: Nein zum Transit - Ja zum Waldviertel!
Dominanz der Auto- und Erdölindustrie
Die Forderung „Transeuropäische Netze“ (TEN) im Verkehrsbereich geht auf den „European Round Table (of Industrialists)“ (ERT) zurück, der seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Druck für den Ausbau dieser Transitschneisen macht. Der ERT ist so etwas wie das Zentralkomitee der europäischen Großindustrie, bestehend aus den Chefs der rd. 50 größten EU-Industriekonzerne. Der ERT beansprucht auch die Urheberschaft am EU-Binnenmarktkonzept für sich, das neoliberalen Freihandel und Kapitalverkehr am Kontinent verordnet. Hemmungsloser Freihandel und Kapitalverkehr einerseits, möglichst reibungsfreier Transitverkehr andererseits sind zwei Seiten einer Medaille. Erst ein dichtes Netz an Autobahnen und Schnellstraßen ermöglicht es den Konzernen, ein rollendes Fließband zwischen den Konzernfilialen zu schaffen und regionale Märkte niederzukonkurrieren. Die EU hat das Dogma des freien Waren- und Kapitalverkehrs in ihrem Primärrecht einbetoniert. Die Transeuropäischen Netze betonieren die dafür notwendigen Autobahnen, Schnellstraßen, Flughäfen und Landepisten. In die Eisenbahn wird zwar auch investiert, aber nur in einige Hochleistungsstrecken, das Schienennetz in der Fläche ist dagegen dramatisch geschrumpft. Exakte Zahlen gibt es für den Zeitraum 2000 bis 2007. In diesem Zeitraum wurde in der EU das Autobahnnetz um 1.306 km jährlich (!) ausgebaut, während das Schienennetz jährlich (!) um 563 km schrumpfte (Winfried Wolf, 2016).
95% Auto und Erdöl
Diese Auto- und Straßenfixierung hängt eng mit der Dominanz der Auto- und Erdölindustrie in der EU zusammen. Unter den 10 größten Industrie- und Handelskonzernen sind die größten 8 ausschließlich im Bereich Auto und Erdöl tätig. Die Plätze 9 und 10 belegen mit Siemens und Bosch zwei Technologiekonzerne, die ebenfalls einen Gutteil bzw. Großteil ihres Umsatzes in diesem Sektor erwirtschaften. Nimmt man das in die Rechnung auf, so entfallen 95% der Umsätze der 10 größten Industrie- und Handelskonzerne auf den Bereich Automobil und fossile Energien.