Viele von uns stellen sich in Anbetracht der beunruhigenden Fakten – Treibhausgase, Klimaerwärmung, Gesundheitsbelastung durch Abgase - die Frage, wie kann/wird unser Leben in Zukunft in den Städten aussehen? Noch mehr Straßen, noch mehr Verkehr? Was können wir von anderen Großstädten punkto umwelt- und menschenfreundlicher Mobilität lernen? Diesen Fragen gehen wir in dieser Serie nach.

Bei meiner Recherche habe ich etliche interessante motivierende Beispiele von Alternativen gefunden. Ich möchte hier über das bemerkenswerte Beispiel Seoul berichten, dessen Bürgermeister Myung-Bak Lee den Mut zu einem Paradigmenwechsel im Stadtmanagement hatte: nämlich für ein Seoul für Menschen und nicht für Autos.

Die Stadtregierung von Seoul startete 2003, unter Leitung des Bürgermeisters, das Projekt zur Wiederbelebung des Cheonggyecheon-Stroms in der Innenstadt von Seoul. Dieser wurde in den 1960-er Jahren für den Bau einer Autobahn versiegelt, auf der dann täglich mehr als 168.000 Autos pro Tag fuhren. Die Stadtregierung entschied sich 2003 - in einer wegweisenden Entscheidung –dafür, die inzwischen in die Jahre gekommene Autobahn über dem verbetonierten Fluss, dem Cheonggyecheon, abzureißen, anstatt Millionen von Dollar in Sanierung und Ausbau dieses überlasteten und umweltschädlichen Autobahngiganten zu pumpen. In Folge gelang es, durch die Schaffung des Seoul Greenway, den Fluss, die Stadt und den lokalen Geist zu beleben. Der Fluss, jahrzehntelang unter der Autobahn „begraben“, wurde befreit, seine Ufer bepflanzt und er wurde zur Erholungsoase.

Das Herz der Stadt ist jetzt ein grüner Wasserpark, der gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht werden kann und den Bürgerinnen und Bürgern eine bessere Lebensqualität bietet. Wo einst Lärm, Feinstaub und Autoabgase die Luft verpesteten, genießen heute Menschen ihre Freizeit, flanieren über die Wege oder fahren mit dem Rad in dem 10,9 Kilometer langen Naherholungsgebiet.

Der von Skeptikern des Abrisses erwartete Verkehrskollaps ist ausgeblieben. Im Gegenteil, durch den Ausbau der öffentlichen Nahverkehrsmittel - von Bussen, U-Bahn-Netz und einem zirkulierenden Schnellbussystem - fließt dieser heute sogar besser als einst. Der Erfolg ist spürbar: Vier Jahre nach Beendigung aller Baumaßnahmen am Cheonggyecheon ging der Autoverkehr um 21% zurück.
Auch finanziell brachte die Revitalisierung des Flusses der Stadt Vorteile, denn schlussendlich war sie kostengünstiger als eine Sanierung der Autobahn, die Stadt ersparte sich auch die laufenden Erhaltungskosten - und - die Wirtschaft im Stadtviertel blühte auf. Dieser Paradigmenbruch, dieses verkehrspolitische Umdenken, machte Seoul zu einer visionären, umweltfreundlicheren, lebenswerten Metropole mit Sinn für Nachhaltigkeit.

Dieses Beispiel zeigt, das es auch anders geht, sofern der politische Wille vorhanden ist. So kann also die Zukunft des Verkehrs auch aussehen. Das würde für Linz bedeuten, nicht weiter auf Megastraßenprojekte, wie die geplante Bahnhofsautobahn und die Ostautobahn zu setzen, sondern auf den Spuren Seouls, visionär auf zukunftsfähige umwelt– und menschenfreundliche Mobilität zu setzen.

Eveline Steinbacher
(Februar 2021)

aus SOLiNZ - Solidarisches Linz


Quellen:

https://development.asia/case-study/revitalizing-city-reviving-stream;
https://favelissues.com/2016/06/06/walking-the-cheonggyecheon-stream-restoration-project-in-seoul/