ImageMit der Linzer Ostumfahrung ist eine weitere Schneise für den Transitverkehr von der Ostsee bis zur Adria geplant. Doch es rührt sich Widerstand. Das Werkstatt-Blatt führte dien Gespräch mit VertreterInnen der "BürgerInneninitiave keine Ostumfahrung" (BIKO).

Warum lehnt Ihr den Bau einer Ostumfahrung von Linz ab?

ImageKurz gesagt, weil der Bau einer Ostumfahrung einmal mehr eine Investition in die falsche Form von Mobilität darstellt: der motorisierte Individualverkehr wird weiter angeregt. Zudem werden natürliche Ressourcen nachhaltig vernichtet. Nebenbei belastet die Finanzierung von etwa (derzeit) 700 Mio Euro den Haushalt enorm. Diese Umfahrung würde nur eine geringe Entlastung für Pendler (dem eigentlichen Verkehrsproblem) bringen, sondern – auch offiziell - vor allem als Nord-Süd Transitverbindung gebaut werden. Zwar wird derzeit „nur“ der Trassenverlauf festgelegt, sollte dieser aber fixiert werden, sind Alternativen extrem unwahrscheinlich. Das alles geht zu Lasten unserer nachkommenden Generationen.

Und natürlich gibt es bei allen vorgeschlagenen Trassenvarianten Opfer: direkt betroffene Anrainer, die dadurch die notwendige Motivation gefunden haben, das Thema aufzugreifen.

Die Erfahrungen aus den ins Absurde gehenden gigantomanischen Flurumwälzungen beim aktuellen Bau der S10 zwischen Unterweitersdorf und Freistadt lassen da viele Menschen empört aufhorchen.

Das Ziel der BIKO ist allerdings nicht eine Trassenvariante vor einer anderen Haustür (Florianiprinzip) , sondern die Forderung einer Nullvariante!!!

Das Land OÖ muss die Entscheidung, eine Ostumfahrung zu planen, überdenken, besonders auch in Blick auf ethische, klima- und enkeltaugliche Verantwortung. Wenn man die Landtagsprotokolle ansieht, ist diese Entscheidung eher zufällig und willkürlich, zumindest ziemlich unreflektiert,  zustande gekommen.  Zudem ist sie von Verkehrskonzepten aus den 1940er Jahren abgeleitet. Was bedeuten würde, dass wenn diese Ostumfahrung neben der bestehenden A7  - mit einem angenommen gebauten Westring -  umgesetzt werden würde, 3 (drei!) Autobahnen durch die Stadt Linz führen würden.  Von den Problemen mit der Linzer Feinstaubbelastung wollen wir hier gar nicht anfangen zu sprechen.

Als Grundlage der Entscheidung gab es seitens der oö. Landesregierung  keine Überlegungen hinsichtlich einer alternativen  Bewältigung des Pendleraufkommens bzw. werden sie in diesem Planungsprozess ursächlich überhaupt nicht berücksichtigt. Ausgegangen wird (aus Ansätzen vor der Finanz- u. Wirtschaftskrise 2008) davon, dass es ein naturgegebenes stetiges Wachstum des motorisierten Individualverkehrs gibt und Experten (mit dementsprechenden Scheuklappen) kümmern sich um die fachliche Umsetzung. So gesehen sind diese von einem Mediatorenteam (?) begleiteten Regionskonferenzen zur Trassenfindung ja eine Farce, die nur zur Legitimierung der vorgegebenen Vorgangsweise dienen.

Zu diesen Regionskonferenzen sind beispielsweise die Medien nicht zugelassen und somit werden die vielen massiv kritischen Stimmen seitens der geladenen Bürgermeister und Gemeindevertreter nicht publik,  so beispielsweise bei der 8. Regionskonferenz in Engerwitzdorf. Am jeweiligen Folgetag hält der zuständige Baulandesrat und LH-Stv. eine Pressekonferenz und gibt singular “seine” Darstellung gegenüber den Medienvertretern kund.

Eine ausführliche Stellungnahme zur Ostumfahrung gegenüber dem Land OÖ ist unter folgendem Link zu finden:

www.biko-info.at/wpforbiko/wp-content/uploads/2014/04/Stellungnahme_BIKO_140404_sign.pdf

Welche Aktivitäten plant Ihr in diesem Zusammenhang (bzw. habt ihr schon gemacht)? Wie kann man Eure Initiative unterstützen?

Die bisherigen Erfolge der BIKO sind für uns sehr erfreulich:

Durch vielfältige Aktionen wurden nicht nur die Bewohner der Orte Luftenberg und St. Georgen/Gusen, sondern auch politische Entscheidungsträger für die dramatischen Konsequenzen einer Ostumfahrung sensibilisiert. Bisher war nur wenigen bewusst, wie drastisch der Eingriff in die Lebensqualität wäre, sollte es zu einem Bau dieser Umfahrung kommen.

Mit insgesamt drei (Protest)Wanderungen entlang der geplanten  Trasse konnte die BIKO fast 1.000 Anrainer – im wahrsten Sinn des Wortes – bewegen. Nicht zuletzt aufgrund dieser Informationsveranstaltungen konnten in den Gemeinden (Luftenberg und St. Georgen) 3.067 Unterschriften gegen den Bau gesammelt werden. Das sind etwa 50% der Wahlberechtigten in den beiden Gemeinden St.Georgen/Gusen und Luftenberg oder etwa 2/3 der abgegebenen Stimmen der Nationalratswahl 2013.

Der mit Abstand größte Erfolg ist, dass nachdem die Kritik von Bürgerinitiativen und möglicherweise betroffenen Gemeinden immer lauter geworden war, auch die Landespolitik reagierte. Die ursprünglich angekündigte Entscheidung für  Mai 2014 verzögert sich und im Herbst wird nun ein “Politischer Runder Tisch” stattfinden, bei dem auch die Bürgerinitiativen mit einbezogen sind. Erst anschließend soll eine Entscheidung getroffen werden. Auch aufgrund der Unterstützung der “mittlerweile aufgetauten” Bürgermeister der betroffenen Gemeinden hegt die BIKO  - gemeinsam mit den vielen anderen Bürgerinitiativen zwischen Engerwitzdorf, Steyregg und Ebelsberg -   große Hoffnung durch diesen errungenen Politischen Tisch die Grundsatzentscheidung zu beeinflussen.

Folgende Aktivitäten sind seitens der BIKO bereits in Vorbereitung:

Vorführung Kinofilm „Home“ am 28.7.2014 im Programmkino Katsdorf, Start: 20:00 Uhr Vernetzung mit andern BürgerinitiativenSammlung der Regressschreiben, um den Wertverlust von Immobilien in der nahen Umgebung der Ostumfahrung beim Land OÖ kollektiv geltend machen zu können weitere Bewusstseinsbildung und diverse Veranstaltungen (wie Protestfest)
Laufende Informationen über Newsletter, Facebook, Website
Teilnahme an den weiteren Regionskonferenzen und am Runden Tisch des Landes OÖ im Herbst
Motivierung der Jugend (z. b. ROCK  gegen Ostumfahrung)

Eine ausführliche Darstellung unserer schon durchgeführten Aktivitäten ist hier zu finden:

http://www.biko-info.at/wpforbiko/wp-content/uploads/2014/04/3_Monate_BIKO.pdf

Welche Alternativen seht Ihr zum Bau neuer Autobahnen und Transitrouten?

Wir haben ohne Zweifel ein sehr komplexes Verkehrsproblem zu lösen was unter anderem die Entlastung von Linz und den Umlandgemeinden bringen soll. Der Erste Schritt zur Lösung eines solchen sehr vielfältigen Problems wäre eine genaue Problemanalyse und auf Basis dieser Daten die Erarbeitung eines Gesamtverkehrskonzeptes. Ein solches Gesamtkonzept könnte beinhalten: Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel (Summerauerbahn, Regiotram, S-Bahnen, Busse), Installation von Park & Ride, gezielte Förderung von einspurigen Kraft (Fahr) Zeugen, zielgerichtete Stadtentwicklung, Betriebsansiedlungskonzepte und vieles andere mehr.  Am Ende des Tages wird auch die eine oder andere Straße erforderlich sein, aber die EINE Ostumfahrung kann nicht die Lösung für ein derart komplexes Problem sein. Im Vordergrund muss aus Sicht der Mühlviertler Regionen der Ausbau und die Flexibilität der öffentlichen Verkehrsmittel mit Park- und Rideplätzen im suburbanen Bereich sein, wie Summerauerbahn, Mühlkreisbahn,  Donauuferbahn. Damit bringt man die zehntausenden PendlerInnen zum Umsteigen. Diese Bahnen erleben derzeit ihren verkehrspolitischen und finanziellen Niedergang. Die parteipolitische Aufsplittung der Agenden Straßenbau und Öffentlicher Verkehr bei der Landesregierung OÖ schreit hier förmlich nach einer Abänderung. Oft ist es ja so, dass man z.B. aus Richtung St.Georgen/Gusen mit öffentlichen Verkehrsmitteln relativ leicht nach Linz kommt, am Hauptbahnhof Linz aber praktisch strandet und beispielsweise eine weitere halbe Stunde bis zur 2 km entfernten Industriezeile benötigt. Nur wenn man unmittelbar ins Linzer Zentrum muss, ist die Linzer Struktur der öffentlichen Verkehrsmittel halbwegs erträglich. Man merkt ganz klar, dass in diesen Bereich seit Jahrzehnten nur Minderinvestitionen getätigt wurden. Wenn man für die gleiche Strecke mit dem Auto nur ein Drittel der Zeit braucht, dann ist klar in welche Richtung der Lenkungseffekt geht.

Es geht uns darum, der durch die Verkehrsentwicklung der letzten Jahrzehnte entstandenen Verwüstung der Um- und Lebenswelt in Linz und Umgebung entgegenzusteuern. Die Wiederaneignung der unmittelbaren Wohnumgebung durch die Einwohner muss Vorrang haben. International gibt es bereits in vielen Städten Konzepte zur Verringerung des motorisierten Individualverkehrs und zur Förderung alternativer Mobilität. Selbst in „Autostädten“ wie Los Angeles gibt es mit  „Recode L.A.“ kaum zu glaubende Verkehrskonzepte zur Bevorzugung und Förderung der Fußgänger und Radfahrer. Wien hat gerade das ehrgeizige Ziel proklamiert bis 2030 den städtischen Autoverkehr um die Hälfte zu reduzieren. Möglich ist die Umsetzung dieser Ziele, es stehen dem allerdings auch viele beharrende Interessen entgegen, dieser Tatsache muss man sich bewusst bleiben und sich mit möglichst vielen Gleichgesinnten zu einer breiten Bewegung solidarisieren.Die negativen Hintergründe und Auswirkungen rund um das alle Lebensbereiche dominierende neoliberale Wirtschafts- und Finanzsystem können in der Kürze gar nicht ausgeführt werden. Allerdings ist die Notwendigkeit der vielen LKW-Fahrten (bis zu 50% Leerfahrten!) im Hinblick auf einen verantwortlichen Umgang mit unserem Planeten Erde  jedenfalls zu hinterfragen. Wir wissen, dass die zum Teil unter Sklavenarbeit in Asien produzierten Produkte (großteils Wegwerfprodukte) mit den Öldampfern zu den  Adriahäfen geschifft werden um dann mit den 50-Tonner-LKW`s über ganz Europa “gnadenlos und menschenverachtend” distribuiert werden.

Die BIKO bekennt sich zur Europäischen Union im Sinne einer Werte- und Friedensgemeinschaft. Was die derzeit einseitig materialistische Denkweise und Positionierung innerhalb der gesamten Weltbevölkerung  betrifft, sehen wir noch einen langen und wohl schmerzenden  Reformprozess vor uns, bei welchem wir uns allerdings in der Frage der Mobilität mutig einbringen wollen.  


ImageÜberparteiliche Bürgerinitiative Keine Ostumfahrung - BIKO:

www.biko-info.at
www.facebook.com/biko.burgerinitiativekeineostumfahrung

 


 

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