freyDer Vortrag des Verkehrsexperten DI Dr. Harald Frey 5. April bestätigt: Mit der Westring-Autobahn und dem Verbannen der 2. Straßenbahnachse unter die Erde agiert die Verkehrspolitik in Linz und OÖ wie jemand, der jedes Problem für einen Nagel hält, weil er nur einen Hammer kennt. Städtische Mobilität der Zukunft muss anders aussehen.

 

Auf Einladung der „Initiative Verkehrswende jetzt!“ präsentierte DI Dr. Harald Frey (TU Wien) am 5. April im gut besuchten Architekturforum OÖ wissenschaftliche Überlegungen für eine zukunftstaugliche Verkehrspolitik und Stadtplanung. Motto: „stadt / mobilität / lifestyle“. Grundtenor: Die autofixierte Stadt muss abgelöst werden durch eine menschen- und umweltgerechte Stadt, in der sich Menschen wieder in entspannter Atmosphäre begegnen und soziale Kontakte knüpfen können, die nicht durch Lärm und Abgase immer unwirtlicher wird, in der Kinder und Jugendliche Freiraum zum Spielen finden statt im wahrsten Sinn des Wortes in „Käfigen“ weggesperrt zu werden.

„Verkehr entsteht dort, wo etwas verkehrt steht“
Die Wege dorthin sind vielfältig: Der Ausbau eines attraktiven Öffentlichen Verkehrs und der sanften Mobilität muss kombiniert werden mit der Einschränkungen des Motorisierten Individualverkehrs, z.B. Schaffung von Wohnvierteln, in denen Autos keinen oder nur mehr eingeschränkten Platz haben, in denen es wirkliche Wahlfreiheit bei der Mobilität gibt, indem der Weg zum Parkplatz mindestens so lange ist, wie der Weg zur nächsten Öffi-Haltestelle; Einhebung von kommunalen Verkehrserregerabgaben bei Einkaufszentren, Förderung von Carsharing in Wohnvierteln anstelle der derzeitigen Parkplatzbaupflicht, uvm. Frey hob die besondere Bedeutung von Stadtplanung und Raumordnung hervor: „Verkehr entsteht dort, wo etwas verkehrt steht.“ Deshalb gelte es vielfältige Siedlungsstrukturen mit dezentralen Arbeits-, Einkaufs- und Erholungsmöglichkeiten zu schaffen statt zentralistische Monokulturen und Zersiedelung zu fördern.

Bogota Stadt zivilisiert ist

Gegen verfehlte Verkehrspolitik…
Frey betonte auch, dass in kaum einem anderen Politikbereich eine derartige Kluft zwischen wissenschaftlicher Erkenntnis und politischer Praxis existiere wie im Verkehrsbereich. Die an den Vortrag anschließende Debatte zeigte, dass die Linzer Verkehrspolitik ein Paradebeispiel für diese Kluft ist. Die politisch Verantwortlichen, die nach wie vor den Bau der sündteuren Westringautobahn mitten durch Linz forcieren, verglich Frey mit jemandem, für den jedes Problem ein Nagel ist, weil er nur einen Hammer kennt. Frey: „Wo Staus entstehen, wird eine neue Straße reingehämmert.“ Tatsächlich löst der Bau neuer Autobahnen kein Problem, sondern kurbelt erst recht den Autoverkehr mit all seinen ökologischen und sozialen Problemen an. Ein anderes Beispiel für die verfehlte Verkehrspolitik in Linz: Statt eine zweite Straßenbahnachse oberirdisch zu bauen und damit die Straßenbahn für die Fahrgäste attraktiver zu machen und die Gruberstraße für die BewohnerInnen als Lebensraum zurückzugewinnen, soll die Straßenbahn unter die Erde verbannt werden, um nur ja nicht dem Autoverkehr einen Quadratmeter streitig zu machen. 400 Millionen an Mehrausgaben (Investitionen inkl. Betriebskosten auf 25 Jahre) ist der Stadtpolitik dieser Schildbürgerstreich wert, gegen den die „Initiative Verkehrswende jetzt!“ eine Petition gestartet hat.

… braucht es unser Engagement!
Dieser Vortrag zeigte einmal mehr: Es gibt vielfältige Alternativen, aber eine umwelt- und menschenfreundliche Verkehrspolitik kommt nicht von alleine. Es braucht noch viel mehr politischen Druck, es braucht unser Engagement, um diese Alternativen gegen eine Politik durchzusetzen, die immer noch viel zu oft nur den Griff zum Hammer kennt. Wohin wir wollen, versinnbildlichte Frey mit einem Ausspruch des eh. Bürgermeister von Bogota Enrique Peñalosa: „Ob eine Stadt zivilisiert ist, hängt nicht von der Zahl ihrer Schnellstraßen ab, sondern davon, ob ein Kind auf dem Dreirad überall hinkommt.“

Gerald Oberansmayr
(April 2017)


 Hier einige Fotos vom Vortrag