ImageRudi Schober, Solidarwerkstattaktivist und Gemeindrat in Ottensheim, hat nachgerechnet, wie hoch der Preis bei verschiedenen Verkehrsprojekten in Oberösterreich ist – und zwar bezogen auf den Preis je Laufmeter. Sein Befund ist verblüffend.

Wir haben leider keinen Preis zur Auszeichnung oder Prämierung der gelebten (ober)österreichischen Mobilität zu vergeben und wenn wir einen solchen auch hätten, so bestünde dieser aus berechtigtem Anlass in einer Grünen Zitrone mit unendlich saurem Geschmack.

Anhand des Vergleichs von konkreten Verkehrsprojekten soll aufgezeigt werden: Hauptziel der Verkehrspolitik ist nicht die sorgsame Verwendung von Steuergeldern, um ein umweltfreundliche Moblität für alle, also auch abseits der Hauptstrecken, sicherzustellen. Hauptziel sind auto- bzw. transitverkehrfreundliche Megaprojekte auf den EU-geförderten TEN-Strecken (Trans-Europäische-Netze), die in erster Linie den Beifall der Bau- und Finanzindustrie finden. Hier ein Vergleich der Kosten von vier ausgewählten Projekten:

ImageUnser Anlassfall, die Mühlkreisbahn verkehrt seit über 125 Jahren auf 57,8 Kilometer als Volleisenbahn (1435 mm Spurweite) zwischen Linz-Urfahr und Aigen-Schlägl. Extreme Naturereignisse beschädigten im Jahr 2002 einen Teil ihrer Infrastruktur. Durch vorsätzlichen Investitionsrückhalt bei Sanierung und Instandhaltung seitens Politik und ÖBB, verlängert sich die gesamte Fahrzeit von ehemals  75 Minuten auf Nerv tötende 105 Minuten. Eine schon mehrmals eingeforderte und von der Oberösterreichischen Politik vor den Landtagswahlen 2009 versprochene Vollsanierung der Mühlkreisbahn inkl. angedachter Elektrifizierung kostet laut öffentlichen Aussagen 40,7  Millionen Euro (1) und würde nur kurzzeitige Betriebsunterbrechungen auf Teilstrecken erfordern.

Somit ergab sich 2009 ein Sanierungspreis der Volleisenbahn Mühlkreisbahn pro Laufmeter (lfm) der Gesamtstrecke von Euro 704,15  für die Steuerzahler/Innen. Für deutlich erhöhten Fahr- und Zeitkomfort der Pendler/Innen.

Im Herbst 2013 stellte der neue OÖ-Verkehrslandesrat eine neue Variante für diese Strecke vor: anstatt der Sanierung der Mühlkreiseisenbahn eine Regiotram. Die neue Gleislänge (900 mm Spurweite) reduziert sich fast auf die Hälfte, von 48,7 Km auf 28,8 Km durch eine neue Endhaltestelle in Kleinzell. Der Preis dagegen schnellt um fast das Vierfache in die Höhe, auf kolportierte 160 Mill. Euro. Halbierte Streckenlänge der Mühlkreisbahn bedeutet: Viele PendlerInnen werden vom schienengebundenen öffentlichen Personennahverkehr geradewegs abgehängt. Was dies in der täglichen Pendlerrealität bedeutet, kann in den häufigen Staunachrichten für die Rohrbacher Bundestraße angehört werden und wird mehrheitlich von den Pendler/Innen abgelehnt.

Somit ergibt sich ein erneuter Rückbaupreis von der Volleisenbahn Mühlkreisbahn auf eine dramatisch verkürzte Straßenbahn ähnlichen Regiotram der LINZ AG pro Laufmeter von Euro 5.555,55 für alle Steuerzahler/Innen.

Darin sind die während der bis zu 18 Monate dauernden Rückbauzeit nicht zu benützenden Schienenverkehrsmittel, die Verlagerung der Pendler/Innen auf die Straße und die dabei auflaufenden Kosten, nicht berücksichtigt.

Der freie Warenverkehr hat im EU-Binnenmarkt bekanntlich oberste Priorität. Deshalb fördert die EU im Rahmen der TEN-Projekte die kontinentalen Transitrouten. Ein Nadelöhr für die TEN-Strecke zwischen Ostsee und Adria stellt der Ballungsraum Linz dar. Mithilfe des autobahnähnlichen Westring soll dieses Nadelöhr um kolportierte 645 Mill. Euro beseitigt werden. Der Wiederstand gegen dieses Projekt in der regionalen Bevölkerung ist enorm, wird der 8,5 Km lange Westring doch wie eine Schneise durch gewachsenes Stadtgebiet, teilweise in teurer Tunnelform durch Linz geführt.    

Es ergibt sich derzeit ein Baupreis des Linzer Westring als Lückenschluss der Transeuropäischen Netze pro Laufmeter (lfm) von Euro 75.882.35,-  für die österreichischen Steuerzahler/Innen.

Aufgrund des jahrzehntelanger Versäumnisse in der Strukturpolitik müssen immer mehr Menschen aus dem ländlichen Raum zu ihren Arbeitsplätzen pendeln. Oberstes Ziel der Politik ist nach wie vor, die automotive Verbindung vom Wohnort zum Arbeitsplatz in den Ballungszentren zu ermöglichen. Eine ebensolche Pendlerstrecke, in Wirklichkeit jedoch weiteres Lückenschlussprojekt für die TEN, stellt die derzeit in Umsetzung befindliche Schnellstraße 10 von Engerwitzdorf in Richtung Freistadt dar, welche auf einer Schneise von 22 Kilometer eine derzeit veranschlagte Bausummen von 718 Mill. Euro verschlingen soll.

Damit ergibt sich ein vorläufiger Baupreis der S10 Mühlkreisautobahn als Lückenschluss der TEN pro Laufmeter von Euro 32.636,36 für die österreichischen Steuerzahler/Innen.

ImageOÖ Mobilitätspreis 1:8:46:108

Kommen wir an den Ausgang zurück: Die Regiotram-Variante auf der Mühlkreisbahn kostet je Laufmeter rd. das 8-fache der Sanierung der Mühlkreiseisenbahn, ein Laufmeter der S10 das 46-fache, ein Laufmeter des Westrings gar das 108-fache (sh. Grafik 1).

Verkehrserhebung OÖ: Autoverkehr plus 44%, Öffis minus 15%.

Mit dieser Verkehrspolitik werden die Fehlentwicklungen in der Verkehrspolitik der letzten Jahrzehnte schnurstracks fortgesetzt. Eine im Auftrag vom Land OÖ durchgeführte Verkehrserhebung zeigt, wie stark sich in den letzten beiden Jahrzehnten der Verkehr von der Schiene auf die Straße verlagert hat. (siehe o.a. Tabelle). Die Anzahl der Wegstrecken, die in den letzten 20 Jahren mit dem Motorisierten Individualverkehr (MIV) zurückgelegt wurden, hat um 44% zugenommen, die mit dem Öffentlichen Verkehrs zurückgelegten Wegstrecken sind dagegen um 15% gesunken. Damit haben sich auch die relativen Anteile (modal split) deutlich zugunsten des Autoverkehrs verschoben. Der Anteil des MIV an allen Wegstrecken kletterte 1992 – 2012 um 12,6% auf 67,6%. Der Anteil der Öffis sank in diesem Zeitraum um 4% auf mittlerweile nur mehr 10,2%. Auch die anderen Formen der sanften Mobilität (Fuß, Rad) haben deutlich abgenommen.

Vergleicht man den Zeitraum 2001 – 2012, so sieht man, dass sich diese Entwicklung auch im letzten Jahrzehnt ungebremst fortgesetzt hat. (siehe Grafik 2)

Das überlappt sich übrigens ziemlich stark mit der Zeit der Regierungsbeteiligung der Grünen im Rahmen einer schwarz-grünen Koalition in Oberösterreich. Mehr Autos, weniger Öffis, Radfahren und Fußgehen - ist das die berühmte „grüne Handschrift“, von der LR Anschober so gerne schwärmt?
(März 2014)

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