ImageUm 700 Millionen Euro soll eine Transitautobahn mitten durch Linz errichtet werden, der sog. "Westring" (A 26). Damit soll eine "Lücke" im Transitnetz zwischen Ostseeraum und Adria geschlossen werden, wie es von mächtigen Lobbygruppen großer EU-Konzerne gefordert wird. Schon jetzt versinkt Linz im Autoverkehr. Der Verkehrsplaner des Landes OÖ rechnet mit einer Verachtfachung des LKW-Verkehrs, der über über das Mühlviertel nach Linz kommt. Noch können wir Widerstand gegen diese Transitautobahn leisten.

Beiträge:
1. Transitachse Berlin – Prag – Linz - Triest
2. Argumente gegen die Westring-Transitautobahn durch Linz
3. Der Widerstand geht weiter



1. Transitachse Berlin – Prag – Linz - Triest

 

Der sog. „European Round Table of Industrialists“ (ERT) gehört zu den mächtigsten EU-Lobbygruppen. Der ERT besteht aus den Chefs der 48 größten europäischen Industriekonzernen. Peter Sutherland, selbst Teilnehmer des ERT und zuvor EU-Wettbewerbskommissar, streicht den Einfluss dieses Konzernzirkels auch in der Öffentlichkeit ungeschminkt heraus: „Ich denke, dass sich die Bedeutung des ERT … daraus ergibt, dass seine Mitglieder aufgrund ihrer Positionen in den Konzernen einen ungehinderten Zugang zu den Regierungschefs haben. Tatsache ist, dass der ERT nur den größten Konzernen in jedem Land der Europäischen Union erlaubt, Mitglied zu werden. So hat schon per definitionem jedes Mitglied Zugang zu den höchsten Regierungsebenen“ (1)

 

"Missing Links." Der ERT rühmt sich nicht nur als Autor des EU-Binnenmarktprojekts und der Währungsunion. Er hat auch im Jahr 1984 den Regierungschefs das sog. „Missing Links“-Projekt vorgegeben, das massive Verkehrsinvestitionen vorrangig in den Autobahnausbau forderte, die „Lücken“ in Europas Verkehrsnetz zu schließen, um es zu einem perfekten Fließband zwischen den Konzernfilialen zu verwandeln. Die Automobil-, Reifenherstellungs- und Ölverarbeitungsindustrie nimmt nicht zufällig eine dominierende Stellung im ERT ein. Zu den Mitgliedern zähl(t)en u.a. die Chefs von Repsol, TotalFinaElf, Daimler Benz, Fiat, Air Liquide, Royal Dutch Shell, Norsk Hydro, OMV, Renault, BP Amoco, Pirelli, Volvo, MOL, Statoil, VW, Eni. 2003 klopfte sich der ERT selbst auf die Schultern, dass das von ihm in Auftrag gegebene „Missing Links“-Programm von weitgehend abgearbeitet worden war. Die Folgen: Allein zwischen 1990 bis 2002 verlängerte sich das Autobahnnetz auf dem Gebiet der EU-15 von 39.000 auf 53.000 Kilometer, während die Schienenwege von 162.000 auf 152.000 Kilometer schrumpften.


"Umweltpolitische Vorbehalte revidieren". Zu diesen „Missing Links“-Projekte zählt auch die A9-Phyrnautobahn, die dem Transit eine Schneise vom Linzer Zentralraum Richtung Süden durch die Alpen zur Adria schlägt. Doch der Hunger nach neuen Transitschneisen geht weiter. Linz liegt genau liegt im Verlauf der Transitverkehrsachse Berlin – Prag – Triest. Nach dem Bau der A9 soll nun die Strecke Berlin – Prag – Linz dem ungehemmten LKW-Verkehr freibetoniert werden. Die Union der Europäischen Industrie und Handelskammer (UEIH) listet die „Achse Berlin-Prag-Linz“ als eine der „Lücken und Engpässe im Europäischen Verkehrsnetz“ auf, die rasch geschlossen werden müssen. Die UEIH liest Umweltschützern und transitgeplagten Anrainern die Leviten: „Umweltpolitische Vorbehalte gegen den Straßenbau gilt es …  zu revidieren. Gesamtgesellschaftlich betrachtet sind die Investitionen in die Beseitigung von Engpässen und das Schließen von Lücken beim Verkehrsträger Straße viel effektiver … als bei anderen Verkehrsträger. Die Mitgliedstaaten der EU aber auch EU-Kommission und EU-Parlament sollten daher beim Ausbau des Straßennetzes diesen Aspekt angemessen berücksichtigen.“ (2) Was diese auch prompt tun. Die österreichische Politik treibt den „Lückenschluss“ der Achse Berlin-Prag-Linz wird mit Hochdruck voran: die Mühlviertler Schnellstraße S10 und die A26-Westring Transitautobahn durch Linz. Die S10- verlängert die Linzer A7-Stadtautobahn vierspurig und kreuzungsfrei durchs Mühlviertel bis zur tschechischen Grenze, um „die notwendige Anbindung des Oberösterreichischen Zentralraumes, an den süd­böhmischen sowie den Ostseeraum an die Donau (zu) bringen.“ (BM für Verkehr, Infrastruktur und Transport). Bis 2015 soll die S10 fertig gestellt werden und dann nahtlos an die Autobahn nach Prag (D3) anschließen. Kosten laut ASFINAG: 934 Millionen Euro.  

Verachtfachung des LKW-Verkehrs. Franz Bauer, Sprecher des Verkehrsforums Oberösterreich, warnt, dass die S10 und D3 bis zu 18.700 Kfz zusätzlich nach Linz schaufeln werden (Linzer Rundschau, 25.06.2008).  Linz droht damit zum „Flaschenhals“ im Transitnetz zwischen Ostseeraum und Adria zu werden. Mit dem A26-Westring soll die LKW-Armada zusätzlich zur überlasteten A7 eine zweite Transitautobahn durch Linz erhalten. Kosten: 700 Millionen Euro. Geld spielt hier keine Rolle. Österreichweit wird der LKW-Verkehr mit 3,8 Milliarden Euro netto aus Steuermitteln subventioniert. Der Verkehrsplaner des Landes OÖ Leonhard Höfler rechnet den Anrainern vor, worauf sie sich einzustellen haben, wenn diese Transitstrecken im „Vollbetrieb“ laufen: „Auf der A9-Pyhrnautobahn wird sich der Lkw-Verkehr bis 2030 im Vergleich zu 2000 vervierfachen, auf der Strecke Richtung tschechischer Grenze (B310 bzw. S10 nach Fertigstellung) werden laut Prognose achtmal so viele Lkw fahren wie im Jahr 2000.“ (OÖN, 15.03.07). Schon jetzt brausen LKW´s jedes Jahr mehr als eine Milliarde Kilometer quer durch Oberösterreich, das im Fadenkreuz sowohl des Nord-Süd als auch des Ost-West-Transitverkehrs liegt. Das ist kein Naturgesetz, sondern Ergebnis einer vor Konzernen und EU vollständig in die Knie gehenden Verkehrspolitik. An Feiertagen wird über Klimaschutz fabuliert, während der Woche werden Autobahnen gebaut. 

Mit dem Widerstand gegen die Westring-Transitautobahn in Linz können wir diesem Irrsinn an einem besonders neuralgischen Punkt entgegentreten.


(aus: guernica 4/2008)

  

Anmerkungen:

(1) in: Bastiaan von Apeldoorn, Transnationale Klassen und europäisches Regieren (2000); zit. nach Winfried Wolf, Strukturen der Verkehrsindustrie – Wirtschaftsinteressen und Verkehrspolitik, in: Handbuch Verkehrspolitik, Wiesbaden 2007
(2) Union der Europäischen Industrie- und Handelskammer, Lücken und Engpässe im Europäischen Verkehrsnetz, Basel 21.03.2002

 

2. Argumente gegen die Westring-Transitautobahn

Ausgehend von der „Westbrücke“, dort, wo die Stadtautobahn die Westbahn überbrückt, soll eine völlig neue Autobahn gebaut werden. Also ein mindestens vierspuriges und kreuzungsfreies Asphalt-Beton-Band durch Linz. Dieses breite Bauwerk führt zuerst zum Bahnhofsknoten, dann im sogenannten „Südtunnel“ bis hin zur Donau westlich vom Stadtzentrum. Hier ist die sogenannte „4. Donaubrücke“ geplant. Sieben Spuren und acht Tunnelportale soll dieses überbreite Brücken- Projekt umfassen. Nach der Brücke schließt der „Nordtunnel“ unter dem Pöstlingberg an. Die Autobahn verlässt diesen schließlich bei Harbach und führt als offene Trasse durch das Wasserschutzgebiet Heilham bis zur Mühlkreisautobahn (A7). Die gesamte zusätzliche Autobahn liegt auf Linzer Stadtgebiet. 

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Bürgerinitiativen warnen vor den Folgen dieses Megaprojekts:

Horrende Kosten: Schon in der Projektsphase haben sich die Kosten versiebenfacht, von 100 Millionen Euro im Jahr 1999 bis jetzt zu geschätzten Kosten von rd. 700 Millionen Euro heute. Mit den Investitions-, Finanzierungs- und den Betriebskosten ist für dieses Megaprojekt in einem Zeitraum von 25 Jahren mit Kosten von mindestens 1.200 Millionen Euro zu rechnen. Um diesen Betrag könnte man über einen Zeitraum von 25 Jahren jährlich 120.000 Personen, d.h. mehr als 75% der derzeitigen Pendler nach Linz die Jahreskarten für die Benützung der Öffentlichen Verkehrsmittel schenken. Hier wird das Geld vergeudet, das so dringend für den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs benötigt würde, um zu verhindern, dass Linz in Abgasen und Stau erstickt. Zum Vergleich: Auf der Breite eines Fahrstreifens können mit Autos 2.000, mit Bussen 9.000 und bei der Straßenbahn 22.000 Personen pro Stunde durchgeschleust werden.

Energieverschleuderung: Alleine die Errichtung dieser Transitautobahn verschlingt jene Energiemenge, die dem jährlichen Gesamtenergieverbrauch des Linzer Verkehrs entspricht. Der Energieaufwand der motorisierten Pendlerwege auf der B 127 steigt mit dem Westring um 25% an. Für die rd. 12.000 m Tunnelröhren des Westrings ist mit einem jährlichen Strombedarf für Lüftungen und Beleuchtung von rd. 4 Millionen KWh zu rechnen. Das entspricht dem Strombedarf eines Ortes mit rd. 3.000 Einwohnern.

Mehr Autoverkehr: Die Westring-Befürwortern behaupten, dass der Westring zu einer Entlastung der Innenstadt-Bewohner führen wird. Doch Studien zeigen, dass der Entlastungen in einzelnen Bereichen eine gewaltige Zunahme in anderen gegenüber stehen. Die vom Linzer Gemeinderats beim Zivilingenieur-Büro Schimetta Consult im Auftrag gegenüber Studie kommt zum Ergebnis, dass Verkehrsverringerungen im Bereich der Waldeggstraße Nord (31% Richtung Stockhofstraße und 35% Richtung Bahnhofstraße) mit dem Anstieg in anderen Stadtgebieten einhergehen: z.B.: Blumauerstraße plus 131%, Kärtnerstraße plus 86%, Gruberstraße plus 17%. Es ist eine Farce, um hunderte Millionen ein Projekt umsetzen zu wollen, das Straßen mit 25.000 KFZ pro Tag teilweise entlastet, aber neue innerstädtische Achsen mit bis zu 40.000 KFZ pro Tag schafft. Denn in Summe wird der Westring noch mehr Autos in die Stadt bringen. Das muss auch eine von der ASFINAG bei arealConsult (Wien) in Auftrag gegebenen Studie zugeben: Laut ASFINAG fahren heute rund 47.000 Autos pro Tag über die Nibelungenbrücke. Ohne Westring wären es im Jahr 2025 rund 71.500. Mit dem Bau der 4. Donaubrücke samt Südtunnel würden dann, so die Prognosen, insgesamt 85.000 Autos die Donau in diesem Bereich queren.

Mehr Belastung von Umwelt und Gesundheit: Schon jetzt werden ist Linz ein Luftsanierungsgebiet, weil die Grenzwerte für krebserregenden Feinstaub und Stickoxyde zu oft überschritten werden. Laut jetzigem Stand der Planung ist geplant, die Abgase von 30.000 täglichen Fahrzeugen gebündelt jeweils an den Enden der Tunnelröhren herauszublasen, also in die Frischluftschneise des Donautals bzw. im dicht besiedelten und stark frequentierten Bahnhofsbereich. Ohne Filter, „weil laut ASFINAG die Betriebskosten dafür zu teuer (wären)" OÖN, 10.06.08). Das ist ein direkter Angriff auf die Gesundheit der Menschen. Schon jetzt hat eine Studie des Umweltbundesamtes ergeben, dass in Linz auf Grund der hohen Feinstaubbelastung die Lebenserwartung um 14 Monate unter dem österreichischen Durchschnitt liegt. Die  4. Donaubrücke wird zur Lärmschleuder für die Wohngebiete unterhalb der 4. Donaubrücke werden. Die Trasse zerstört den einzigartigen Donaudurchbruch Linzer Pforte, quert das Naturschutzgebiet "Urfahrwänd" und gefährdet das Trinkwasserreservoir im Wasserschutzgebiet Heilham.

Weniger Arbeitsplätze: Der Ausbau der Öffentlichen Verkehrs ist nicht nur ökologischer, er ist auch arbeitsintensiver. Ein WIFO-Studie belegt, dass beim  Öffi-Ausbau mit demselben Geld um bis zu 60% mehr Arbeitsplätze geschaffen werden. Bei den 700 Millionen, die der Westring kosten soll, wären das 5.000 Arbeitsplätze mehr!

 

3. Der Widerstand geht weiter

„Die Sache ist noch nicht gelaufen!“ 

Rupert Frechinger, Arzt und Puchenauer Gemeindebürger, ist bereits seit Jahren in einer Bürgerinitiative gegen den Westring aktiv. Die Bürgerinitiative informiert laufend über die negativen Auswirkungen dieses Straßenprojekt und übt Druck auf die Politik aus, um von diesem Mega-Verkehrsprojekt abzulassen. „Abgesehen von den Umweltbelastungen ist der Westring auch ein finanzielles Verbrechen“, ärgert sich Rupert Frechinger: „Wie kommen wir dazu, dass wir der EU eine Transitschneise durch das Donautal schlagen, während bei den Sozialsystemen immer mehr gespart wird“. Auch wenn sich ein Großteil der Politik und der Medien auf diesen Projekt versteifen, hält er den Kampf gegen den Westring noch lange nicht für verloren: „Die Sache ist noch nicht gelaufen. Wir werden so wie andere Bürgerinitiativen auch im Laufe des ab Jänner 2009 beginnenden UVP-Verfahrens Einspruch gegen dieses Projekt erheben. Aber auch jeder einzelne betroffene Bürger kann und sollte solche Einwendungen machen. Über unsere Web-Page www.westring.info kann man sich informieren, wer genau dazu berechtigt ist. Dort finden sich dann auch entsprechende Einwendungsformulare.“

Die Alternativen zu dieser sündteuren Transitautobahn liegen für den umweltbewussten Mediziner auf der Hand: „Wir brauchen einen massiven Ausbau des Öffentlichen Verkehrs, wie z.B. den Ausbau der City S-Bahn und der Summerauer Bahn, damit die Pendler eine attraktive Alternative zum Auto haben. Das ist das beste Mittel gegen Staus.“