Bürgerinitiativen üben scharfe Kritik am Lobautunnel. Als Alternative fordern sie den Ausbau des Öffentlichen Verkehrs. Ein Bericht von einer Podiumsdiskussion zu diesem Thema.

 

Bei einer Podiumsdiskussion im abgelegenen Essling (1220 Wien) am Abend des 8.März stand der geplante und genehmigte Bau des Lobau-Tunnels auf der Tagesordnung. Die geladenen Gäste, Jutta Matysek (BI Rettet die Lobau) Hermann Knoflacher (TU Wien, Verkehrsplanung und Verkehrstehnik), Wolfgang Rehm (VIRUS), Herbert Hahn (Lärmexperte) und Thomas Neyder (BI Lebenswertes Essling), informierten über verschiedene umweltspezifische und gesundheitliche Probleme, die durch den Bau entstehen können.

Die S1 soll eine schnelle Anbindung zwischen Süßenbrunn und Schwechat sein, deren bedeutender Bestandteil auch ein Tunnel unter dem Naturschutzgebiet der Lobau sein soll, der schon seit Beginn der Pläne von sämtlichen Stimmen aus dem Umweltschutzbereich kritisiert wird.

Für den Bau des Tunnels argumentieren die Asfinag, ÖVP, FPÖ und SPÖ mit Entlastung der Innenstadt und Schaffung von Arbeitsplätzen. Obwohl eine schnelle Umsetzung des Riesenprojekts sehr unrealistisch scheint, drängen besonders ÖVP und FPÖ auf einen schnellen Baubeginn. Möglicherweise, um weitere Kritik an dem Projekt zu vermeiden?

UmweltschützerInnen und Bürgerinitiativen, die das Bauprojekt bemängeln, wird vorgeworfen, den Bau hinauszuzögern und den erhofften Fortschritt zu verhindern.

Insbesondere lag bei der Diskussion das Augenmerk auf der Lebensqualität der Anrainer und auf den gesundheitlichen Auswirkungen, die der Bau zur Folge haben können.

Gesundheitsfördernde Alternativen

Univ. Prof. Dr. Knoflacher, der mit der Erstellung von Gutachten vertraut ist, verwies darauf, dass die bestmöglichen Lösungen für eine Entlastung zu Gunsten des Lobautunnelbaus nicht übernommen werden und dieser das System in die entgegengesetzte Richtung steuert lässt, als es angepriesen wird. Erwünscht ist eine Abnahme des Autoverkehrs, Ausbau von umweltfreundlichen Verkehrswegen und Maßnahmen, die für die Allgemeinheit gesundheitsfördernd und nicht schädigend sind. Ergebnis des Megaprojekts aber ist das Gegenteil.

Fragwürdig ist aber auch, ob der wirtschaftliche Standort, tatsächlich wie vorhergesagt durch das Projekt gefördert wird. Statt der Schaffung von Arbeitsplätzen wird es viel mehr zu einer Verlagerung aus der Innenstadt in abgelegenere Orte kommen. Hermann Knoflacher spricht in dem Zusammenhang von einem Abzug von Kaufkraft in Wien. Der versprochene wirtschaftliche Nutzen wird wohl ausbleiben.

Absenkungsgebiet

Detailliertes Hintergrundwissen über den Bauvorgang und das UVP-Verfahren brachte Wolfgang Rehm, Sprecher des Verein VIRUS, ein. Dazu zeigte er auch eine Grafik über das Gebiet, in dem der Tunnelbau stattfinden soll. Genau an diesem Ort befindet sich ein Absenkungsgebiet, das keine große Bausicherheit verspricht. Weiteres Absinken des Bodens kann nicht ausgeschlossen werden und unmittelbare Folgen für den Tunnel haben.

Beim UVP Verfahren sind noch die Themen Lärmbelastung und Wasserschutz ausständig, da die Asfinag diesbezüglich noch keine brauchbaren Ergebnisse liefern konnte. Beide Punkte werden schon lange von Umweltschutzorganisationen wie VIRUS und „Rettet die Lobau“ kritisiert.

Problembereiche Wasser und Lärm

Der Wasserhaushalt in der Lobau ist sowohl für den Erhalt der naturnahen Au wichtig, als auch für die Wasserversorgung der Anwohner von Bedeutung. Senkrechte, wasserundurchlässige Wände sollen für den Bau zum Einsatz kommen. Dass diese Vorgangsweise Einfluss auf den Wasserhaushalt und Grundwasser der Au haben wird, ist offenbar zu Gunsten des Bauvorhabens vernachlässigbar.

Auch zum Thema Lärmbelastung äußerte sich der geladene Lärmexperte Herbert Hahn kritisch. Es sei  nicht zu erwarten, dass allgemein eine Entlastung vom Straßenlärm stattfinden wird. Nahe der oberflächlich liegenden S1 werde die Lärmbelastung vielmehr zunehmen. Der erlaubte Lärmpegel wurde sogar angehoben. So geht man mit der Gesundheit der Menschen um.

Zunahme von Verkehr und Feinstaub

Neben der Umweltperspektive, gingen die Diskussionsteilnehmer insbesondere auf die Lebensqualität der Anwohner ein, der bei der Planung zu wenig Beachtung geschenkt wurde, laut Kritik von Thomas Neyder von der Bürgerinitiative „Lebenswertes Essling“. Der Bau der S1 ist mit einer Zunahme an Verkehr und Feinstaub verbunden. In den Außenbezirken leisten sich Anwohner eigene Gärten und möchten die vorhandenen Grünflächen nutzen, was zunehmend unattraktiver werde, wenn Lärm und Dreck sämtlichen Freizeitplänen einen Wehrmutstropfen hinzufügt.

Insgesamt waren sich Diskussionsteilnehmer einig, dass eine Entlastung nicht stattfinden wird. Der Bau von noch mehr Autobahnen, macht das Autofahren sehr viel attraktiver, auch wenn andere daraus keinen Vorteil ziehen, weder Natur noch Steuerzahler.

Öffis statt Lobau-Autobahn!

Für eine möglichst flotte Umsetzung eines Megaprojekts, dessen Nutzen mehr als anzweifelbar ist, werden Lebensqualität, Natur- und Umweltschutz, sowie womöglich auch der Status des Naturschutzgebietes Lobau in Mitleidenschaft gezogen.

Der Vorwurf von Asfinag, ÖVP und FPÖ, man wolle nur verzögern, ist nicht falsch. Kritische BürgerInnen wünschen sich, den Bau sogar möglichst ganz zu verhindern. Dass versucht wird, das Megaprojekt schnellst möglich gegen den Willen der BürgerInnen durchzudrücken, braucht auch kritisches Hinterfragen und Proteste als demokratischen Ausgleich.

Statt mehr Grünflächen in und um Wien zu schaffen, öffentliche Verkehrsmittel zu fördern und Rad- und Fußwege auszubauen, versickert das meiste Geld in Straßenbau. Der Betondschungel muss nicht mehr ausgeweitet werden! Will man verkehrspolitisch umweltfördernd handeln, sind genau diese Maßnahmen die einzig funktionierenden Alternativen.

Anna Geisler
(März 2018)

Am 3.April steht eine weitere Infoveranstaltung zum Thema Lobautunnel in Wien an. Alle Interessierten steht es frei, hinzukommen!

Veranstaltungsinformation:
Dienstag, 3. April, 18:30 – 20:00
VHS Alsergrund, Galileigasse 8, 1090 Wien
Mehr Details zur Veranstaltung sind hier zu finden:
https://www.facebook.com/events/1940670202670928/