Nachdem der Linzer Bürgermeister eine mobile Klimademonstration verboten hatte, fand am 25.9. nach der Fridays for Future-Kundgebung noch eine lautstarke Protestaktion gegen diese skandalöse Einschränkung unserer Grund- und Freiheitsrechte vor dem Landhaus statt. Mittlerweile haben die Behörden die Katze aus dem Sack gelassen: Nicht Corona war der Grund für das Demonstrationsverbot, sondern der Schutz des ungehinderten Autoverkehrs.

Für den weltweiten Klimastreiktag, dem 25.9.2020 hatte Fridays for Future eine Demonstration über die Nibelungenbrücke angemeldet. Diese wurde vom Linzer Bürgermeister Klaus Luger mit dem Verweis auf Corona drei Tag vor der geplanten Aktion verboten. Es durfte nur eine Stehkundgebung am Hauptplatz stattfinden. Um gegen diese unerhörte Einschränkung des Demonstrationsrechts zu protestieren, fanden sich kurzfristig eine Reihe von AktivistInnen aus verschiedenen Gruppen zusammen (Verkehrswende jetzt, Autofreier Hauptplatz, Radlobby, AUTOFREItag, Mehr Demokratie, Solidarwerkstatt), um im Anschluss an die Versammlung am Hauptplatz vor dem Linzer Landhaus eine Protestkundgebung zu organisieren. Motto: „Klimaschutz braucht Bewegung – Hände weg vom Demonstrationsrecht!“ Denn die Begründung mit Corona war zu offensichtlich an den Haaren herbeigezogen. Warum sollte das Virus im Gehen gefährlicher als im Stehen sein, noch dazu auf der Nibelungenbrücke, wo ständig ein starker Wind bläst? Sogar der Umweltmediziner und Corona-Berater der Regierung Hans-Peter Hutter hatte aufgerufen, an den Klimademonstrationen am 25. September teilzunehmen. Linz war die einzige Stadt in Österreich, wo mobile Demonstrationen verboten wurden, in neun anderen durften diese sehr wohl stattfinden.

Hände weg vom Demonstrationsrecht!

Deshalb zogen nach dem Ende der gut besuchten und stimmungsvollen Fridays for Future-Aktion am Hauptplatz über hundert Menschen in eine lautstarken Spontandemonstration durch die Klosterstraße zum Linzer Landhaus. Kundgebungsmoderator Gerald Oberansmayr (Solidarwerkstatt) stellt dort gleich an Anfang klar: „Wir nehmen die Coronapandemie und die Hygieneregeln sehr ernst, aber wir lassen uns nicht gefallen, dass unter dem Vorwand dieser Pandemie unsere Grund- und Freiheitsrechte außer Kraft gesetzt werden. Wir sagen: Hände weg vom Demonstrationsrecht! Denn offensichtlich ist nicht das Coronavirus, sondern das Autowahnvirus, mit dem die Politik in Stadt und Land heftig infiziert ist, dafür verantwortlich, dass uns heute das Demonstrationsrecht vorenthalten wird.“

Behörde lässt Katze aus dem Sack

Dass das nicht nur eine Vermutung ist, belegte Andreas Schütz, Aktivist bei Fridays for Future, sodann schwarz auf weiß: Er hatte nämlich noch nach dem Verbot der mobilen Demonstration über die Nibelungenbrücke eine 15-minütige (!) Stehkundgebung auf der Nibelungenbrücke angemeldet, welche ja nach Behördenaussagen kein Coronaproblem darstellt. Doch auch diese Stehkundgebung wurde untersagt. Andreas Schütz zitierte aus dem Untersagungsbescheid, der ihm gerade eben erst von der Polizei ausgehändigt worden war. Darin ist auf einmal von Corona mit keinem Wort mehr die Rede, vielmehr ließ nun die Behörde die Katze aus dem Sack: Verboten wurde diese Stehkundgebung auf der Brücke aus „verkehrstechnischen Gründen“ und wegen „Verstopfungsgefahr“. Sprich: Damit der Autoverkehr ungehindert fließen kann, muss das Verfassungsrecht auf Versammlungsfreiheit weichen.

Andreas Schütz wies auf den Skandal hin, dass „Umweltbewegungen die sich für eine gesunde Umwelt und einsetzen, mit dem Argument ausgebremst werden, sie würden die Umwelt und das Recht auf Leben gefährden. Das ist absurd, weil es genau um diese Menschenrechte bei unserer Bewegung geht. Corona wird als Vorwand genommen, um diese Bewegungen zu stoppen.“ Die Untersagung selbst einer 15-minütigen Stehkundgebung auf der Brücke zeige, „dass es den Verantwortlichen nicht um Corona geht, es geht ihnen nur um Autos. Sie wollen lieber die Autos, als uns dort haben, damit sich an der aktuellen Situation nichts ändert.“

Amnesty International: „Schwere menschenrechtliche Bedenken“

Schütz zitierte aus einer Twitternachricht, in der Amnesty International „schwere menschenrechtliche Bedenken“ gegen das Demonstrationsverbots in Linz anmeldete. Einige DemonstrationsteilnehmerInnen hielten Bildmontagen hoch, in denen das Konterfei des Linzer Bürgermeister Klaus Luger mit jenem des weißrussischen Präsidenten verschmolz. Untertitel: „Klaus Lugershenko“. Andreas Schütz kündigte Einspruch gegen diesen Untersagungsbescheid an, damit man bald wieder auch auf der Nibelungenbrücke gegen die verfehlte Verkehrspolitik in Linz demonstrieren könne.

„Für die Heilige Kuh Auto wird Versammlungsrecht eingeschränkt“

Genau diese verfehlte Verkehrspolitik machte Erich Jank, Aktivist der „Initiative Verkehrswende jetzt!“ zum Thema seines Redebeitrags. Er wies darauf hin, dass durch den geplanten Bau neuer Autobahnen in und um Linz (Bahnhofsautobahn, Ostautobahn) die täglichen Autofahrten von und nach Linz von derzeit 220.000 auf 300.000 bis 2030 steigen werden. Ein Plus von über 35%!

Erich Jank: „Es ist schon sehr bedenklich, dass immer, wenn die Heilige Kuh Auto kritisiert wird, die Politik sofort extrem negativ reagiert und sogar nicht einmal davor zurückschreckt, die verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit einzuschränken. In Sonntagsreden betonen sie immer wieder, wie wichtig der Klimaschutz ist. Es gibt Preise für Klimaaktivisten und -aktivistinnen, der Gemeinderat erklärt die Stadt zu einer Klimanotstandsgemeinde, und es werden Klimabündnisgemeinde-Schilder montiert. Wenn es dann aber konkrete Forderungen gibt, wie z. B. dass die A26 Bahnhofsautobahn oder auch die Ostautobahn nicht gebaut werden soll, dann werden schwere Geschütze aufgefahren.“ Gerade diese Autobahnen verhindern aber eine klimafreundliche Verkehrswende. Denn – so Jank: „Ein wesentlicher Faktor für das Klimachaos ist der motorisierte Individualverkehr, den es zu reduzieren gilt.“

„Power to the People“: A26-Bahnhofsautobahn verhindern!

Damit das gelingt, brauchen wir in Linz eine starke Klima- und Verkehrswende-Bewegung. Die Veranstalter riefen deshalb dazu, am Fr, 9.10. 2020 an der Kundgebung „Verkehrswende statt Verkehrshölle. Stopp der A26-Bahnhofsautobahn!“ der Initiative Verkehrswende jetzt! teilzunehmen (ab 15 Uhr, Wissensturm). Denn die A26-Bahnhofsautobahn, der zweite und mit Abstand teuerste Teil des Westrings, soll ab 2024 in Angriff genommen werden. Diese Tunnelautobahn würde zehntausende zusätzliche Autofahrten täglich mitten ins Linzer Stadtzentrum schleusen und damit das Bahnhofsviertel zur Verkehrshölle machen – ein wirkliches Wahnsinnprojekt jetzt mitten in der Klimakrise! Diese Bahnhofsautobahn muss daher verhindert werden!

Für diesen Kampf machten wir uns am Ende der Kundgebung mit einem gemeinsan Lied von John Lennon Mut: „Power to the people!“
(25.9.2020)

verkehrswende statt verkehrshoelle 9102020