Nach nur zwei Tagen hat die Linzer Stadtpolitik das Projekt „Autofreier Hauptplatz“ beendet. Bevor der Durchzugsverkehr für 4.000 Autos täglich am Linzer Hauptplatz gestoppt wird, sollen zuvor Straßenkapazitäten für zusätzliche 80.000 Autos pro Tag gebaut bzw. n den Weg geleitet werden. Offenkundiges Motto dieser vorgestrigen Verkehrspolitik: zuerst 20 Schritte zurück, bevor einer nach vorne getan werden kann. 

Am 15. Juli organisierte die Plattform AUTOFREItag für zwei Stunden das, was in Linz schon längst Realität sein müsste: Eine der sechs Autofahrspuren auf der Nibelungenbrücke wurde zu einem Radfahrweg umgewidmet. Unterstützt wurde diese Aktion von Fridays for Future, Radlobby OÖ und der „Initiative Verkehrswende jetzt!“ Das Ergebnis kennen wir aus den Medien: Es kam zu einem langen Verkehrsstau, die Aktion wurde auf Druck der Polizei vorzeitig abgebrochen. Verkehrsstadtrat Hein erklärte darauf hin – nach zwei Tagen! - den autofreien Hauptplatz für beendet. Unterstützung dafür bekam er von Bürgermeister Luger und Vizebürgermeister Beier. Die Wirtschaftskammer klatschte  Applaus - wenig verwunderlich, wenn man weiß dass diese Organisation Klimaleugnern ein Sprachrohr gibt und Polizei gegen KlimaaktivistInnen vor ihrem Haus aufmarschieren lässt. Auch die OÖ-Nachrichten machen ihrem Ruf als Leitorgan der Autoindustrie alle Ehre, indem sie gegen die KlimaaktivistInnen hetzt, die für den autofreien Hauptplatz kämpfen. Sie alle sind sich einig: Der autofreie Hauptplatz soll – ebenso wie eine sichere Radquerung auf der Nibelungenbrücke – auf die lange Bank geschoben werden.

Aus Sicht der Solidarwerkstatt gilt es aus diesem Anlass zunächst einige Punkte festzuhalten:

  • Wir fragen die Polizei, warum sie nicht der Anmeldung der Veranstalter bei der Aktion am 15. Juli nachgekommen ist, eine zweispurige Auffahrt auf der Nibelungenbrücke zu ermöglichen? Stattdessen hat sie – ohne ersichtliche Notwendigkeit – diese Auffahrt auf eine Fahrtspur künstlich verknappt und dadurch den langen Verkehrsstau maßgeblich provoziert.

  • Es staut oft in Linz. Darauf gibt es zwei Antworten – ein rückwärtsgewandte und eine vorwärtsgerichtete. Die rückwärtsgewandte heißt, einen Teufelskreis einzuleiten: mehr und breitere Straßen, die dann wieder mehr Autos nach sich ziehen, um dann wieder mehr und breitere Straßen zu bauen, um dann wieder mehr Autos anzuziehen usw. Der US-amerikanische Verkehrsexperte Luis Mumford hat dazu bereits im Jahr 1956 (!) treffend gesagt: „Mehr und breitere Straßen zu bauen, um den Stau zu verringern, ist genauso wie seinen Hosengürtel zu öffnen, um Übergewicht loszuwerden.“ Die vorwärtsgerichtete Antwort ist auch klar: Den Autoverkehr reduzieren! D.h. mehr und attraktivere Öffi-, Radfahr- und Fußgehangebote, um den Autoverkehr auf umweltfreundliche Mobilitätsformen zu verlagern, sowie eine kluge Raumplanung, zu der auch der schrittweise Rückbau von Autostraßen gehört, um unnötigen Autoverkehr zu vermeiden.

  • Die politische Verantwortlichen im Land und Stadt gehen in Linz nach wie vor in die rückwärtsgewandte Richtung: So sollen bis 2030 um rund 2 Milliarden Euro Autobahnen in und Linz gebaut werden, die die Autofahrten von und nach Linz von 220.000 auf 300.000 nach oben schnellen lassen – täglich (1)! 2019 existierten 16 Autofahrstreifen über die Donau in Linz. Für dieses Plus-80.000-Autoprogramm soll die Zahl der Autofahrstreifen über die Donau bis 2030 auf 30 fast verdoppelt werden: Westring, neue Donaubrücke, Bypass-Brücken zur Voestbrücke, Osttangente. Das genau in dem Jahrzehnt, das vom UN-Klimarat als entscheidend dafür angesehen wird, ob es noch gelingt, einen Klimakollaps zu verhindern. Allein die A26-Westring-Autobahn verschlingt das 3.000-Fache des jährlichen Linzer Radfahrbudgets. Am Areal der Postcity beim Hauptbahnhof soll ein neuer Stadtteil mit 2.500 Tiefgaragenplätzen entstehen – ein Verkehrsmagnet mitten in der Stadt. Diese Politik war bereits – siehe Zitat Luis Mumford – in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein Irrweg, heute – mitten in der Klimakrise – ist sie schlicht unverantwortlich und vorgestrig.

  • Dass – sehr zögerlich - auch der Öffentliche Verkehr ausgebaut werden soll, ändert am Modal-Split (also am Anteil den jeweiligen Verkehrsträgern am gesamten Verkehrsaufkommen) nichts, wenn gleichzeitig weiterhin Milliarden in den Autoverkehr gepumpt werden. Bestenfalls bleibt dadurch der Modal-Split konstant. Doch dieser zeigt schon jetzt eine völlig unhaltbare Dominanz des Motorisierten Individualverkehrs (MIV): Linz-Stadt:  Anteil MIV 49,1% (zum Vergleich: ÖV: 21%, Rad: 7,2%), Linz-Land: Anteil MIV 70,1% (zum Vergleich: ÖV: 10%, Rad: 4,4%) (2). Angesichts der geplanten Autobahnoffensive ist sogar mit einer weiteren Verschiebung in Richtung des Motorisierten Individualverkehrs zu rechnen. Denn: Wer Straßen sät, erntet Autoverkehr.
Das Plus-80.000 Auto-Programm: 20 Schritte zurück – einer nach vor

Bürgermeister Luger und Verkehrsstadtrat Hain erklärten nach wenigen Tagen den autofreien Hauptplatz für beendet und wollen diesen erst 2024 realisieren, dann nämlich, wenn 10 zusätzlichen Fahrspuren über die Donau gebaut wurden (Westring-Brücke, Bypass-Voestbrücken, neue Donaubrücke). Diese neuen Autobrücken und Autobahnen in Linz sind der Grundstein dafür, bis 2030 das Plus-80.000 Auto-Programm durchzuziehen. Vergleichen wir: Den Hauptplatz durchfahren täglich rd. 4.000 Auto. Um diesen Durchzugsverkehr zu beenden, soll Platz für die 20-Fachen Automassen geschaffen werden. Also zuerst 20 Schritte zurück, dann einer nach vor. Das wird uns als zukunftsweisende Verkehrspolitik verkauft. Das ist eine Beleidigung für denkende Menschen. Unsere Konsequenz heißt daher: Der autofreie Hauptplatz muss bleiben! Die vorgestrige Verkehrspolitik a la Luger, Hein und Beier muss endlich gehen! Beteiligen wir uns daher an den Aktionen für einen autofreien Hauptplatz, die ihren Höhepunkt in der „Feier für einen autofreien Hauptplatz“ am 31. Juli finden.

Linz braucht umwelt- und klimafreundliche Verkehrswende! Plus-80.000-Auto-Programm stoppen!

Ein autofreier Hauptplatz und eine sichere Radquerung über die Nibelungenbrücke sind wichtige Mosaiksteine im Rahmen einer umwelt- und klimafreundlichen Verkehrswende für den Großraum Linz. Entscheidend wird es werden, ob es gelingt, das wahnwitzige Plus-80.000-Autoprogramm zu stoppen. Dafür müssen wir Druck machen, denn auch die türkis-grüne Bundesregierung hält am Bau der milliardenschweren ASFINAG-Programme fest. Die Solidarwerkstatt unterstützt daher die Forderungen, für die die „Initiative Verkehrswende jetzt!“ und Fridays for Futur Linz bereits im Juni dieses Jahres auf die Straßen gegangen sind:

  • Keine A26-Westring-Tunnelautobahn unter dem Freinberg zum Linzer Bahnhofsgelände! Stopp auch den anderen geplanten Großstraßenprojekte in und um Linz (z.B. Ostautobahn, autobahnähnlicher Ausbau der B139 bei Haid/Ansfelden, Verbreiterung der A7)!
  • Nach der Fertigstellung der vierspurigen 4. Linzer Donaubrücke müssen ebenso viele Fahrspuren auf der Nibelungenbrücke dem Autoverkehr entzogen und für den Rad- und FußgängerInnenverkehr umgewidmet werden. Der Linzer Hauptplatz muss sofort und dauerhaft autofrei gemacht werden!
  • Verkehrsvermeidung fördern: z.B. Pilotprojekt autofreies Wohnen auf dem Areal der Postcity, das bestens an den Öffentlichen Verkehr angeschlossen ist, statt tausender neuer Tiefgaragenplätze, die wieder neuen Verkehr mitten in die Stadt ziehen und das Wohnen teurer machen.
  • Statt Milliarden für neue Autobahnen: Investitionen in die Attraktivierung des Öffentlichen Verkehrs und der sanften Mobilität. Z.B.: Rascher (Aus)bau und Elektrifizierung der Mühlkreisbahn und Gallneukirchner Bahn und Durchbindung beim Hauptbahnhof; 2. Linzer Straßenbahnachse oberirdisch durch die Gruberstraße, Verlängerung der Straßenbahn von Traun nach Haid. Beschleunigte Umsetzung des Hauptradroutenkonzepts im Großraum Linz. In der derzeitigen Wirtschaftskrise besonders wichtig: Investitionen in diese umweltfreundliche Mobilität schaffen deutlich mehr Arbeitsplätze als Straßenbau.

Dafür werden wir noch oft auf die Straße gehen müssen.

Anmerkungen:
1) Quelle: OÖ-Nachrichten, Das Verkehrspuzzle, 15.2.2020
2) Quelle: Verkehrserhebung des Landes OÖ, 2020
3) Quelle: Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie 2016; VCÖ 2017