Politik weg von auto- hin zu menschengerechter Mobilität macht es möglich: Nachbarn sitzen gemütlich plaudernd auf einer Parkbank und Kinder spielen dort, wo früher Durchzugsverkehr lärmte und die Luft verpestete. Bis spät in die Nacht gelangen Fahrgäste mit Öffis an ihr Ziel. Doch wie hat Barcelona das geschafft?

Viele Jahre kennzeichneten Barcelona seine Sehenswürdigkeiten, aber auch Staus, Lärm, Abgase, wenig Grünflächen, viel Beton und Hitzeinseln (bis +8 Grad Celsius als im Umland). Aus der Not heraus brach bereits ab 1993 die Stadtverwaltung mit dem Paradigma der autogerechten Stadt und entwickelte ein Konzept für nachhaltige Mobilität. Verkehrsberuhigung statt weitere Autobahnen zu bauen, wird als effektive Möglichkeit gesehen, die Verkehrsbelastung zu reduzieren, der Luftverschmutzung entgegenzuwirken und damit die Lebensqualität für die Bevölkerung zu erhöhen. Ein sehr gutes Öffisystem, mit dem man mittlerweile die entlegensten Ecken der Stadt bis spät in die Nacht erreicht, unterstützt dieses Ziel, ebenso wie die Neuverteilung der öffentlichen Flächen in Begegnungsorte für die EinwohnerInnen in „Superblocks“.

Was sind Superblocks?

Für Superblocks (auf Katalanisch „Superilles“) werden bis zu neun Häuserblocks zusammengefasst. Sie teilen den vorhanden Raum zwischen Autos, Radfahrenden und Fußgehenden neu auf. Es entsteht damit ein Areal von ca. 400x400m, das für den Durchzugsverkehr gesperrt ist. Autoverkehr ist in Einbahnstraßen – für Anwohner, Müllabfuhr und Lieferdienste - nur mit 10 bis 20 km/h erlaubt. Zu Fußgehende und Radfahrende haben in den Superblocks Priorität, der Autoverkehr ist nur Gast. Durchzugsverkehr fließt um diese Blöcke herum.

Superblocks

Innerhalb dieser Superblocks haben Fußgehende und Radfahrende Vorrang. Bei zweispurigen Straßen wird den Autos eine Spur weggenommen und sie werden zu erweiterten Wohnzimmern, wo Kinderlachen beim Spielen statt Autolärm ans Ohr dringt. Das triste Grau der Straße wird durch bepflanzte Hochbeete, Blumenkübel und Bäumen ersetzt. Man atmet frische Luft statt Abgase ein, begegnet entspannten Menschen, die auf frisch errichteten Parkbänken Kaffee trinken und miteinander ins Gespräch kommen.

Der erste Superblock entstand 2017 im Stadtviertel Poble Nou - anfangs noch gegen Widerstände von Geschäftsleuten und Autofahrenden, doch mit großem Zuspruch der AnwohnerInnen. In den bis bisher gestalteten Superblocks, die im gesamten Stadtgebiet entstanden sind, ist das befürchtete Geschäftssterben ausgeblieben. Im Gegenteil: Die Anzahl der lokalen Läden stieg sogar um 30 Prozent.

Bei der Umsetzung der Superblocks ist es wichtig, dass diese auch von wohnungspolitischen Maßnahmen begleitet wird, damit nicht innerhalb des verkehrsberuhigten, nun aufgewerteten, Bereichs die Mieten steigen und die BewohnerInnen in die umliegenden Bezirke verdrängt werden. Barcelona plant u.a deshalb die Ausweitung des Konzepts, damit jede/r unabhängig vom Geldbeutel gesünder leben kann.

Insgesamt sollen 503 (!) Superblocks in Barcelona entstehen, 60 Prozent der bisher von Autos genutzten Straßen würden dadurch für andere Nutzungen frei werden. Eine aktuelle Studie des Gesundheitsinstituts BCNecologia Barcelona zeigt, schreibt der britische „Guardian“, welche positiven Auswirkungen die Umsetzung hätte: Die Lebenserwartung der hier lebenden Menschen würde um fast 200 Tage steigen. Die Verminderung der Abgase würde zu weniger Lärm und Hitzeinseln führen - und könnte rund 300 frühzeitige Todesfälle pro Jahr verhindern. Laut der Studie könnte die private Autonutzung von 1,19 Millionen Fahrten pro Woche auf 230.000 fallen.
Das Konzept der Superblocks haben sich Städte, wie New York, London, Paris, Berlin abgeschaut und auch in Wien wird überlegt.

Super „Öffis“

Aber nicht nur Superblocks helfen, die Lebensqualität in der Großstadt zu heben und die Belastung durch PKW-Verkehr zu senken. Barcelona hat ein sehr gutes, modernes flächendeckendes Personennahverkehrssystem (ÖPNV). EinwohnerInnen und BesucherInnen kommen schnell und ohne Stau zu jedem beliebigen Ort innerhalb der Stadt. Busse, Straßenbahnen und die sehr gut funktionierenden Metrolinien fahren alle in einem sehr engen Takt und bis spät in die Nacht in die entlegensten Ecken Barcelonas.

Um weitere Anreize zu schaffen auf den ÖPNV umzusteigen, probiert Barcelona sich nun an einem neuen Ansatz. Konkret legt der Verkehrsbetreiber Transports Metropolitans de Barcelona folgendes Programm auf: Wer ein altes Fahrzeug mit Verbrennungsmotor abgibt, erhält im Gegenzug eine Karte, mit der man die örtlichen ÖPNV-Angebote kostenlos nutzen darf – und zwar für drei Jahre.

Superblocks, super „ÖPNV“: Barcelona ist ein weiteres Vorbild für Linz wie Stadtentwicklung anders geht – weg vom autozentrierten Denken - für mehr Lebensqualität.

Eveline Steinbacher
(aus SOLiNZ-Solidarisches Linz, Dezember 2021)

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