Das Verbot von Kurzstreckenflügen wäre eine effektivste Maßnahmen im Interesse von Umwelt- und Klimaschutz. Warum geht diesbezüglich kaum etwas weiter?

 

Die Klimabilanz des Flugverkehrs ist katastrophal. Flugverkehr hat je Personenkilometer den 5-fachen Ausstoß an Kohlenmonoxid, den 6-fachen Ausstoß an Stickoxiden und den 28-fachen Ausstoß an CO2. In Bezug auf den Gütertransport fällt die Umweltbilanz noch deutlicher zugunsten der Bahn aus.

Zwei Drittel der Flüge unter 1.000 Kilometer

Es stellt sich die Frage, warum nicht endlich eine der wirksamsten Maßnahmen ergriffen wird: das Verbot von Kurzstreckenflügen. Welche bemerkenswerten Auswirkungen das hätte, kann am Beispiel des Flughafen Wien/Schwechat ausgeführt werden: die Flugdistanz eines Drittels der Passagiere liegt unter 800 Kilometer, zwei Drittel unter 1.000 Kilometer (sh. Grafik). Gerade Kurzstreckenflüge sind besonders klima- und umweltbelastend, da in der Startphase besonders viel Kerosin verbrannt wird. Jede Diskussion um eine 3. Piste in Wien/Schwechat würde sich schlagartig erledigen, wenn Schritt für Schritt – oder besser Zug um Zug – ein Verbot dieser Kurzstreckenflüge umgesetzt würde. Denn mit Investitionen in ein entsprechendes Bahnangebot zwischen den großen Städten, können Distanzen bis zu 1.000 Kilometer durchaus in einer akzeptablen Zeit klima- und umweltschonend mit dem Zug zurückgelegt werden. Einen klitzekleinen Schritt in diese Richtung will die türkis-grüne Regierung gehen: Dafür, dass der Staat der Lufthansa 150 Millionen schenkt und weitere 300 Millionen an Haftungen für Kredite übernimmt, soll die AUA Strecken, die von der Bahn „deutlich unter 3 Stunden“ bedient werden können, nicht mehr fliegen. Nur die AUA. Die Lufthansa darf schon. Die Auswirkungen werden wohl im homöopathischen Bereich liegen. Sieht so die großangekündigte grüne Klimapolitik aus?

Fluggaeste Wien Grafik

EU-Recht contra Klimaschutz

Man muss allerdings tiefer schürfen, warum die so naheliegende Forderung nach Verbot von Kurzstreckenflügen nicht im Regierungsprogramm zu finden ist und auch dem grünen Spitzenpersonal nicht über die Lippen kommt. Sie ahnen, dass sie dann eine auf die Finger geklopft bekommen. Von wem? Wohl von der EU-Kommission oder dem EuGH oder beiden. Denn zur Verpflichtung der „offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ – wie es im EU-Primärrecht verankert ist – gehört auch die Liberalisierung des Flugverkehrs. Und so sieht die Verordnung (EG) 2008/1008 den „freien Streckenzugang“. D.h. die „Durchführung innergemeinschaftlicher Flüge durch ein Luftunternehmen der Gemeinschaft“ kann nicht von der Zulassung oder Genehmigung durch einen Mitgliedsstaat abhängig gemacht werden. Der Artikel 20 bietet zwar ein Schlupfloch: „Im Fall von schwerwiegenden Umweltproblemen kann ein Mitgliedstaat die Ausübung von Verkehrsrechten einschränken oder verweigern.“

Ob er das wirklich darf, ist aber an eine Latte von Bedingungen gekoppelt:

  • Andere Verkehrsträger müssen Verkehrsdienste „in angemessenen Umfang zur Verfügung stellen“.
  • Die Maßnahme darf den Wettbewerb zwischen den Luftfahrtunternehmen nicht verzerren.
  • Und darf nur eine begrenzte Dauer haben, die drei Jahre nicht überschreitet und muss dann erneut einer Überprüfung unterzogen werden.
  • Die Maßnahme darf nur dann in Kraft treten, wenn sie zumindest drei Monate vorher der EU-Kommission und allen übrigen Mitgliedsstaaten mitgeteilt wurden und innerhalb eines weiteren Monats kein Einspruch von einem Mitgliedsstaat oder der EU-Kommission eingelegt wurde.

Vor allem der letzte Punkt bedeutet, dass faktisch jeder EU-Staat und die EU-Kommission faktisch eine Vetomöglichkeit haben. Es gibt bislang ein Beispiel, wo die EU-Kommission das Verbot eines Kurzstreckenfluges erlaubt hat. Das betraf die Einstellung des Flugverkehrs zwischen Charleroi und Liege in Wallonien. Diese Städte sind jedoch gerade einmal 80 Kilometer voneinander entfernt (etwas länger als die Distanz Wien – St. Pölten). Außerdem handelte es sich um eine zeitlich eng begrenzte Maßnahme (nur die Wintersaison 2007/08). Die EU-Kommission hielt ausdrücklich in ihrer Entscheidung fest, dass „neben den Vorteilen für die Umwelt, die Kosten eine Flugverbots zu berücksichtigen seien und diesbezüglich eine Einzelfallprüfung eines jedes eine bestimmte Strecke betreffenden Verbotes erforderlich sei.“ (2) So seien etwa „die wirtschaftlichen Interessen der Luftfahrtunternehmen und der Flughäfen zu berücksichtigen“ oder jener Unternehmen, deren „wirtschaftliche Aktivitäten durch die Einschränkung von Geschäftsreisen beeinträchtigt“ würden.

„Klimapolitischer Absturz“

Damit dürfte klar sein: So wie beim Transitverkehr, wo eine wirksame Eindämmung am EU-Gebot des „freien Warenverkehrs“ scheitert, würden entschiedene Maßnahmen zum Verbot von Kurzstreckenflügen wohl ebenfalls am EU-Recht zerschellen. Die türkis-grüne Regierung hat daher gleich vorbeugend die Finger davon gelassen. Die Klimabewegung sollte das nicht tun. Erfrischend der Kommentar von Fridays for Future zum AUA-Deal der österreichischen Bundesregierung. Sie bezeichnet den AUA-Deal als „klimapolitischen Absturz“. Und eine Aktivistin ergänzt: „Wir haben genug von einer Politik, die sich von fossilen Konzernen über den Tisch ziehen lässt. ÖVP und Grüne finden einen Flugkonzern, der Kurzstrecken und Inlandsflüge von Wien nach Graz fliegt, wohl rettenswerter als unsere Zukunft.“ (3)

Quellen:
(1) Umweltbundesamt, 2016
(2) Zit. nach: Wissenschaftlicher Dienst des Deutschen Bundestags, Beschränkung von Inlands- und Kurzstreckenflügen aus Klimaschutzgründen, 5.9.2019
(3) Fridays for Future: AUA-Rettung ist klimapolitischer Absturz, OTS, 8.6.2020