By Herbert Ortner, Vienna, Austria (own digital image) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or CC-BY-2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.5)], via Wikimedia Commons

Erich Klinger (Linz) empört sich in seinem Offenen Brief an Bürgermeister Schagerl über die Demolierung der Ybbstalbahn. Denn: "Zu einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik gehört der Erhalt bzw. die Reaktivierung bestehender Eisenbahnstrecken, als tragfähige Achsen einer Verkehrspolitik, die den Menschen eine Alternative zum eigenen Auto bietet und auch bieten muss."


Guten Tag, Herr Schagerl,

auch wenn es mich nicht überrascht: ich bin wütend und traurig darüber, dass sich sozialdemokratische Politiker wie Sie für ein Werk der Zerstörung von Gemeingut, Kulturgut, von teils erst vor kurzem erneuerter Infrastruktur, hergeben.

Anstatt den vielen Menschen, die sich für den Erhalt der Ybbstalbahn eingesetzt haben und einsetzen, wenigstens die Chance zu geben, in einem "Versuchszeitraum" von 5 Jahren zu "beweisen", wie gut ein Museumsbetrieb auf der Ybbstalbahn-Talstrecke angenommen würde, fahren Sie und ihre schwarzen Verbündeten über die Menschen drüber, dass - verzeihen Sie - "einer Sau graust".

Vielleicht fällt Ihnen ja nicht einmal mehr der Widerspruch auf, dass die "vom Land hofierte" - womit ich nicht auf die Betreiberin ÖGLB losgehen will! - Bergstrecke als willkommener Tourismusfaktor gesehen wird, während man die ebenso erhaltenswürdiger Talstrecke mit einer Mischung aus Machtbesessenheit und Ignoranz mutwillig zerstören lässt.

Als Linzer war ich über lange Jahre, genau gesagt, bis zur Einstellung des Betriebes der Ybbstalbahn im Planbetrieb gerne und oft zu Gast im Ybbstal, auch dieser Bahn wegen.

Das ist mir und auch vielen meiner Freundinnen und Freunde und Bekannten gründlich vergangen und nicht nur ich, sondern auch wir sind nicht mehr bereit, eine Region zu besuchen, in der man eine Bahn zerstört, die sogar in den letzten Jahren des Planbetriebes, trotz aller Widernisse wie monatelangen Streckenunterbrechungen nach verhältnismäßig geringfügigen Beschädigungen der Trasse, noch immer mehr Menschen ins Tal gebracht hat, als der ach so billige Bus.

Ich hielt - leider muss ich das angesichts der auch von Ihnen mitzuverantwortenden Zerstörung in Vergangenheitsform schreiben - die Ybbstalbahn für eine Eisenbahnstrecke, die nicht nur im Museumsbetrieb, sondern auch auf mittelfristige Perspektive hin Zukunft im Planbetrieb gehabt hätte.

Und das schreibe ich sicher nicht aus nostalgischen Anwandlungen heraus, sondern der simplen Erkenntnis folgend, dass zu einer zukunftsfähigen Verkehrspolitik der Erhalt bzw. die Reaktivierung bestehender Eisenbahnstrecken gehört, als tragfähige Achsen einer Verkehrspolitik, die den Menschen eine Alternative zum eigenen Auto bietet und auch bieten muss. Denn sogar in den wenigen Fällen, wo der ersatzweise Busbetrieb nach Einstellung einer Eisenbahnstrecke nicht "dahinvegetiert", kann man davon ausgehen, dass mit einer Eisenbahn ein wesentlich größeres Potenzial an Fahrgästen erreicht werden könnte.

Knapp 60 Jahre nach Einstellung der Salzkammergut-Lokalbahn ist es zumindest Politikern, die verantwortungsbewusst zu handeln suchen, wie Bürgermeister Peinsteiner aus St. Wolfgang, den ich auch persönlich kenne, eine schwere Bürde, dass vor eben knapp 60 Jahren eine Infrastruktur zerstört wurde, die man heute in inzwischen modernisierter Form dringend brauchen würde.

Was Sie und Ihre Kollegen und Kolleginnen, egal ob im Radwegeverein, ob im Landtag oder in den Gemeinden des Ybbstales, derzeit betreiben, ist die Wiederholung einer verkehrspolitischen Dummheit ersten Ranges.

Und wenn Sie sich allen Ernstes als Sozialdemokrat bezeichnen, sollte Ihnen zumindest in stillen Augenblicken bewusst sein, was Sie mit Ihrer Teilhabe an diesem Zerstörungswerk auch im Sinne der "Tilgung der roten Flecken" anrichten.

Viele Ihrer sozialdemokratischen Ahnen und Vorfahren würden sich im Grab umdrehen, wenn Sie mitbekämen, wie respektlos und bar der Wahrnehmung auch sozialdemokratischer Spuren, die Eisenbahnen hierzulande anhaften, Politiker wie Sie handeln.

Ich bin nicht so naiv oder "vernagelt", davon auszugehen, dass jeder Kilometer Schienenstrang um jeden Preis erhalten werden muss, nur weil es sich um eine Eisenbahn handelt. Im Umkehrschluss bedeutet das für mich jedoch, dass ich für den Erhalt und auch die Reaktivierung jeder Strecke bin, die meiner Erfahrung und meinem Wissen zufolge nicht nur erhalten, sondern auch betrieben werden sollte. Die Ybbstalbahn gehört eindeutig dazu.

Erich Klinger, Linz

Hier anhören den “Kommentar der Woche” zur Mühlkreisbahn: http://cba.fro.at/254081 von Erich Klinger auf Radio FRO.