EU-Kommissar Verheugen spricht Klartext: „Ich habe den Mut auszusprechen, was das Gebot der Stunde ist: Nämlich, dass sich Europa etablieren muss als eine Weltmacht, die einen Geltungsanspruch erhebt.“ Diesen Weltmachanspruch gelte es „notfalls mit robusten Mitteln zu schützen.“ (in: Internationale Politik 1/2005) Anderen EU-Repräsentanten rutscht manchmal raus, wie „robust“ man „notfalls“ zuzuschlagen gedenken. Robert Cooper, Generaldirektor für außenpolitische Angelegenheit der EU und Büroleiter des EU-Außenbeauftragten Javier Solana: „Vielleicht werden wir eher als alle anderen Atomwaffen einsetzen, aber ich würde mich hüten, das laut zu sagen.“ (The Guardian, 22.01.2008). Das deckt sich mit den Empfehlungen von fünf ehemals hochrangigen NATO-Generälen (vier aus EU-Staaten, einer aus den USA), die Anfang 2008 im Strategiepapier „Towards a Grand Strategy“ die Bereitschaft zum atomaren Erstschlag eingefordert haben: „Der Ersteinsatz von Atomwaffen muss im Köcher der Eskalation bleiben. Ein solches Konzept erfordert Eskalationsdominanz, die das volle Arsenal von Zuckerbrot und Peitsche nutzt und zwar tatsächlich alle Instrumente der weichen und harten Macht, die von diplomatischen Protesten bis hin zum Einsatz von Atomwaffen reicht.“ Die Atomrüstung wird in Europa energisch vorangetrieben. Großbritannien hat im Frühjahr 2007 die Modernisierung seines Atomwaffenarsenals in der Höhe von bis zu 30 Milliarden Euro beschlossen. Frankreich investiert schon länger massiv in die Entwicklung neuer atomarer Lang- und Mittelstreckenraketen. Außerdem will Frankreich - ähnlich wie die USA - sogenannte „Mini-Nukes“ bis zum Jahr 2010 einsatzbereit haben. Mit diesen sog. „Mini-Atombomben“ soll ein Atomkrieg gegen sog. „Schurkenstaaten“ führbar werden. Die deutschen Machteliten setzen vor allem auf die „Europäisierung“ der Atomwaffen, um selbst Zugriff auf Massenvernichtungswaffen zu erlangen. In einem Papier des Centrums für Angewandte Politikforschung, einem führenden Beratungsinstitut der deutschen Regierung, heißt es über die Zukunft der EU: „Nur im Szenario Supermacht Europa wird das große Europa seinem objektiven Weltmachtpotenzial gerecht. Der Aufbau der Vereinten Europäischen Strategischen Streitkräfte, die sich unter einem gemeinsamen europäischen Oberkommando des Atomwaffenpotenzials Frankreichs und Großbritanniens bedienen können, wird die internationale Rolle der EU verändern.” (Zukunft Europas, Mai 2003)
Die sog. „zivile“ und die militärische Nutzung der Atomenergie sind siamesische Zwillinge. Wird Atomstrom produziert, so werden auch Atomwaffen gefördert. Die Anlagen zur Aufbereitung von Uran und die Akteure im "Geschäft mit Atomwaffen" sind die gleichen. Jede Uranaufbereitungsanlage dient einerseits der Atomstromproduktion, andererseits der Atombombenzulieferung. In Österreich ist sowohl die zivile als auch die militärische Nutzung der Atomenergie verfassungsmäßig untersagt. Über die EU-Ebene werden diese Verpflichtungen jedoch ständig ausgehöhlt. Österreich ist Mitglied bei EURATOM, dessen Ziel es ist, „die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen“. Im 7. Rahmenprogramm für Forschung werden die Mittel für das EURATOM-Programm von 1,2 auf 4,1 Milliarden Euro erhöht. Bereits 2004 zahlt das „Anti-Atomland“ Österreich jährlich ca. 40 Millionen Euro in die EU-Atomtöpfe, heute dürfte dieser Betrag bereits auf rund 100 Millionen Euro angestiegen sein. Anlässlich des 30. Jahrestages der Volksabstimmung über das AKW-Zwentendorf fordern wir daher den sofortigen Ausstieg Österreichs aus EURATOM und die Umwidmung der EURATOM-Gelder für die Förderung von umweltfreundlichen Alternativenergien. Gleichzeitig fordern wir den Ausstieg Österreich aus allen Gremien, Rüstungsprojekten und Kampfverbänden der EU-Militärpolitik. Denn auch eine glaubwürdige Anti-Atom- und eine glaubwürdige Friedens- und Neutralitätspolitik sind ebenfalls siamesische Zwillinge.
Gemeindeintiative für den Ausstieg aus Euratom
Anlässlich des 30. Jahrestages der Zwentendorf-Volksabstimmung fordert die Werkstatt Frieden & Solidarität den sofortigen Ausstieg aus EURATOM. Es ist vollkommen unverständlich, dass das "Anti-Atom"-Land Österreich mittlerweile bis zu 100 Millionen Euro jährlich für die "Schaffung einer mächtigen Atomindustrie" (EURATOM-Vertrag) bezahlt. Dieses Geld sollte verwendet werden, um wieder erneuerbare Energien zu fördern. Der Werkstatt-Aktivist und Ottensheimer Gemeinderat Rudi Schober engagiert sich dafür, dass der Ottensheimer Gemeinderat eine Resolution für den Ausstieg aus EURATOM beschließt (sh. beiliegendes Dokument). In einem Brief wendet er sich an die anderen österreichischen Gemeinden, diesem Beispiel zu folgen.
Brief an alle österreichischen Gemeinderäte
Sehr geehrte Damen und Herren!
Am 5. November 2008 jährt sich zum 30. Mal die Volksabstimmung über das AKW Zwentendorf. Damals hat sich die österreichische Bevölkerung gegen die Nutzung der Atomenergie entschieden. Tragische Unfallkatastrophen mit vielen toten und verstrahlten Menschen haben seither bewiesen, wie richtig diese Entscheidung gewesen ist. Jüngste Untersuchungen belegen, dass auch im „Normalbetrieb“ Krebserkrankungen von Kindern im Umfeld von Atomkraftwerken deutlich zunehmen. Doch obwohl sich Österreich zur Atomenergiefreiheit bekennt, zahlt Österreich jährlich zig- Millionen Euro zur Förderung der Atomwirtschaft - über EURATOM, den Atomvertrag der Europäischen Union. Im Jahr waren es bereits 40 Millionen, mit der Verdreifachung des Nuklearbudgets im 7. EU-Rahmenforschungsprogramm ist davon auszugehen, dass sich auch der Anteil Österreichs verdreifacht und somit bei weit über 100 Millionen EURO jährlich liegt! Ziel des EURATOM-Vertrages ist es, die „Voraussetzungen für den Aufbau einer mächtigen Atomindustrie zu schaffen“. Wir halten es für vollkommen unverständlich und untragbar, dass das „Anti-Atom-Land“ Österreich den „Aufbau einer mächtigen Atomindustrie“ mitfinanziert.
Als erster hat daher der Gemeinderat von Freistadt (OÖ) das 30 Jahre-Jubliäum der Zwentendorf-Abstimmung zum Anlass genommen, von Regierung und Nationalrat den Ausstieg aus dem EURATOM-Vertrag zu fordern. Der Gemeinderat von Ottensheim wird demnächst über eine ähnliche Resolution befinden. Je mehr Gemeinderäte sich dieser Initiative anschließen, desto eher kann es uns gelingen, eine breite öffentliche Debatte über den Ausstieg aus EURATOM anzustoßen. Beiliegend finden Sie die Resolution, die im November 2008 im Ottensheimer Gemeinderat zur Diskussion steht. Wir würden uns sehr freuen, wenn Ihre Gemeinde ebenfalls eine solche Resolution beschließt. Bitte informieren Sie uns über ihre diesbezüglichen Aktivitäten.
Mit freundlichen Grüßen
Rudi Schober
(Gemeinderat Ottensheim)
Folgende Gemeinden haben bereits Resolutionen für einen Ausstieg aus EURATOM beschlossen: