Briten steuern in der Agrarpolitik ökologisch um. Ein bemerkenswert sachlicher Artikel in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) berichtet über einen Aspekt des Brexit, über den ansonsten in unserer Medienlandschaft kaum berichtet wird.

(FAZ, 1.12.2020), London. Die britische Regierung nutzt den Austritt aus der Europäischen Union für eine radikale Reform der bestehenden Agrarsubventionen und einen ökologischen Umbau der Landwirtschaft. „Wir wollen, dass Landwirte öffentliche Gelder bekommen, um ihre Betriebe produktiver und nachhaltig zu machen, während sie auch die Umwelt, das Tierwohl und den Klimaschutz auf ihrem Land verbessern sollen“, sagte Umwelt- und Landwirtschaftsminister George Eustice am Montag. Er sprach vom „größten Wandel der Agrarpolitik seit einem halben Jahrhundert“.

"Größter Wandel der Agrarpolitik seit einem halben Jahrhundert"

Unter der EU-Agrarpolitik erhalten rund 88.000 Landwirtschaftsbetriebe auf der Insel bislang 233 Pfund (knapp 260 Euro) Direktzahlung je Hektar, insgesamt Milliardenzahlungen. Für kleinere Bauernbetriebe bis maximal 30000 Pfund Subvention im Jahr wird die Flächensubvention von 2021 an um 5 Prozent und bis 2024 um 50 Prozent gekürzt. Für Großgrundbesitzer, die bisher mehr als 150000 Pfund Subventionszahlung erhielten, wird diese 2021 um 25 Prozent und bis 2024 um 70 Prozent gekürzt. Zu den großen Subventionsempfängern zählten in der Vergangenheit auch die britische Königin, der Staubsaugerhersteller James Dyson oder der saudische Prinz Khalid Abdullah al Saud, die weitläufige Ländereien auf der britischen Insel besitzen. Bis 2028 werden die staatlichen Flächenzahlungen komplett auslaufen.

Künftig erhalten Landwirte staatliche Zahlungen nur noch, wenn sie sogenannte „öffentliche Güter“ produzieren, das heißt Beiträge zur Erhaltung der Umwelt und der Landschaft, für bessere Luft, bessere Wasserqualität und zum Schutz der Biodiversität leisten. Geld gibt es etwa, wenn Bauern weniger Pestizide einsetzen, Anlagen zum Schutz gegen Bodenerosion oder gegen Überschwemmung anpflanzen und wenn sie ihr Vieh artgerecht halten und Krankheiten wie Schweinepest ausrotten. Das Gesamtniveau der staatlichen Zahlungen von 2,4 Milliarden Pfund, davon bislang 1,6 Milliarden Pfund Direktzahlungen, soll bis 2024 gehalten werden. Aber Schritt für Schritt rückt die Regierung von der reinen Flächensubvention ab. Bauern können zudem Zuschüsse zur Erhöhung der Produktivität oder aber Ausstiegszahlungen für Betriebsaufgaben erhalten. Die anderen Landesteile Schottland, Wales und Nordirland werden eigene Agrarreformen vorlegen, wenn der Brexit vollzogen ist.

EU setzt unökologische Agrarpolitik fort

Der britische Bauernverband NFU unterstützt zwar im Grundsatz die Stoßrichtung der Reform, warnte aber vor „großen Risiken“, wenn die Subventionen zu schnell gekürzt werden. Das Einkommen mancher Viehhalter könnte um zwei Drittel sinken. Die Natur- und Tierschutzorganisation WWF lobte, die Reform gehe in die richtige Richtung. Der EU-Agrarministerrat hat vor kurzem beschlossen, das System der flächengebundenen Direktzahlungen für Bauern weitgehend fortzuführen. Im neuen EU-Haushalt für die Jahre 2021 bis 2027 sind für Agrarpolitik 345 Milliarden Euro reserviert. Davon fließen rund drei Viertel direkt an die Landwirte, zum allergrößten Teil ohne ökologische Auflagen.
(FAZ, 1.12.2020)