LandraubWenn wir den Begriff Landgrabbing hören, denken viele zuerst an Länder Afrikas, Asiens oder Südamerikas. Doch fruchtbare Schwarzerdeböden zu niedrigen Preisen, geringe Lohnkosten, oder schlicht Spekulation befeuern Landraub auch in den Ländern Osteuropas. Das Tor dafür wird oftmals über die EU-Liberalisierungspolitik geöffnet - nicht zuletzt mit direkter Gewalt. Hier einige Beispiele für Landraub in Osteuropa.

Ukraine: Blutiger Kampf um fruchtbare Schwarzerdeböden

LandraubDie Ukraine verfügt 32 Millionen Hektar Ackerboden bester Qualität; das entspricht einem Drittel der gesamten Ackerbaufläche der Europäischen Union. Agrarfonds, Unternehmen, Staaten und auch einzelne Bauern und Bäuerinnen aus Dänemark, Estland, Frankreich, Deutschland, Luxenburg, Niederlande, Österreich, Russland, Saudi Arabien, Serbien, Schweden, Schweiz, China, USA, Zypern investieren in der Ukraine in den Getreideanbau für Nahrungsmittel, Tierfutter oder Biotreibstoffe. 

Bis 2018 gilt ein Moratorium, wonach Land von nationalen und internationalen Agrarunternehmen nur gepachtet werden kann. Weshalb lokale BäeuerInnen kleine Flächen pachten und Investoren diese von ihnen. Aufgrund der niedrigen Bodenpreise von ca. 30 Euro/ha können die BäuerInnen davon kaum profitieren. Die PächterInnen haben gute Chancen, die Flächen zu kaufen, sobald das Moratorium aufgehoben wird. Circa 17 Millionen Hektar ukrainischen Agrarlandes, also mehr als die Hälfte, werden bereits von ukrainischen und ausländischen Agrarholdings kontrolliert und viele wollen mehr Land. Wie auch das österreichische Agrarunternehmen MCB Agricole, das beispielsweise derzeit eine Fläche von 96.000 ha kontrolliert und auf 400.000 ha expandieren will, eine Fläche, die der Größe des Burgenlands entspricht.

Frédéric Mousseau, Strategiedirektor des kalifornischen Oakland Instituts, eines auf Nahrungssicherheit und Klimathemen spezialisierten Think Tanks, kommt zum Schluss, dass man bereits von „einer Übernahme der ukrainischen Landwirtschaft durch westliche Konzerne“ sprechen könne. Er glaubt, dass das Ringen „um die Kontrolle des Landwirtschaftssektors“ ein „ausschlaggebender Faktor“ für den Griff des Westens nach der Ukraine gewesen sei. Dass der ehemalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch eine stärkere Integration in den Westen ablehnte, habe in der Ukraine-Krise schließlich „eine Schlüsselrolle“ für die blutige Eskalation gespielt (zit. n. Die Zeit, 16.3.2015). Mit Hilfe von neofaschistischen Milizen gelang es Brüssel im Jahr 2014 schließlich, Janukowitsch wegzuputschen und mit dessen Nachfolgern das EU-Ukraine-Assoziationsabkommen unter Dach und Fach zu bringen, das auch die Landwirtschaft weiter für ausländische Investitionen öffnen soll. Im Artikel 404 verpflichten sich beide Parteien „die Anwendung von Biotechnologien“ zu fördern. Damit wird in der bislang gentechnikfreien Ukraine das Tor für die großen Gentechnikkonzerne Bayer/Monsanto, Dupont, usw. geöffnet.

Serbien – Landwirtschaftsprivatisierung nach NATO-Bomben

Ein Viertel der Bevölkerung arbeitet in der Landwirtschaft. Von den 780.000 bäuerlichen Betrieben in Serbien hat ein Fünftel weniger als zwei Hektar Land. Kombinate bewirtschaften 800.000 ha Ackerland. 
Nach den NATO-Bombardements 1999 und dem darauf folgenden prowestlichen „Regime-Change“ wurden ab dem Jahr 2000 253 Agrarunternehmen privatisiert und im Zuge dessen 65.000 ArbeiterInnen entlassen. In- und ausländische GroßinvestorInnen eigneten sich in der Zeit der Privatisierung große Flächen Land an. Bis 2009 wurden 12,2 Milliarden Euro direkt in Serbien investiert, was dazu führte, dass 2010 rund 800 Unternehmen mit ausländischer Beteiligung in Serbien registriert waren. Österreich ist in Serbien mit 2,8 Mrd. Euro und 400 vertretenen Firmen größter ausländischer Investor.
In Serbien wird das Verbot, Agrarland an ausländische InvestorInnen zu verkaufen, umgangen, indem man Unternehmen als serbische Firmen registriert und in Folge deren Kapital in privatisierte Agrarunternehmen investiert. In manchen Fällen versuchten Zusammenschlüsse von KleinbäuerInnen im Wettbewerb gegen GroßgrundbesitzerInnen standzuhalten und Staatsland selbst zu pachten; das hat zu Konflikten bei öffentlichen Auktionen geführt. Im Herbst 2017 - vier Jahre nach Inkrafttreten des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit der EU - wird es ausländischen InvestorInnen offiziell erlaubt sein, Land zu erwerben. Damit droht ein weiterer Schub in Richtung Landgrabbing.

Rumänien – Ausverkauf und Abholzung

HolzraubBeim EU-Beitritt musste sich Rumänien verpflichten, 2014 seinen Bodenmarkt zu liberalisieren. Ausländische InvestorInnen haben ein begehrliches Auge auf die wertvollen Schwarzerdeböden geworfen. Seit 2014 erfolgt der Ausverkauf im Eilzugstempo. 
Nirgendwo in der EU ist der Anteil ausländischen Eigentums an Ackerböden so hoch wie in Rumänien – 800.000 Hektar (ha) bzw. 8,5 Prozent der gesamten Landwirtschaftsfläche – eine Fläche größer als das Bundesland Salzburg - sind in den Händen transnationaler Konzerne aus Österreich, Belize, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Libanon, Luxemburg, Portugal, Spanien, Schweiz und den USA. Motive für Landaneignungen sind vielfältig: Landwirtschaft, Bergbau, Holzwirtschaft, Energiegewinnung, Tourismus, Wasserressourcen oder pure Spekulation. Die Produkte, die von der Agroindustrie meist auf intensiv genutzte landwirtschaftliche Flächen angebaut werden, gehen großteils in den Export. Die GroßgrundbesitzerInnen profitieren von billigen Arbeitskräften und EU-Agrarsubventionen (2012 wurde die Hälfte der Agrarförderung in Rumänien von einem Prozent der Höfe bezogen, die je über 500 ha groß sind) und fruchtbaren preisgünstigen Böden.
Vor 10 Jahren betrugen die Bodenpreise noch in etwa € 500 je ha. Diese stiegen seither um jährlich 40 Prozent und liegen heute in Rumänien zwischen € 2.500 und € 10.000 je Hektar.
Lokale KleinbäuerInnen können sich Böden zu diesen Preisen kaum leisten und so verkaufen viele ihr Land. Laut einer Studie des „Romanian Center for Economic Policies“ (CEROPE) werden in Rumänien bis zum Jahr 2020 die Hälfte der ca. 2 Millionen Subsistenzlandwirte ihre Betriebe aufgeben und sich andere Erwerbsquellen suchen müssen, wegen der „zunehmenden Unergiebigkeit“ der Agrarproduktion dieser Höfe auf ihren Kleinstflächen. Um der Armutsfalle zu entkommen, werden wohl viele – wie schon unzählige vor ihnen - auf Feldern westeuropäischer Großbauern als schlecht(est) bezahlte ErntehelferInnen arbeiten.

Auch Österreichs InvestorInnen sind in großem Stil dabei. Die Bardeau Holding hat seit 2001 insgesamt 21.000ha erworben und ist mittlerweile laut Landmatrix der viertgrößte ausländische Investor in Rumänien. 

Besonders dramatisch ist die zunehmende Abholzung der Karpatenwälder. Jede Stunde verschwindet in Rumänien Wald in der Größe von sechs Fußballfeldern durch illegale Schlägerungen, im Jahr entspricht das einer Fläche von der Größe Wiens. Die illegal abgeholzten Parzellen betrugen laut einem Bericht des rumänischen Rechnungshofs seit der Wende fast 400.000 Hektar, das sind rund sechs Prozent der gesamten Waldfläche des Landes. Konzerne wie das österreichische Holzunternehmen Schweighofer stehen im Verdacht, damit gute Geschäfte zu machen, weil es als Marktführer die Bedingungen diktiert.

Die Regierung in Bukarest möchte diesem Raubbau mit einem Gesetz einen Riegel vorschieben, der für die Ausweitung der Geschäftstätigkeit in der Holzproduktion pro Unternehmen auf 30% beschränkt. Gegen dieses Gesetz plant Schweighofer zu klagen, der bereits 27% kontrolliert und neue Sägewerke reöffnen will. Firmenchef Schweighofer vertritt die Ansicht, die vorgesehene rumänische Gesetzesänderung verletze „fundamental den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ bzw. ein zwischen Österreich und Rumänien in den 90er Jahren abgeschlossenes Investitionsschutzabkommen.

Aggressives Freihandelsregime fördert Landraub

Gesunder Boden ist knapp. Weltweit sind nur 12 Prozent der Erdoberfläche als Ackerflächen geeignet. Auf diesen Flächen herrscht Konkurrenz zwischen Nahrungsmitteln, Futtermitteln und Pflanzen für Biotreibstoffe. Das Subventionsregime der „Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP)“ fördert zunehmende Landkonzentration sowie die industrielle landwirtschaftliche Nutzung des Bodens, die hohen Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden braucht und in Folge die natürliche Bodenfruchtbarkeit zerstört. Das aggressive Freihandelsregime der EU, das auch vor offener Gewalt und Umstürzen nicht zurückscheut, ermöglicht Großkonzernen Landgrabbing im großen Stil. Wachsen oder Weichen wird zum alles bestimmenden Gesetz im Agrarbereich.

Doch intakte Böden sind mehr als Ackerland. Sie sind Lebensraum für Tiere, Pflanzen, Pilze und Mikroorgansimen, physikalische chemische Filter, die unser Grundwasser schützen, Hochwasserschutz, ... Landnahme in anderen Ländern ist also überaus kurzsichtig, aber vor allem eine Gefahr für Menschen, Umwelt und alle Lebewesen. Wir graben uns selber den Boden ab. Laut einer aktuellen UN-Studie werden in den nächsten zehn Jahren weltweit 50 Millionen Menschen ihre Heimat verlassen müssen, weil die zerstörten Böden sie nicht mehr ernähren können. 

Es ist nötig nachhaltige Strukturen, kleinbäu,erliche Betriebe, die bereits jetzt 70% der Weltbevölkerung ernähren, zu fördern und damit den Menschen ihr Überleben zu sichern. Kein weiterer Raubbau, wie er u.a. durch Flächenförderung der GAP forciert wird. Und schon gar nicht darf Boden Spekulationsobjekt sein! Vor allem aber braucht es einen politischen Rahmen, der diese Veränderung ermöglicht. In einem neoliberalen Konkurrenzregime wie der EU profitieren die großen Konzerne - Kleinbetriebe und KleinbäuerInnen hingegen sind gezwungen  zu weichen.

Eveline Steinbacher

(Dezember 2016)