Landraub karteLandraub, Landgrabbing, Landnahme, meint die großflächige Aneignung von fruchtbaren Böden in den Ländern Afrikas, Asiens und Südamerikas durch Banken, Pensions- und Investmentfonds, Regierungen, Großkonzernen aus Industrie- und Schwellenländern. Laut Landmatrix sind bereits über 44 Mio. Hektar (ha), etwa eine Fläche so groß wie Spanien und Portugal zusammen, davon betroffen. Aus Spekulationsgründen, zur Nahrungs- und Futtermittelproduktion, zur Energiegewinnung werden Megadeals mit Regierungen abgeschlossen. 

Für einige Euro im Jahr werden Riesenflächen für 50 – 100 Jahre verpachtet bzw. verkauft. Die Erträge werden laut einer Oxfam-Studie zu mehr als 99% exportiert. Landnahmen haben eine Vielzahl negativer Folgen für Klima, Umwelt, Menschenrechte und lokale Ernährungssicherheit. Durch die großflächige Rodung von Regenwäldern geht wertvoller Co2 Speicher verloren, und Böden und Wasser werden durch eingesetzte Pestizide vergiftet. Es kommt zur Vertreibung und Enteignung der lokal ansässigen BäuerInnen, HirtInnen, FischerInnen und indigene Gemeinschaften vor Ort, die den Zugang zu Land, Wasser, Weideflächen, Fischgründen und Wäldern, kurz ihre Lebensgrundlage verlieren. Die EU ist der weltweit größte Importeur von Lebensmitteln. Fast 60 Prozent der Fläche, die die EU für den Konsum land- und forstwirtschaftlicher Produkte verbraucht, liegt außerhalb der Grenzen Europas. Handels- und Freihandelsverträge der EU fördern den Trend zu Landgrabbing. Hier ein paar Beispiele aus Afrika, Asien und Südamerika.

Äthiopien

Seit Jahrzehnten sind Millionen von Menschen selbst in guten Erntejahren auf Nahrungsmittelhilfen hauptsächlich aus dem Ausland angewiesen. 46% leiden an Unterernährung. Trotzdem hat die Regierung fruchtbarstes Land ausländischen Investoren zu günstigsten Konditionen verpachtet. 114 Firmen pachten derzeit über 3,2 Millionen Hektar (ha) Land - eine Fläche 3x so groß wie Oberösterreich. Wie günstig Boden hier ist zeigt das Beispiel der Region Gambela:  Investoren erhalten Land für Zuckeranbau um 6 Dollar pro Hektar, inklusive 7 Jahre Steuerbefreiung, kostenloses Wasser und garantierte Niedrigstlöhne. „Ich habe noch nie von dem Gemüse gegessen, das ist streng verboten“, erzählt eine in einem Agrarunternehmen arbeitende Mutter. Mit ihrem Monatslohn von 24 Euro kann sie zum Essen nur Mais für sich und ihre Kinder kaufen. Für mehr reicht der Lohn nicht. Das angebaute Gemüse ist für die Zahlungskräftige Klientel im nahen Osten bestimmt.
Zur Lebensmittel- bzw. für Biosprit produktion sind auch Investoren aus der EU (Deutschland, Dänemark, Großbritannien, Italien, Lichtenstein, Niederlande, Österreich) am Landgrabbing beteiligt. Sie bauen: Jatropha, Wunderbaum, Blumen, Zuckerrohr, Zuckerrüben, Mais, Reis, Gemüse, Kaffee, Tee, Getreide, Baumwolle u.a. an. Aus Österreich baut die Mima Holding GmbH auf 20.000 Hektar (ha) Alfalfa an, das als Viehfutter aber als Lebensmittel Verwendung findet.

Mosambik

Über die Hälfte der Menschen lebt in Mosambik von Subsistenzwirtschaft. Chronischer Hunger bestimmt den Alltag von Millionen. Trotz neuer Landgesetze, die das Recht auf Land schützen sollten, handelt die Regierung mit ausländischen Investoren undurchsichtige Landdeals in enormem Umfang aus. Regierungsvertreter in Mosambik berichten, dass Biokraftstoffkonzerne sich um die Rechte von 4.8 Millionen Hektar beworben hätten –einem Siebtel des in Mosambik verfügbaren Ackerlandes.
Wie die NPO GRAIN berichtet werde Mosambikanern weisgemacht, dass die Projekte der Entwicklung förderlich seien. Doch Caesar Guebuza und andere Bauern wissen aus Erfahrung, dass das nicht stimmt. „Agrarinvestitionen ausländischer Unternehmen nützen uns gar nichts, sondern bringen uns um unser Land“, sagt er.
Über den Tisch gezogen fühlen sich die Bewohner von Nataleia nach ihrem Vertragsabschluss mit dem niederländischen Konzern DADTCO. „Sie haben uns einfach auf der Ernte sitzen gelassen. Dabei haben sie uns ihr Wort gegeben. DADTCO hat versichert, uns technisch und landwirtschaftlich zu beraten. Und natürlich sollte der gesamte Maniok gekauft werden. Nichts davon ist passiert! Aber wir werden uns von DADTCO nicht über den Tisch ziehen lassen – denn von der Nutzung unseres Landes hängt das Leben unserer Familien ab.” – Zitat des José Maria Napita, ein von diesem Landgrabbing betroffener Landwirt.

Brasilien

Brasilien unterzeichnete bilaterale Abkommen zur Entwicklung von Agrartreibstoffen mit Deutschland, Schweden, den Niederlanden, Dänemark, Frankreich, Italien und Großbritannien.
Die DeAWM (ehm. DWS) und Allianz investieren z.B. in den brasilianischen Zucker- und Ethanolproduzenten Cosan, oder den Agrarkonzern SLC Agrícola. Letzterer baut bereits auf über 223.000 Hektar (ha) Soja, Baumwolle und Mais an und will weiter expandieren. Insgesamt sind ca. 2,8 Mio. ha Land in Brasilien von Landgrabbing betroffen, eine Fläche wie Steiermark und Oberösterreich zusammen.
In Brasilien besitzen 0,03% der Bevölkerung 45 % der Anbauflächen, während fünf Millionen Familien völlig besitzlos sind. In den letzten 15 Jahren wurden aufgrund des kommerziellen Anbaus von Zuckerrohr ca. 35.000 Familien von ihrem Land vertrieben, wodurch 150.000 Menschen ihre Existenzgrundlage verloren.
Die erhöhte Nachfrage auch aus der EU nach Soja führt zur Ausweitung des Sojaanbaus, der ist in Brasilien häufig begleitet von Gewalt, wie Vertreibung, Mord und Mordversuchen, Todesdrohungen oder Folter (Sojacoalitie 2008a). Für die körperlich harte Arbeit beim Anlegen einer Sojaplantage oder für Ausbringung von Pestiziden werden SklavInnen eingesetzt! Die Europäische Union als größter Nachfrager von Soja, mit 41 Mio. Tonnen, ist dafür mitverantwortlich.

Indonesien/Malaysia

Im größten palmölexportierenden Land, Indonesien, stehen auf insgesamt 9,5 Millionen Hektar (ha) und in Malaysia auf rund 5 Mio. ha Land riesige Palmöl-Plantagen - dort wo vorher Regenwald war. Und die Plantagen expandieren wegen der steigenden Nachfrage nach Palmöl - auch in Europa. Allein Indonesien verlor dadurch von 2009 bis 2011 ca. 1.240.000 ha Boden. 100 der 216 Millionen EinwohnerInnen, die überwiegend von der Nutzung des Waldes leben, sind durch diese Boom in ihrer Existenz bedroht.
Britische und Belgische Konzerne investieren hier in Land für Agrarprodukte. Auch der RCM Global Agricultural Trends, der Fonds der Allianz z.B. in den Palmöl- und Agrospritproduzenten Wilmar aus Singapur, zu dessen Großaktionären skandinavische Pensionsfonds ebenso gehören wir die Deutsche Bank. Wilmar das Palmölplantagen in Indonesien und Malaysia besitzt wird vorgeworfen, in Indonesien illegale Brandrodungen durchzuführen und traditionelle Landrechte zu verletzten.

Kambodscha

Seit 2009 ermöglicht die EU zollfreie Zuckerimporte aus den ärmsten Ländern der Welt (Least Developed Countries – LDC), zu Bestpreisen und ohne Mengenbeschränkung mit der Initiaitve „Alles außer Waffen“ (Everything but Arms – EBA).  Was zunächst positiv klingt hat in Kamboscha fatale Folgen.
So ermöglichte EBA den Landraub u.a. durch den kambodschanischen Geschäftsmann und Senator Ly Yong Phat, der Zucker für den Export in die EU produzieren lässt. Trotz eines nationalen Gesetzes, das die Größe von Landkonzessionen auf 10.000 Hektar begrenzt, konnte Ly Yong Phat mehr als 60.000 ha Land als Eigentümer oder Anteilseigner erwerben. 12.000 Menschen wurden dafür unter Drohungen und Gewaltanwendung von ihrem Land vertrieben. Sogar von jenen (über 400!) die ihren Anspruch auf das Land mit Dokumenten nachweisen konnten. Ein Mitarbeiter von Ly Yong Phat räumte ein, dass die Zuckerrohrproduktion ohne die EBA-Initiative keine attraktive Investition wäre. Trotz dieser klaren Rechtsverstöße und Menschenrechtsverletzungen weigert sich die EU bis heute, diese Initiative mit Kambodscha auszusetzen.

Landraub karteKommentar

Jedes Jahr gehen weltweit etwa zehn Millionen Hektar Agrarfläche durch Erosion aufgrund industrieller Landwirtschaft verloren. Allein in Österreich 22ha täglich. Zusätzlich verbauen und betonieren wir jedes Jahr weltweit drei Millionen Hektar (ha). Ausgeglichen wird dieser Ackerverlust durch Erwerb von günstigem Boden in ärmeren Ländern – durch Landgrabbing.

Landgrabbing führt dazu, dass riesige Flächen in Monokultur für die Agroindustrie bebaut werden, die durch ihren hohen Dünger und Pestizideinsatz Umwelt- und Klima schädigt, und einen Verlust an Biodiversität nach sich zieht. Außerdem werden dafür oft Menschen von ihrem Grund und Boden vertrieben, mit Gewalt bedroht und ihnen ihre Lebensgrundlage geraubt. Was sind die Alternativen? Statt unseren steigenden Bedarf an Agrarflächen in anderen Ländern, ja Kontinenten zu decken, könnten wir unseren Verbrauch senken, in dem wir weniger Fett konsumieren, bewusster mit Lebensmitteln umgehen, umsteigen auf Transportmittel die einen geringen Energieverbrauch haben, ökologischen nachhaltigen Landbau forcieren, und und ... aber vor allem müssen wir um Rahmenbedingungen ringen, die umweltfreundliche, regionale, kleinbäuerlich strukturierte Landwirtschaft und Ernährungssouveränität fördern. Ganz wesentlich dafür ist der Widerstand gegen EU-Freihandelsverträge vor allem mit den Ländern des Südens und Ostens, z.B. EPA. Vor allem dürfen wir nicht vergessen: Die EU-Verträge selbst sind neoliberale Freihandelsverträge, die in der Landwirtschaft zu einem brutalen „Wachsen oder Weichen“ führen, die das Entstehen riesiger europäischer Agrarkonzerne fördert und auch in Europa Landgrabbing anheizen. Wer über ökologische und soziale Alternativen zum Landgrabbing redet, darf vom Ausstieg aus diesen Verträgen nicht schweigen. Denn das ist die Voraussetzung, um zu „Fairhandelsverträgen“ auf Augenhöhe zwischen den Ländern zu kommen.

Eveline Steinbacher