Wir dürfen angesichts des Schrammens am 1,5-Grad Ziel nicht in Schockstarre verfallen, alle Handlungsmöglichkeiten müssen genützt werden.
Im vergangenen Jahr, 2023, überschritt die globale Durchschnittstemperatur an einem Drittel der Tage im Jahr die Marke von plus 1,5 Grad Celsius im Vergleich zu vorindustriellen Temperaturen. Das sind so viele Tage wie nie zuvor. Das 1,5-Grad-Ziel aus dem Pariser Abkommen sieht vor, dass bis zum Jahr 2100 die Durchschnittstemperatur nicht mehr als 1,5 Grad gestiegen sein wird. Die Tatsache, dass es jetzt schon so viele einzelne Tage gibt, an denen die Durchschnittstemperatur höher war, zeigt, wie nahe wir diesem Limit schon gekommen sind. Das sollte eine Warnung sein. Denn das irreversible Schmelzen des Grönland- und Antarktis-Eises kann zwischen 1,5 und 2 Grad bereits ausgelöst werden. Eine Begrenzung auf 1,5 Grad würde bedeuten, dass es zumindest langsamer von statten geht und die Bewohner:innen sich anpassen können. Auch in Österreich waren die Folgen des heißen Jahres 2023 zu spüren. Bekanntermaßen haben Extremwetterereignisse hier wie auch an verschiedenen Orten der Welt zugenommen und viele Bilder von Katastrophen sind noch in Erinnerung.
Was bedeutet das für die Klimabewegung?
Gleichzeitig ist heuer in vielen Ländern der fünfte Jahrestag des Schulstreiks für das Klima von Fridays for Future. Das Schrammen am 1,5-Grad-Ziel ist eine Verunsicherung. Doch es gilt immer noch die Feststellung der von FFF Deutschland in Auftrag gegebenen Studie des Wuppertal-Instituts: „Ist [der gesellschaftliche und politische Wille] gegeben, stehen der Zielerreichung keine unüberwindbaren Hindernisse entgegen“. Die Emissionen müssen jedenfalls ab sofort stark sinken. Darüber hinaus muss beachtet werden, dass das 1,5-Grad-Ziel eine normative Festlegung ist, die sehr sinnvoll ist, deren (kurz- oder längerfristiges Überschreiten) jedoch nicht bedeutet, dass es keine Einflussmöglichkeiten mehr gibt oder „der Klimaschutz gescheitert“ wäre. Jedenfalls ist klar, dass jedes Zehntelgrad an Überschreitung mit erheblichen Risiken einhergeht. Das besagt jedoch nur – wie bisher –, dass weiterhin konsequent gehandelt werden muss. Es ist wahrscheinlich, dass es in den nächsten fünf oder zehn Jahren ein Jahr geben wird, in dem die 1,5 Grad permanent überschritten werden. Jim Skea, Vorsitzender des IPCC: „Die Welt wird gefährlicher, aber es ist nicht das Ende“. Hoffnung gibt auch, dass ihm zufolge erneuerbare Energien effizienter werden; man dürfe nicht in „Schockstarre“ verfallen, sondern müsse immer die Handlungsmöglichkeiten sehen.
Hoffnung auf Veränderung
Wissenschaftler:innen betonen: Schnelles Handeln kann die Erwärmung deutlich bremsen und das Risiko des Überschreitens von Kipppunkten reduzieren. Einen wenn auch leichten Fortschritt bei der prognostizierten zukünftigen Erwärmung gab es. Das zeigt deutlich: Politische und strukturelle Veränderungen haben einen Einfluss. Klimaaktivismus hat einen Einfluss. Nach wie vor, und trotz Repression in vielen Staaten, gibt es Initiativen und Organisationen, die ihre Arbeit fortführen, sich vernetzen und wachsen. Die vielfältigen regionalen Probleme haben verschiedene Formen des Widerstandes hervorgebracht. Auch in besonders betroffenen Gegenden wie Uganda, Bangladesch etc. trifft dies zu. In Bangladesch etwa gab es etwa Proteste gegen das „Rampal-Kraftwerk“, ein neues Kohlekraftwerk. Während die Regierung dem Klimaaktivismus in den sozialen Medien aus vollem Hals zustimmte, wurden Kritiker:innen dieses Bauvorhabens bedroht.
Dies zeigt – und daraus kann man sich auch in Österreich ein Beispiel nehmen – die Relevanz konkreter Aktionen. Das hoffnungsstiftende Moment ist: sie werden überall auf der Welt fortgeführt. Keinesfalls jedoch darf man der herrschenden Politik den Gefallen zu tun, entweder zu behaupten, dass Klimaschutz mit dem vermeintlichen Fallen des 1,5-Grad-Zieles nicht machbar sei oder dass ohnehin noch genug Budget bis zum Erreichen der zwei Grad bestehen würde. Mehr denn je gilt, dass alles sinnvoll Machbare getan werden muss und der Druck von konkreten Aktionen dahingehend hilft.
Andreas Schütz