In den vergangenen Jahren tauchte der Begriff „Insektensterben“ immer häufiger in verschiedenen Medien und Politik auf, mit all den negativen Konsequenzen, vor denen gewarnt wird – und nicht unbegründet. Ein Beitrag von Anna Geisler.


Sehr klein und manchmal ärgerlich, aber dennoch sehr wichtig für uns und andere Lebewesen.

Als Bestäuber von Wild - aber auch für uns wichtigen Nutzpflanzen spielen Insekten für uns bekannter Weise eine überlebenswichtige Rolle. Aber auch für das weitere Nahrungsnetz sind sie von großer Bedeutung, da beispielsweise viele Vogelarten von der Abundanz der Insekten abhängig sind. Aktuelle Erkenntnisse zeigen aber, dass es sowohl in der Biomasse, als auch in der Vielfalt der Insektenarten einen deutlichen, kontinuierlichen Rückgang gibt.

Aktuelle Erkenntnisse

Eine Studie des entomologischen Vereins Krefeld schlug kürzlich besonders hohe Wellen. Bis zu 80% Verlust an Insekten zwischen 1989 und 2014 konnten festgestellt werden. Gemessen wurde dabei die Biomasse an Insekten, d.h. das Gewicht der gefangenen Insekten, nicht aber die Diversität. Obwohl das über die Artenvielfalt selbst noch nicht viel aussagt, ist der Verlust von der Menge an Insekten beachtlich.

Seite 11 Grafik Insektensterben

Auch wenn diese Studie einiger Kritik aufgrund der nicht kontinuierlichen Beobachtungen der Untersuchungsstandorte unterlag, so zeigen ähnliche Untersuchungen kein unähnliches Gesamtbild. Die meisten Untersuchungen drehen sich um Laufkäfern, Tagfaltern, Schwebfliegen, Honigbiene und Wildbienen. Ausreichend untersucht sind sie deshalb noch nicht. Die vorhandenen Daten zeigen in allen Fällen einen deutlichen Rückgang, besonders unter bereits gefährdeten Arten und unter Arten, die auf einzelne Habitate spezialisiert sind. Durch den menschlichen Einfluss auf das Landschaftsbild gibt es auch einige Gewinner unter den Insektenarten, die sich an der homogenisierten Landschaft erfreuen und denen es ein Leichtes ist, ihre Mitstreiter zu verdrängen. Arten, die sich mit dem zufrieden geben, was nach der Homogenisierung und Versiegelung, noch bleibt, sogenannte Nahrungsspezialisten, steigen in ihrer Abundanz, während andere zum Teil stark vom Aussterben bedroht sind.

Fast 50% der für die Bestäubung wichtigen Insektenarten sind in ihrem Bestand gefährdet. Das betrifft Wildpflanzenbestäuber noch mehr als jene für Nutzpflanzen.

Der Rothamsted-Studie liegen Daten aus 19 verschiedenen europäischen Ländern zu Grunde. Untersucht wurden 17 Arten, von denen 8 zurückgegangen sind. Insgesamt sind die Bestände um die Hälfte gesunken.

Aus anthropozentrischer Sicht, sind diese Tendenzen besorgniserregend, denn sowohl die Wirtschaft ist von ausreichend Bestäubern abhängig, wie auch die Gesellschaft. Forscher haben errechnet, dass der wirtschaftliche Verlust sich auf 153 Milliarden Euro weltweit im Jahr belaufen würde, käme es zu einem Ausfall an bestäubenden Insekten. Die Versorgung mit Obst und Gemüse wäre ebenfalls gefährdet.

Inzwischen ist auch allmählich bekannt, dass nicht nur Honigbienen ihren Teil dazu beitragen, sondern dass auch Insektenfamilien der Schmetterlinge, Wildbienen und Schwebfliegen diesbezüglich unerlässlich sind. Aus diesem Grund spezialisiert sich viel Forschung auf die entsprechenden Arten.

Man scheint sich dennoch uneinig zu sein, ob Honigbienen oder Wildbienen die bedeutenderen Pflanzenbestäuber sind. Aber da unterschiedliche Insektenarten oft unterschiedliche Präferenzen darin haben, welche Blumen angeflogen werden, ist es ratsam auf den Schutz aller bedeutenden Bestäuber Wert zu legen.

Was sind die Ursachen?

Die Ursachen für das großflächige Insektensterben sind teilweise zusammenhängend. Gemeinsamer Nenner vieler Beobachtungen und Studien ist, dass es sich bei der intensivierten Landwirtschaft um einen Hauptfaktor für den Rückgang an Diversität handelt. Flächen sind zunehmend homogenisiert worden - die kleinräumige Landwirtschaft, die ein Mosaik an verschiedenen Lebensraumtypen bildeten gibt es kaum noch. Die Habitate, die für bestimmte Insektenarten also von Bedeutung sind, werden weiter zurückgedrängt. Vielfalt in landschaftlichen Strukturen zieht auch eine Vielfalt an Lebewesen mit sich.

Pestizide zur Schädlingsbekämpfung gehören ebenfalls zu den wesentlichen Einflussfaktoren, die mit der Homogenisierung Hand in Hand gehen. Denn um den Ertrag zu steigern, insbesondere im Futtermittelanbau für Tiere, müssen Schädlinge minimiert werden. Dass dadurch auch andere Insekten zu Schaden kommen, ist unausweichlich. In manchen Fällen dient Schädlingsbekämpfung sogar den eigentlichen Schädlingen, indem es Arten auslöscht, die auf natürliche Weise Schädlinge kontrollieren (z.B. Schlupfwespen).

Weitere Gründe für die abnehmende Zahl an Insekten sind die Versiegelung des Bodens, die Fragmentierung des Lebensraumes durch Straßenbau und nicht zuletzt auch der Klimawandel. Es gibt Spezialisten unter den Insekten, die als Lebensraum Refugien benötigen, die aus der Eiszeit noch übrig geblieben sind, sogenannte Kälteinseln. Durch die stetige Erwärmung aber gehen diese nach und nach verloren.

Entwicklung und Maßnahmen

Die Wichtigkeit vom Schutz der Insektenarten wurde erst seit kurzem erkannt. Zu Beginn beklagten Imker den Rückgang an Bienenpflanzen, da es zu immer mehr wirtschaftlichen Verlusten kam. Auch dann war es bereits auf Luftschadstoffe, Pestizide und Verbreitung von Krankheitserregern zurückzuführen. Andere Insektenarten wurde nicht von Anfang an Beachtung geschenkt – höchstens unter Sammlern.

Interesse galt eher der Ornithologie, doch da auch Vogelbestände vom Rückgang der Insekten betroffen sind, wurde solchen ökologischen Zusammenhängen zunehmend Beachtung geschenkt.

Entomologen kritisierten früh den steigenden Einsatz an Pestiziden, wie zB das Insektizid DDT, das auch anderen Tieren erheblich schadete. Aktuell standen Neonicotinoide zur Debatte, da sie verschiedene Insektenarten lähmen und töten können, nicht nur jene, die für die Landwirtschaft schädlich sind. Ende dieses Jahres soll ein Verbot auch endlich umgesetzt werden.

Neben allen negativen Auswüchsen durch menschliches Handeln, gibt es auch durchaus positive Entwicklungen. Neben politischen Entscheidungen, werden zum Teil auch Übereinkünfte mit Bauern getroffen, damit diese beispielsweise ausgewählte Flächen weniger oft bzw. zu einem späteren Zeitpunkt mähen oder wichtige Landschaftskorridore wie Hecken, Steinmauern u.ä. beibehalten, da auch diese wichtige Lebensräume für Insekten bieten.

Von den bekannten Ursachen müssen alle minimiert werden, um die Vielfalt an Insekten und somit auch Vielfalt an Lebewesen, die von ihnen abhängen, gewährleisten zu können.

Weitere Datenaufnahmen und Langzeitmonitoring an verschiedenen Standorten wird dazu auf weiterhin notwendig sein. Aber es gibt auch Dinge, die jede_r einzelne ohne viel Aufwand unternehmen kann. Besonders für begeisterte Gärtner_innen gilt es, im eigenen Garten/Balkon eine Auswahl an verschiedenen Blumen anzubieten, die Bestäubern zu Gute kommen. Auch Nisthilfen können schnell gebaut oder gekauft werden. Eine Anleitung dazu findet man zum Beispiel auf der Seite des Naturschutzbundes. Um Raupen ausreichend Nahrung zur Verfügung zu stellen, kann auch die eine oder andere Brennnessel, die bei vielen Falterraupen beliebt ist, stehen gelassen werden.

Nicht zuletzt spielt es auch eine wesentliche Rolle, was wir konsumieren. Der Produktionsweg tierischer Lebensmittel schließt mit ein, dass große Mengen an Kraftfutter verfüttert werden müssen. Dieses stammt aus riesigen Monokulturen, die mit Pestiziden behandelt werden, um den Ertrag zu gewährleisten. Ähnliches gilt auch für nicht-biologisch produzierte Nahrungsmittel. Wer auf eine pflanzlich-biologische Ernährung achtet, nimmt zumindest weniger Pestizideinsatz in Kauf. Auch urban-gardening wird aus diesem Grunde immer beliebter. Es kann sehr einfach sein, mit kleinen Schritten, positive Auswirkungen auf biologische Vielfalt zu haben.

Anna Geisler
(Juni 2018)