gentechnik gruene webIm Oktober 2015 kam es zu einer bemerkenswerten Abstimmung im EU-Parlament. Die EU-Kommission brachte einen Antrag ein, wonach die einzelnen EU-Staaten das Recht bekommen sollten, nationale Import- und Vermarktungsverbote für gentechnisch veränderte Organismen (GVO) zu erlassen – selbst wenn diese in der EU zugelassen sind. Das betrifft auch Österreich, denn nach Österreich werden jährlich hunderttausende Tonnen gentechnisch veränderte Futtermittel eingeführt. Bislang war es nicht möglich, den Import dieser GVO zu unterbinden, da dies ja den Regeln des „freien“ EU-Binnenmarktes widerspricht. Nichts wäre also naheliegender gewesen, als diese Gelegenheit zu ergreifen und damit die Tür für ein nationales Importverbote zu öffnen. 

Doch was passierte bei dieser denkwürdigen Abstimmung im EU-Parlament: Eine große Mehrheit lehnte die Möglichkeit für nationale Importverbote für Gentechnik ab. Und was noch frappanter ist: Nicht nur Konservative und Sozialdemokraten sondern auch die Grünen im EU-Parlament stimmten dagegen. Die fraktionsübergreifende Begründung: Nationale Importverbote würden dem EU-Binnenmarkt widersprechen. Lunacek: „In einem Binnenmarkt ist es unsinnig zu glauben, dass einzelne Mitgliedsstaaten den Import von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln überwachen könnten oder auch nur wollten. Deshalb gehen nationale Regelungen völlig an der Realität vorbei.“ (APA, 28.10.2015) Wie bitte? Wenn man nicht zu Grenzkontrollen bereit und fähig ist, dann löst sich die ganze Freihandelskritik in heiße Luft auf. Nationalstaatliche Regelungen wären eine riesige Chance, nein: die einzige reale Chance gewesen, Österreich gentechnikfrei zu machen und damit endlich die Forderungen des Gentechnik-Volksbegehrens umzusetzen, das über eine Millionen Menschen unterschrieben haben. Bis heute verhindert der EU-Binnenmarkt die Umsetzung der Forderungen dieses Volksbegehrens. Durch ein nationales Importverbote könnte Österreich eine Vorreiterrolle einnehmen und damit eine europaweite Dynamik in Gang bringen. Tatsächlich an der Realität geht vorbei, Gentechnikfreiheit auf europäischer Ebene erreichen zu wollen, wenn man nicht einmal zu nationalen Importverboten bereit ist. Gerade im Frühjahr wurden in der EU 19 zusätzliche GVO genehmigt, insgesamt sind damit im EU-Binnenmarkt 56 Gentechnik-Pflanzen zugelassen. 

Aber danke an Lunacek & Co für diese Klarstellung: Seit dem Jugoslawien-Krieg wissen wir, dass die grüne Parteiführung den Pazifismus an der Gardarobe abgibt, wenn es darum geht, für den EU-Binnenmarkt neue Territorien zu erobern. Seit dieser Abstimmung im EU-Parlament müssen wir davon ausgehen, dass den Spitzengrünen das EU-Binnenmarktshemd auch näher als das Ökomäntelchen ist.