Statt den Einsatz von Glyphosat endlich zu verbieten, beschließt die EU-Kommission die weitere Bewilligung bis 2023. Es scheint, die deutschen Lobbyisten für Glyphosat und Pestizide waren erfolgreich – Verlierer sind Klima, Umwelt und am Ende die Menschen und Lebewesen, die mit dem wahrscheinlich krebserregenden Gift in Berührung kommen bzw. sie über die Nahrung oder Flüssigkeiten aufnehmen. Dabei gibt es lebensfreundlichere Alternativen als Pestizide, um unliebsame Pflanzen zu entfernen.

Die Bewilligung für die Nutzung des umstrittenen Pestizids Glyphosat wurde auf EU-Ebene, am 15. Dezember, um ein Jahr bis 2023 verlängert - anders als bisher vorgesehen. Und das, obwohl das endgültige Gutachten der zuständigen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) erst im kommenden Jahr erwartet wird.

In Österreich beschloss der Nationalrat im Mai des Vorjahres einstimmig ein Teilverbot von Glyphosat. An sensiblen Orten wie Kinderspielplätzen, Parks sowie Einrichtungen der Altenbetreuung und Gesundheitseinrichtungen sowie im Haus- und Kleingartenbereich und private Verwendung darf es nicht mehr eingesetzt werden. In der Landwirtschaft, in der es hauptsächlich zum Einsatz kommt (ca. 90 Prozent), bleibt es aber erlaubt.

Konzerne lobbyieren in Brüssel …

Deutsche Unternehmen investieren hohe Summen, um die Politik auf EU-Ebene in ihrem Sinne zu beeinflussen. Der Agrokonzern Bayer gibt mit sieben Millionen Euro das meiste Geld dafür aus. Der Agrogroßkonzern, BASF, landet mit einem Etat von 3 bis 3,5 Millionen auf Platz zehn. (German foreign policy, 26.10.2022).

… von der Agrarstrategie bis zur Wasserrahmenrichtlinie

Der Bayer-Konzern beschäftigt in seinem Brüsseler „Verbindungsbüro“ laut EU-Transparenzregister 74 Vollzeit- oder Teilzeitkräfte. Fünfzehn von ihnen haben exklusiven Zutritt zum Europäischen Parlament. Seit November 2014 brachten sie es auf 41 Treffen mit EU-Kommissaren oder deren Kabinettsmitgliedern. Einflussarbeit betrieben die Lobbyisten dabei zu Themenfeldern wie dem Green Deal, der EU-Agrarstrategie „From Farm to Fork“ sowie den Aktionsplänen für eine Reform des Patentrechts und für eine Reduzierung der Verschmutzung von Wasser, Luft und Boden. Auch Gebiete wie die Gentechnik-regulierung sowie die Wasserrahmen-, die Trinkwasser- und die Chemikalienrichtlinie standen auf der Agenda. Zudem antichambrierte das Unternehmen zur Klimapolitik der EU und zum geplanten Freihandelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay.

Glyphosat und Pestizide

Einen Schwerpunkt der Bemühungen bildete die Pestizidregulierung der EU im Allgemeinen, und die des Herbizids Glyphosat im Besonderen. Allein die PR-Agentur Rud Pedersen erhielt nach Recherchen der NGO Coordination gegen BAYER-Gefahren 1,3 Millionen Euro, um im laufenden Verfahren für eine Verlängerung der Zulassung zu werben. Das Nachrichtenmedium Politico und das gleichfalls breit über die EU-Politik berichtende Internetmedium Euractiv werden ebenfalls mit hohen Summen gesponsert. Ein Übriges tun die europäischen Verbände der Agroriesen wie CropLife Europe oder Copa-Cogeca; sie gaben nicht weniger als fünf Studien zur Stützung der Positionen der Industrie in Auftrag.

Giftige Folgen

Die intensive Nutzung von Pestiziden gefährdet die Gesundheit von Menschen, Tiere, Pflanzen und Insekten, die mit dem wahrscheinlich krebserregenden Gift in Berührung kommen bzw. über die Nahrung aufnehmen. Die Pestizide gelangen über Grundwasser, Flüsse und Seen auch in unser Trinkwasser. Neben dem Verlust natürlicher Lebensräume, intensiver Landwirtschaft, Klimakrise und Lichtverschmutzung gilt die Pestizidbelastung außerdem als eine der Hauptursachen für das Insektensterben.

Glyphosat wird in Landwirtschaft, Gartenbau, Industrie und Privathaushalten eingesetzt. Alle damit behandelten Pflanzen sterben ab. Ausnahmen sind Pflanzen, die - gentechnisch verändert - eine Herbizidresistenz gegenüber Glyphosat haben. Das erfolgreiche Gentechnikfreiheit Volksbegehren wurde in Österreich 1997 von 1,2 Millionen Menschen unterschrieben. Ihm ist es zu verdanken, dass bei uns der Anbau von gentechnisch veränderten (GV-)Pflanzen verboten ist – nicht jedoch der Import von GV-Futtermitteln.

Es gibt Alternativen

Zum Schutz unser aller Gesundheit, der Biodiversität, der Umwelt brauchen wir sowohl ein österreichweites totales Anwendungs- als auch ein Importverbot von glyphosatbelasteten Futter- und Lebensmitteln. Es braucht ein Umdenken und Umhandeln sowie Förderungen für den Umstieg auf ökologische, biologische Landwirtschaft. Österreich hat mit seinen 23.691 bio-zertifizierten Landwirtschaftsbetrieben eine Vorreiterrolle und kann diese durch den Totalausstieg bei der Verwendung von Glyphosat und anderen Pestiziden unterstreichen, anstatt eines halbherzigen Verbots auf nur ca. 10 Prozent der Flächen. Es gibt umweltfreundliche Alternativen zu Glyphosat. Diese reichen von thermischer Behandlung, deutlich unbedenklicheren biologisch-chemischen Herbiziden bis hin zu mechanisch-technischen Alternativen und dem Anbau von Mischkulturen, die robuster gegenüber Schädlingen sind und die Nachteile von Monokulturen vermeiden (ausführlicher siehe https://www.global2000.at/glyphosat-alternativen).

Die Solidarwerkstatt Österreich erneuert Ihre Forderung an Parlament und Bundesregierung:

  • Verbot der Verwendung von Glyphosat auch in Österreichs Landwirtschaft
  • Unterstützung während der Übergangsphase
  • Importverbot von glyphosathaltigen Produkten und Futtermitteln

Eveline Steinbacher
(Werkstatt-Blatt 4/2022)