In Tateinheit mit der EU-Kommission hebelt die österreichische Regierung das vom Nationalrat 2019 beschlossene Totalverbot von Glyphosat aus. Mit dem im Mai 2021 beschlossenen Gesetz darf das Pflanzengift auf 90 Prozent der Flächen weiterhin versprüht werden.


Das im Mai 2021 im Nationalrat beschlossene Verbot des umstrittenen Pestizids Glyphosat gerät zur Farce, da dieses Verbot lediglich für die private Verwendung und an öffentlich genutzten Orten wie Parks, Sportflächen und Friedhöfen gilt. Dies betrifft gerade einmal 10 Prozent der Flächen, auf denen Glyphosat gespritzt wird. Wobei bereits vor diesem Teilverbot über 700 der 2095 österreichischen Gemeinden freiwillig kein Glyphosat mehr für Gemeindearbeiten einsetzten. Auf 90 Prozent, also dem größten Teil der Flächen - den land- und forstwirtschaftlich genutzten - darf das Pflanzengift aber weiterhin versprüht werden. Und dort wird mehr statt weniger verspritzt. Damit bleibt dieses Verbot weit hinter dem zurück, was der Nationalrat bereits zwei Mal beschlossen hatte, aber nicht zur Umsetzung gelangte. Es ist ein Beispiel dafür, wie in EU-Europa demokratische Entscheidungen von Parlamenten unterlaufen wurden.

Glyphosatverbot „im Rechtsverständnis der EU nicht zulässig“

Dazu ein kurzer Blick in die Geschichte: Nachdem der Nationalrat 2019 das Totalverbot beschlossen hatte, wurde die Umsetzung des Gesetzes zunächst durch die Regierung Bierlein verschleppt, indem sie einfach die Kundmachung des Gesetzes unterließ. Warum tat sie das? Weil die EU-Kommission etwas dagegen hatte. Genauer gesagt: Der Gesetzesbeschluss im österreichischen Parlament war nicht zuvor als Entwurf an die EU-Kommission rapportiert worden. Nachdem im Frühjahr 2020 schließlich das Gesetz nach Brüssel rapportiert wurde, kam von der EU-Kommission im August eine abschlägige Antwort: Das in Österreich per Gesetz geplante totale Verbot von Glyphosat in Pflanzenschutzmitteln sei nämlich mit dem geltenden EU-Recht nicht vereinbar: „Nationale Alleingänge bei der Zulassung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen“ seien „im Rechtsverständnis der EU nicht zulässig sind." Es seien "keine spezifisch österreichischen Probleme nachgewiesen worden, die ein Verbot von Glyphosat in Pflanzenschutzmitteln rechtfertigen würden“, so die EU-Kommission (zit. nach Standard, 19.8.2020).

Dass das österreichische Parlament 2019 mit Mehrheit das Glyphostverbot beschlossen hat und sich 93% der österreichischen Bevölkerung für ein solches aussprechen, spielt für die EU-Technokratie keine Rolle.

Statt Totalverbot: Glyphosat-Handel steigt

Eine Studie von Eurostat aus 2020 zeigt, dass in Österreich der Pestizid-Verbrauch von 2011 auf 2018 um 53 Prozent gestiegen ist.

Laut einer parlamentarischen Anfrage stieg 2019 der Verkauf des Bienen-schädlichen und krebserregenden Pflanzenschutzmittels um 10 Tonnen auf 252 Tonnen im Vergleich zu 2018. Statt weiter den Glyphosatverbrauch zu verringern, wie dies noch 2018 gegenüber 2017 gelungen war, geht es nun wieder in die falsche Richtung - zur Freude der Pestizidlobby.

Direkt betroffen bzw. ausgesetzt sind die AnwenderInnen von glyphosathaltigen Herbiziden, indirekt die KonsumentInnen durch ihre Einkäufe von mit Glyphosat behandelten Lebensmitteln. Laut Greenpeace kann in den Böden der landwirtschaftlichen Flächen Glyphosat und das wesentlich stabilere Abbauprodukt, AMPA (Aminomethylphosphonsäure) sowohl an Partikel gebunden als auch in das Grundwasser ausgewaschen werden. Durch abfließendes Wasser oder Drainagen gelangt das Gift in Gewässer. Glyphosat und seine Abbauprodukte finden sich auch in den produzierten Lebensmitteln (z.B. Bier, Brot) und über, oft auch importierte, Futtermittel in tierischen Produkten. Festgelegte Höchstmengen orientieren sich an der landwirtschaftlichen Praxis, nicht an einer möglichen gesundheitlichen Gefährdung von Mensch und Tier. In Österreich wurde in einem Test von Global 2000 in 30% der untersuchten Urinproben Glyphosat gefunden.

EU-Glyphosatzulassung vor Verlängerung

Auf EU-Ebene läuft die Genehmigung von Glyphosat Ende 2022 aus und soll, geht es nach dem Willen der Agrochemielobby, verlängert werden. Die sogenannte "Glyphosate Renewal Group", ein Zusammenschluss aus neun Glyphosat-Herstellern unter der Führung von Bayer, arbeitet bereits daran, dass das Pestizid auch über 2022 hinaus in der EU weiter verwendet werden darf - diesmal sollen es 15 Jahre sein, also voraussichtlich bis 2037. Das ist ein erneuter Angriff auf unsere Gesundheit.

Wohl nicht ganz zufällig wurde nun eine, von der EU-Kommission in Auftrag gegebene, Studie veröffentlicht, wonach Glyphosat die Zulassungskriterien für die menschliche Gesundheit bescheinigt werden. Die NGO Global 2000 bemängelt, dass für die neue Bewertung auf EU-Ebene keine neue und entlastende Krebsstudie vorgelegt worden sei. Grundlage seien "wissenschaftlich höchst umstrittene alten Herstellerstudien aus dem vergangenen Zulassungsverfahren". Die WHO stufte bereits 2015 Glyphosat als krebserregendes Pflanzengift ein.

Bayer-Monsanto zahlt

Dass Glyphosat doch nicht so unbedenklich sein kann, zeigen die Gerichtsurteile in den USA. Der deutsche Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer/Monsanto hat sich in den USA im Jahr 2020 mit einem Großteil der Kläger in Verfahren um Krebserkrankungen außergerichtlich geeinigt und dafür mehr als zehn Milliarden Euro bezahlt. Damit seien lt. Medienberichten etwa drei Viertel der insgesamt 125.000 eingereichten und drohenden Klagen vom Tisch. Der Agrarchemiekonzern Bayer hat zuletzt einem krebskranken amerikanischen Platzwart 20,5 Millionen US-Dollar Schadenersatz überwiesen.

Menschen die in Südamerika durch ihre Arbeit auf den Feldern - für Exportprodukte an reiche Länder – erkranken, haben die Möglichkeit zu Klagen oft nicht. Armut hält sie gefangen, aus der sie mit diesen schlecht bezahlten giftigen Jobs nicht entkommen und sich Gerichtsverfahren nicht leisten können.

Umdenken/Umhandeln beim Pestizideinsatz

Um unsere Gesundheit und die von anderen zu schützen, brauchen wir sowohl ein österreichweites Anwendungs- als auch ein Importverbot von glyphosatbelasteten Futter- und Lebensmitteln. Desweiteren braucht es ein Umdenken und Umhandeln beim Einsatz aller Pestizide. Wir müssen den Aus- und Umstieg fördern. Denn es gibt Alternativen. Österreich hat eine Vorreiterrolle bei ökologischer, biologischer, Landwirtschaft. Das ist die richtige Richtung und diese gehört gefördert. Österreich kann diese Rolle unterstreichen durch den Totalausstieg bei der Verwendung von Glyphosat und anderen Pestiziden sowohl bei der Produktion als auch beim Import, anstatt mit einem Teilverbot - das nur ca. 10 Prozent der Flächen, auf denen Glyphosat eingesetzt wird, betrifft - vor der Lobby der Agrar- und Chemiekonzerne auf die Knie zu gehen! Zum Schutz unser aller Gesundheit, der Biodiversität, der Umwelt und nicht zuletzt auch für den Klimaschutz und Lebensqualität – lassen wir uns von der EU und der Bundesregierung unsere Forderung nach Glyphosatverbot nicht aushebeln!

Die Solidarwerkstatt Österreich fordert deshalb von Parlament und Bundesregierung:
  • ein Verbot der Verwendung von Glyphosat auch in Österreichs Landwirtschaft
  • notwendige Unterstützung während der Übergangsphase
  • ein Importverbot von glyphosathaltigen Produkten und Futtermitteln

Eveline Steinbacher
(Juli 2021)

Quellen:

https://www.solidarwerkstatt.at/umwelt-energie/glyphosat-totalverbot-demokratische-entscheidung-endlich-umsetzen
https://www.derstandard.at/story/2000127504485/glyphosat-verbot-in-der-eu-fraglich-zulassung-laut-studie-moeglich
https://orf.at/stories/3213807/
https://www.sn.at/panorama/oesterreich/spoe-vermisst-gruene-politik-in-der-regierung-104783683
https://kontrast.at/koestinger-glyphosat/
https://glyphosat.greenpeace.at/glyphosat-gemeinde-check/?
https://glyphosat.greenpeace.at/oekologische-alternativen/
https://glyphosat.greenpeace.at/gefahr-glyphosat/
https://www.oekotest.de/freizeit-technik/Sechs-Dinge-die-Sie-gegen-Glyphosat-tun-koennen_10681_1.html
https://science.orf.at/stories/3205190/
https://www.keine-gentechnik.de/nachricht/34269/
https://www.oekotest.de/essen-trinken/Kichererbsen-Test-Glyphosat-ist-immer-noch-ein-Problem_11781_1.html