Die EU-Kommission hält das Österreichische Glyphosatverbot für unvereinbar mit den EU-Verträgen. Diese Bevormundung dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Die Solidarwerkstatt fordert die sofortige Umsetzung des Beschlusses des österreichischen Nationalrates - das Totalverbot des Pestizids Glyphosat.

Das Glyphosat-Verbot ist ein Musterbeispiel, wie die EU Demokratie und Umweltschutz unterläuft – in Tateinheit mit einer willfährigen österreichischen Regierung. Im Vorjahr beschloss das Parlament das Totalverbot von Glyphosat ab 1.1.2020. Doch die Interims-Bundeskanzlerin Bierlein weigerte sich, den Beschluss des Parlaments in Kraft zu setzen, indem sie einfach die Kundmachung des Gesetzes unterließ. Warum tat sie das? Weil die EU-Kommission etwas dagegen hatte. Genauer gesagt: Der Gesetzesbeschluss im österreichischen Parlament war nicht zuvor als Entwurf an die EU-Kommission rapportiert worden. Die gewählten Volksvertreter hatten doch glatt gewagt, wozu sie durch die österreichische Verfassung ermächtigt und verpflichtet sind: souverän Gesetze mit demokratischer Mehrheit zu beschließen.

EU-Kommission: "Nationale Alleingänge nicht zulässig"

Im Frühjahr 2020 wurde schließlich das Glyphosat-Verbot untertänigst der EU-Kommission zur Genehmigung vorgelegt. Im August kam die Antwort aus Brüssel: Das in Österreich per Gesetz geplante totale Verbot von Glyphosat in Pflanzenschutzmitteln ist mit dem geltenden EU-Recht nicht vereinbar. „Nationale Alleingänge bei der Zulassung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen“ seien „im Rechtsverständnis der EU nicht zulässig sind." Es seien "keine spezifisch österreichischen Probleme nachgewiesen worden, die ein Verbot von Glyphosat in Pflanzenschutzmitteln rechtfertigen würden“, so die EU-Kommission (zit. nach Standard, 19.8.2020)(1).

Glyphosat-Verbot muss umgesetzt werden!

Die ÖVP freut sich, dass mit Hilfe von Brüssel ein ihr unliebsames Gesetz versenkt werden kann, und die Grünen bringen – wen wundert das noch? - den Mund nicht auf. Die Umweltschutzorganisation Global 2000 versucht die EU-Entscheidung zu relativieren, da die EU-Kommission bloß eine „Bemerkung“ und keine „ausführliche Stellungnahme“ abgegeben habe. Deshalb sollte man halt doch das Glyphosatverbot umsetzen. Die Solidarwerkstatt ist der Überzeugung: Dieses Glyphosatverbot MUSS umgesetzt werden, weil es der Souverän – das österreichische Parlament – beschlossen hat. Es ist völlig unerheblich, ob die EU-Kommission eine „Bemerkung“, eine „ausführliche Stellungnahme“ oder sonst etwas von sich gibt, sie hat uns einfach nicht vorzuschreiben, wie wir in Österreich Landwirtschaft zu betreiben haben. Wir haben entschieden, Pestizide wie Glyphosat auf unserem Grund und Boden zu verbieten – wir sind nicht Knechte und Mägde der EU. Österreich muss souverän bestimmen können, was auf den Tellern der Österreicher und Österreicherinnen landet. Österreich hat den höchsten prozentuellen Anteil an landwirtschaftlichen Flächen in der EU und expandiert weiter. Eine gute, wichtige und richtige Entwicklung für die Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen und fürs Klima.

Dieses Verbot, Glyhposat in Österreich einzusetzen ist wichtig, aber nicht ausreichend. Unterbunden werden muss auch der Import von mit Glyphosat behandelten Futtermitteln bzw. von Tieren, die mit solchen Futtermitteln gemästet wurden.

Verlängerung der Zulassung – Angriff auf Gesundheit

Durch den EU-Entscheid von 2017 können multinationale Saatgut- und Pestizidkonzerne weitere 5 Jahre Milliarden mit Glyphosat scheffeln. Das ist ein Angriff auf unsere Gesundheit. Um unsere Gesundheit zu schützen brauchen wir sowohl ein österreichweites Anwendungs- als auch ein Importverbot.

Weltweit werden jährlich rund 850.000 Tonnen (t) des Pflanzengiftes Glyphosat verkauft. Im Jahr 2016 allein 312t für Österreichs Äcker, öffentliche Flächen und Kleingärten. Glyphosat wurde von Krebsforschungsagentur der WHO als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Pflanzenpathologin Arlene von Bruggen von der University of Florida kommt auf Basis von 220 Studien u.a. zu dem Fazit, dass Glyphosat das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer und Parkinson erhöht.

Der massive Einsatz von Pflanzengiften führt darüber hinaus zu einem Biodiversitätsverlust und ist genverändernd. Der Verlängerung der Erlaubnis Glyphosat weitere 5 Jahre bis 2022 einzusetzen und zu produzieren, ist vor diesem Hintergrund völlig verantwortungslos.

Der deutsche Pharma- und Agrarchemiekonzern Bayer, der den Glyphosat-Hersteller Monsanto um 63 Mrd. Dollar übernahm, hat sich in den USA im Jahr 2020 mit einem Großteil der Kläger in Verfahren um Krebserkrankungen außergerichtlich geeinigt und dafür mehr als zehn Milliarden Euro bezahlt. Damit seien lt. Medienberichten etwa drei Viertel der insgesamt 125.000 eingereichten und drohenden Klagen vom Tisch. Bislang hatte der Konzern drei Glyphosat-Prozesse in erster Instanz verloren.

Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung von 2017 Glyphosat weiter auf die Menschen loszulassen noch unverständlicher. Ein Schlem, der denkt, Gesundheit sei wichtiger als die Gewinnmargen der multinationalen Konzerne. Die sogenannte "Glyphosate Renewal Group", ein Zusammenschluss aus neun Glyphosat-Herstellern unter der Führung von Bayer, arbeitet bereits jetzt daran, dass das Pestizid auch über 2022 hinaus in der EU weiter verwendet werden darf. Sie haben einen Antrag auf Wiedergenehmigung von Glyphosat gestellt. Diesmal wollen sie eine Genehmigung für 15 Jahre, also voraussichtlich bis 2037 (2).

Gerade hier, aber nicht nur beim Thema „Wie betreiben wir Landwirtschaft in Österreich“ zeigt sich wie wichtig das Selbstbestimmungsrecht – Souveränität – eines Staates ist.

Österreich darf sich nicht zum Anhängsel dieser EU-Entscheidung von 2017 machen und sich auch nicht bei seiner Entscheidung eines Totalverbots von Glyphosat der EU unterwerfen, sondern muss im Gegenteil zum Vorreiter beim Totalausstieg bei der Verwendung von Glyphosat werden – sowohl bei der Produktion als auch beim Import! Zum Schutz unser aller Gesundheit, der Biodiversität, der Umwelt und nicht zuletzt auch für den Klimaschutz!

Wir fordern deshalb von Parlament und Bundesregierung:
  • ein Verbot der Verwendung von Glyphosat in Österreichs Landwirtschaft, öffentlichen Raum und auf privaten Flächen
  • notwendige Unterstützung während der Übergangsphase
  • ein Importverbot von glyphosathaltigen Produkten und Futtermitteln

Eveline Steinbacher

(28.9.2020)


(1) https://www.derstandard.at/story/2000119443956/eu-kommission-sieht-glyphosatverbot-nicht-mit-unions-recht-vereinbar

(2) https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20191213_OTS0150/bayer-will-eu-zulassung-von-glyphosat-erneut-um-15-jahre-verlaengern