Die EU-Kommission sucht immer wieder neue Wege, um die Liberalisierung in Bereichen der Daseinsvorsorge voranzutreiben, um damit der Privatisierung den Weg zu ebnen. Aktuell ist sie bestrebt, über ein Vertragsverletzungsverfahren wasserrechtliche Bewilligungen für Wasserkraftwerke für den allgemeinen Wettbewerb zu öffnen.
Die EU-Kommission hat gegen Österreich und sieben weitere EU-Mitgliedsstaaten ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Die EU-Kommission ist der Meinung, dass diese Länder bei den wasserrechtlichen Genehmigungen für Wasserkraftwerke gegen EU-Recht verstoßen: gegen die Dienstleistungsrichtlinie, die Konzessionsrichtlinie, die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit. In Österreich kritisiert die Kommission, dass der Bau und Betrieb von Wasserkraftwerken genehmigt wird, „ohne ein transparentes und neutrales Auswahlverfahren bei der Vergabe der notwendigen Wasserrechte durchzuführen“.
Privatisierung im Bereich Energie und Wasser droht
Die Arbeiterkammer warnt vor den Konsequenzen: „Die Wasserkraftwerke sind in Österreich mehrheitlich in öffentlicher Hand. Die Liberalisierung bei der Erteilung bzw. Verlängerung von Wassernutzungsrechten für die Stromerzeugung könnte dazu führen, dass die Bewilligung der Wassernutzungsrechte an ein anderes EU-Unternehmen als das bisher berechtigte erteilt werden. Dies würde in weiterer Folge die Gefahr der Enteignung von österreichischen Wasserkraftwerken mit sich bringen. Und dieses Ausschreibungsverfahren könnte außerdem auf alle Wassernutzungsarten einschließlich der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung angewendet werden“ (A&W-Blog, 13.11.2019). Fazit: Es droht die Privatisierung zunächst im Bereich Wasserkraftkraftwerke, in Folge in allen anderen Bereichen der Wasserwirtschaft.
Symbiose von Konzernmacht und Politik
Hintergrund des Vertragsverletzungsverfahrens ist die Beschwerde eines nicht näher benannten „nicht-österreichischen Energiekonzerns“ bei der EU-Kommission. Große EU-Konzerne werfen offensichtlich begehrliche Blicke auf Österreichs Wasserkraft, die – abhängig von der Wasserführung – 57 bis 65% des gesamten Strombedarfs unseres Landes deckt. Die EU-Kommission und die EU-Verträge erweisen sich einmal mehr als Treibriemen für die Interessen des Großkapitals. Der neue EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, der Franzose Thierry Breton, verkörpert perfekt diese Symbiose von Konzernmacht und Politik. Bevor er Kommissar wurde, arbeitete er jahrelang als Konzernlobbyist bei der EU-Kommission. Er wechselte direkt von der Vorstandsetage eines großen Konzerns in die Kommission. Sein deklariertes Ziel ist es, „europäische Champions“ zu schaffen, also Großkonzerne, die in strategischen Bereichen den EU-Markt dominieren. Der Energiesektor ist dabei einer der wichtigsten. Schon in seiner Zeit als französischer Finanzminister förderte Breton die Interessen der beiden französischen Wasser- und Energie-Konzerne Veolia und Suez. Öffentliches Eigentum in der Energiewirtschaft, wie es in Österreich dominiert, sind diesen privaten Konzernen ein Dorn im Auge.
Keinen Millimeter nachgeben!
Wohin die Privatisierung im Energiebereich führt, zeigt sich derzeit wieder in Kalifornien. Private Konzerne haben in ihrem Drang nach raschem Profit verabsäumt, die Infrastrukturen zu modernisieren. Das hat zum Ausbruch der verheerendsten Waldbrände in der Geschichte des Landes beigetragen und massenhafte Stromausfälle ausgelöst. Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom kritisiert die privaten Energiekonzerne scharf. Sein Fazit: „Jahrelange Misswirtschaft und Profitgier haben zu einem maroden, anfälligen Stromnetz geführt“ (ORF, 26.10.2019).
Unser Fazit: Wir dürfen den Verstößen der EU-Kommission zu Aushebelung des öffentlichen Eigentums im Energie- und Wasserbereich nicht nachgeben. Keinen Millimeter!
(Dezember 2019)