Teil 2 der Serie: Generationenauftrag BODEN - Leben
Einst waren Agroforstsysteme auch in Mitteleuropa verbreitet. Mit der zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft mussten viele weichen. In Zeiten des Klimawandels wird seine Bedeutung wieder entdeckt. Doch was sind Agroforste und was braucht es und wo gibt es sie noch bzw. wieder?

Schon lange vor dem Aufkommen des Ackerbaus im Nahen Osten um 10.000 v. Chr. gestalteten Menschen die Landschaft entsprechend ihrer eigenen Subsistenzinteressen um. Im Laufe der Zeit mussten Gartenwälder, Baumkulturen, Agroforstsysteme, Monokulturen weichen. Pestizide hielten auf den Feldern Einzug. Wälder wurden und werden gerodet. Aber in Zeiten des Klimawandels gibt es ein Umdenken. Agroforstsysteme werden auch bei uns wieder entdeckt.

Einst waren Agroforstsysteme auch in Mitteleuropa in Form von Streuobstwiesen, Gemüseäckern, gepflanzten Hecken oder auch Waldweiden weit verbreitet. In den vergangenen Jahrzehnten wurde aufgrund von Strukturwandel, Flurbereinigungen und zunehmender Mechanisierung und Intensivierung der Landwirtschaft diese Formen der Landnutzung stark zurückgedrängt und teilweise ganz zum Verschwinden gebracht. Sie ist auch Hauptursache des weltweiten Artenrückgangs und der Biodiversitätsverluste, sowohl lokal als auch regional.

Kilometerweite Agrarwüste, soweit das Auge reicht, ein Hektar gleicht dem anderen, Pflanzen stehen dicht an dicht, in Reih und Glied. Gleichförmigkeit in zwei Dimensionen. Die dritte Ebene, die vertikale, wurde vielerorts Monokulturen geopfert und die Sonne brennt auf die pestizidverseuchten nach Wasser dürstenden Böden.

In vielen Ländern spielen Agroforstsysteme traditionell eine große Rolle und auch bei uns werden Agroforstsysteme als Biodiversitätsmaßnahme und zum Schutz vor Trockenheit und Klimaveränderungen wiederentdeckt.

Was ist Agroforst?

Agroforst-Systeme sind multifunktionale Landnutzungssysteme, bei denen sich Bäume oder Sträucher, Feldfrüchte und/oder Nutztiere dieselbe landwirtschaftliche Fläche teilen und, im Idealfall, alle Partner von den Wechselwirkungen profitieren.
Dabei wird jede Kombination von Bäumen/Sträuchern mit Acker-, Spezialkulturen oder Grünland als Agroforst bezeichnet, auch wenn es dabei nicht primär um eine forstliche Nutzung von Bäumen (Wertholzproduktion) gehen muss. Die Agroforst-Produktpalette geht von Ackerkulturen, Gemüse, Obst über Wolle, Honig, Eier, Wein, Fleisch- und Milchprodukte bis hin zu Wert- und Energieholz.

Grundsätzlich lassen sich Agroforstsysteme in drei Haupttypen unterteilen:

  • Silvoarable Systeme (Bäume mit Ackerkulturen)
  • Silvopastorale Systeme (Bäume mit Tierhaltung) in Form von Waldweiden oder Streuobstwiesen
  • Agrosilvopastorale Systeme (Anbau von Gehölzen mit Ackerkulturen und Tierhaltung) 

Zeitgemäße agroforstliche Nutzungssysteme können unter bestimmten Voraussetzungen eine wirtschaftlich und ökologisch interessante Möglichkeit darstellen, die Landnutzung für zukünftige (klimawandelbedingte) Herausforderungen zu optimieren, weil sie die Produktivität einer Fläche steigern, indem sie auch die dritte Ebene nutzen, ohne dabei die natürlichen Ressourcen stärker zu beanspruchen. Das mehr an fruchtbringenden Pflanzen auf derselben Fläche, kann eine zusätzliche Einnahmequelle sein.

Agroforst: Bäume kehren auf Felder zurück

Zumindest was Hecken betrifft, gibt es bereits Messungen der Universität für Bodenkultur in Wien. Dabei konnten beispielsweise bei Luzernen, Winterweizen und Sonnenblumen Ertragszunahmen festgestellt werden. In Österreich ist das Interesse von Landwirt*innen vorhanden und es gibt bereits die ersten Modellbetriebe.

Pionierarbeit leisten u.a. Betriebe der OG „Agroforst in Österreich“. In Niederösterreich werden in einem solchen beispielsweise zwischen den Erdbeerfeldern Nussbäume angebaut, welche den von den Erdbeeren bevorzugten Halbschatten spenden. Über eines von vielen Beispielen, wie man Landwirtschaft und Gehölze miteinander kombinieren könnte, berichtet Theresia Markut vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau:

Positive Wechselwirkungen

Erfolgreich sind Agroforstsysteme, weil sie auch die Vertikale nutzen, erklärt die Biologin. Die Baumkronen spenden Schatten und bremsen den Wind, was wiederum die Verdunstung mindert. Die Wurzeln unterstützen den Nährstoffkreislauf im Boden und den Humusaufbau. „Und durch die bessere Verwurzelung des Bodens kann auch Regenwasser besser gehalten werden. Das schützt auch bei Extremwetterereignissen“.

Agroforstsysteme sind gut für die Artenvielfalt. Sie kombinieren Landwirtschaft und Biodiversitätsmaßnahmen. Eine Studie im Jahr 2020 der Brandenburgischen Technische Universität Cottbus-Senftenberg ergab, dass durch den Anbau von Agroforstsystemen auf landwirtschaftlichen Flächen die Gehölze eine CO2-Senke darstellen und somit einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten können.

Agroforstwirtschaft fördern

Die Vorteile von Agroforstsystemen zu vermitteln sei gar nicht so einfach, meint die Forscherin, die sich auch im Vorstand der ARGE Agroforst für bessere Rahmenbedingungen einsetzt. Betrachte man ein Maisfeld, das neben einer Hecke steht, dann seien die ersten Maisreihen aufgrund des Schattens meist klein und wenig ertragreich. „Was man nicht sieht, ist, dass ein paar Reihen weiter der Ertrag höher ist aufgrund der Windbremsung und der besseren Taubildung.“

Die Arbeitsgemeinschaft Agroforst (ARGE AF) hat sich zum Ziel gemacht, wieder mehr Bäume, Sträucher und Hecken auf unsere Felder und Wiesen zu bringen. Zu diesem Zweck wollen sie Wissen aus Theorie und Praxis vermitteln, politisch die rechtlichen Rahmenbedingungen für die vielfältigen Agroforstsysteme verbessern und vereinfachen.

 Mit Agroforstsystemen lässt sich die Landbewirtschaftung nachhaltig gestalten – Bäume und Sträucher bedeuten nicht mehr nur Klimaschutz u.a. durch Aufbau von Humus - sie sichern auch die Flächenproduktivität, steigern die Produkt-, Arten- und Strukturvielfalt und erfüllen eine Reihe weiterer Umweltleistungen. Die Anlage und Bewirtschaftung solcher Systeme ist komplex und erfordert einerseits die Bereitschaft, neue Wege zu gehen, andererseits entsprechende Handlungskompetenzen. Der Pflegeaufwand ist anfangs hoch und die Erträge aus den Früchten stellen sich erst nach Jahren ein bzw. aus dem Holz erst in der nächsten Generation, doch wenn wir die Vorteile betrachten, lohnt sich der Aufwand. Der anfängliche Mehraufwand muss durch Förderungen abgefedert werden.

Bäume erfüllen die verschiedensten Funktionen: als Schattenspender, Wasserspeicher, Strukturelement, Schutz vor Bodenverlust, Windschutz und Lebensraum für Tiere und Pflanzen der Agrarlandschaft. Die Vielfältigkeit von Agroforstsystemen zeigt sich außerdem in der unterschiedlichen Nutzung der Bäume, als Fruchtholz, Wertholz oder Energieholz. 

Agroforst kann also vieles sein – je nachdem, welche Vorstellungen und Ziele damit erreicht werden sollen - wichtig dabei ist, dass die Pflanzen zum Standort passen und regional gut angepasst sind. Angehende AgroforstwirtInnen werden sich also die Frage stellen müssen, welche Baumarten werde ich pflanzen, was will ich erreichen?

Wie umweltfreundlich Agroforst tatsächlich ist, hängt aber davon ab, ob er aus offener Landschaft oder aus natürlichem Wald entstanden ist. Zu diesem Ergebnis kommen Forschende der Universität Göttingen. Wenn Bauern etwa ihre Äcker in Agroforste umwandeln, hat das positive Auswirkungen auf die Umwelt. Müssen aber intakte Wälder für Waldgärten weichen, wäre der ökologische Sinn verfehlt.

Wenn wir die Art, wie wir Landwirtschaft betreiben, klimafreundlicher für alle Lebewesen dieser Erde gestalten möchten, wird es notwendig sein, die politischen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Solange wir aber den Regeln der EU-Agrarpolitik (GAP) unterworfen sind, wo Landwirtschaft verschärfter Konkurrenz und Konzernen unterworfen ist, wird uns das nicht gelingen.

Mehr dazu: https://agroforst-oesterreich.at/was-ist-agroforst-2/


 

*Bsp.: Dehesa/Spanien/Portugal

Die spanischen "Dehesas"* und die portugiesischen "Montados" sind Grünlandgebiete mit spärlichem Baumbestand (meist Eichen), die eine vielfältige agrosylvopastorale Nutzung ermöglichen.

 Foto von Víctor Gómez

Ist die Bezeichnung für das Agroforstsystem der beweideten Stein- und Korkeichenhaine im Südwesten Spaniens (Autonome Gemeinschaften Extremadura und Andalusien) und in Portugal (v. a. Alentejo). Die Dehesa ist seit etwa 2500 v.Ch. bekannt und in vielen mediterranen Gebieten landschaftsprägend. Traditionell und bis heute befindet sie sich im Gemeineigentum (ähnlich einer Allmende) und wird gemeinsam bewirtschaftet. Sie ist eine agrosilvopastorale Landnutzungsform, die durch kontinuierliche Beweidung der Wälder mit Haustieren und dem zeitweisen Anbau verschiedener Ackerkulturen eine als halboffen bezeichnete Weidelandschaft entstand, in der der Boden vor Erosion geschützt und durch die Tiere gedüngt wird.