Insgesamt schätzen die Forschenden, dass es fast 62.000 Hitzetote in Europa im Sommer 2022 gab. Wenn man die Zahlen in die Zukunft projiziert, ergeben sich circa 94.000 Hitzetote in Europa im Jahr 2040 und 120.000 im Jahr 2050 – sofern keine weiteren Maßnahmen getroffen werden.


Es gibt verschiedene Zahlen dazu, wie viele Hitzetote es genau in den vergangenen Jahren gegeben hat. Doch eines ist eindeutig: Es gab eine deutliche Übersterblichkeit jeweils in den Sommermonaten, die mit den vielen Hitzetagen zusammenhängt. Eine grobe Einordnung des Sommers 2022 nimmt der Klimaforscher Stefan Ramstorf vor. Er weist darauf hin, dass dieser in Europa der „heißeste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen“ war, das bedeutet, heißer als der Hitzesommer 2003. Gleichzeitig gab es europaweit eine Übersterblichkeit von ungefähr 100.000 Menschen in den Monaten Juni bis August. Die Covid-Pandemie ist nur für einen Teil dieser Todesfälle verantwortlich, da die Übersterblichkeit etwa im Jahr 2020, wo es noch viel weniger Immunität gab, nur ein Viertel dessen betrug. Dementsprechend muss ein sehr großer Teil der Übersterblichkeit auf das Konto der starken Hitze gehen. In dieses Bild fügt sich, dass jene Länder mit den heißesten Temperaturen „hohe“ oder „sehr hohe“ Übersterblichkeit aufwiesen.

Zahlen für Deutschland und Österreich gibt es ebenfalls. In einer Publikation im Fachjournal „Nature Medicine“ wird von 419 Hitzetoten in Österreich und nahezu 8.200 Hitzetoten in Deutschland ausgegangen. Insgesamt schätzen die Forschenden, dass es fast 62.000 Hitzetote in Europa gab, wobei die tatsächliche Zahl aufgrund der begrenzten Aussagekraft der Modelle noch höher sein dürfte. In einer einzigen Woche, nämlich der Kalenderwoche 29, starben der Berechnung zufolge nahezu 12.000 Menschen durch die Hitze. Wenn man die Zahlen in die Zukunft projiziert, ergeben sich circa 94.000 Hitzetote in Europa im Jahr 2040 und 120.000 im Jahr 2050 – sofern keine weiteren Maßnahmen getroffen werden.

Europa ist besonders betroffen

Das Tragische ist, dass auch in den vorhergehenden Jahren eine hohe Zahl an Hitzetoten zu beklagen war. Es handelt sich beim Sommer 2022 um absolut keinen Einzelfall. Sowohl die Autor:innen des Nature Medicine-Artikels auch Stefan Ramstorf sind sich einig, dass Europa in Zukunft besonders betroffen sein wird, weil die Temperaturen hier verglichen mit der globalen Erwärmung überdurchschnittlich schnell steigen. Ramstorf: „Europa ist […] ein Hotspot der Hitzewellen, die hier drei- bis viermal so stark zunehmen wie anderswo in vergleichbaren Breiten, aufgrund von Veränderungen im Jetstream“. Eine offene Frage ist außerdem, was gewesen wäre, wenn der Sommer 2022 noch heißer gewesen wäre. Im Jahr 2003 gab es im Vergleich zu den Vorjahren einen Temperatursprung von +2 Grad. Das war im Sommer 2022 nicht der Fall, weil aufgrund der Klimakrise schon die Vorjahre im Schnitt heißer waren. Das bedeutet: Es könnte aber in Zukunft wieder größere Ausreißer geben – mit vermutlich noch stärkeren Auswirkungen.

Es ist leicht zu sehen, dass europäische Staaten – abseits von der Frage der globalen Gerechtigkeit auch in ihrem eigenen Interesse – endlich ausreichende Maßnahmen für den Klimaschutz (und natürlich auch die Anpassung) treffen müssen. Jedes Versäumnis fällt eben auch auf uns selbst zurück. Die Klimakrise ist längst nicht mehr ein Ereignis, das nur afrikanische, asiatische oder südamerikanische Regionen betrifft. Sie ist ebenso bei uns angekommen.

Was zu tun ist: Längst Bekanntes und Ergänzungen

Die notwendigen Maßnahmen für zielführenden Klimaschutz sind gut erforscht: eine Verkehrs- und Energiewende einleiten und Produktion reduzieren, wo dies möglich ist. Das bedeutet: weg von neuen Straßen; weg von fossilen Energieträgern; keine Ressourcenverschwendung für Luxusgüter für wenige, Reduktion der Autoherstellung usw. Im Bereich der Anpassung an die zunehmende Hitze ist Folgendes dringend notwendig. Zum einen, wie auch im Nature Medicine-Artikel explizit erwähnt: Ausbau des Gesundheitssystems, Schaffung von Kompetenzen für den Umgang mit hitzebedingten Erkrankungen. Weiters wird darauf hingewiesen, dass die europäischen Regierungen in koordinierter Weise Gesundheitsdaten sammeln und zugänglich machen müssen. Nur so ist eine vertiefte Forschung möglich. Außerdem ist klar: Es müssen auf kommunaler Ebene Anpassungsmaßnahmen erfolgen, besonders in den Städten, die oftmals Hitzefallen sind. Ideen dazu gibt ebenfalls schon lange: autobefreite, begrünte Innenstädte, Freihalten wichtiger Belüftungsschneisen, Fassadenpflanzen, Trinkwasserspender usw. Insgesamt braucht es natürlich ein planmäßiges Vorgehen und globale Kooperation.

Laut den Studienautor:innen haben sich bisherige Präventionspläne für Hitzewellen, wie sie infolge des Sommers 2003 entstanden, als „ungenügend“ erwiesen, um „das hohe Ausmaß der hitzebedingten Sterblichkeit zu verhindern“. (4) Auch daraus muss man unmittelbar die Lehren ziehen. Insgesamt gilt: Aus dem Ausmaß der Herausforderung wird deutlich, dass es dabei keine Scheuklappen mehr geben darf. Kurzfristige Interessen und Profite dürfen den notwendigen Schritten nicht mehr länger entgegenstehen. Und natürlich braucht es angemessene Investitionen: Einmal mehr gilt, dass Österreich aufgefordert ist, in diesem Bereich Geld in die Hand zu nehmen, statt etwa die Militärausgaben zu verdoppeln, weiter neue Straßen oder eine Flughafenpiste zu bauen – oder neue fossile Infrastruktur errichten zu wollen (Flüssigerdgas). Wir haben es in der Hand.

Andreas Schütz

Quellen:

(1) https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/sommer-2022-100-000-hitzetote-in-europa/

(2) https://www.faz.net/aktuell/wissen/erde-klima/neue-studie-2022-mehr-als-60-000-hitzeassoziierte-todesfaelle-in-europa-19023296.html

(3) https://www.nature.com/articles/s41591-023-02419-z

(4) https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/klimakrise-hitze-sommer-anpassung-europa-hitzetote-1.6016215