ImageDie Atomunion


ImageEURATOM: „Mächtige Kernindustrie schaffen“

Der EURATOM-Vertrag ist ein Grundlagenvertrag der Europäischen Union. Der EURATOM-Vertrag verherrlicht die Atomenergie als „eine unentbehrliche Hilfsquelle für die Entwicklung und Belebung der Wirtschaft und für den friedlichen Fortschritt“. Und hat deshalb zum Ziel, "die Voraussetzungen für die Entwicklung einer mächtigen Kernindustrie zu schaffen.“ EURATOM ist ein wichtiges Instrument zur einseitigen Förderung der Atomkraft und der Atomindustrie in der EU. EURATOM finanzierte die Erforschung der Atomenergie und gewährte Milliarden von Euro als Kredite für die Errichtung und Modernisierung von Atomkraftwerken. Die Pro-Atompolitik war nicht ganz unerfolgreich: In den EU-Staaten befinden sich heute ein Drittel der weltweit 439 betriebenen Atomkraftwerke (sh. Karte).

EU-Geld für AKWs und Atomforschung


Da die Atomindustrie seit Tschernobyl (1986) jedoch zunehmend in Frage gestellt wurde und in eine Krise geraten ist, versucht die Atomlobby über EURATOM und die EU, eine Renaissance der Atomenergie in die Wege zu leiten. So wurden die Gelder für Atomforschung aus den EU-Rahmenforschungsprogrammen vor allem seit 2007 kräftig angehoben (sh. Grafik). Nachdem der Neubau von Atomkraftwerken in Westeuropa ins Stocken geriet, pumpt die EU Kredite in den Ausbau von Atomanlagen in Osteuropa. So gingen z.B. 2013 600 Millionen-Kredite von EURATOM bzw. EBWE (Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung) an die Ukraine für ein umfangreiches Programm zur AKW-Modernisierung.

EU genehmigt Subvention von Hinkley Point C


Als es 2011 zum Supergau im japanischen AKW Fukushima kam, dachten viele, dass nun der Einstieg in den Atomausstieg gekommen sei. Nicht die EU-Kommission. Wenige Monate nach Fukushima ging die EU-Kommission bereits wieder in die Atomoffensive und legte einen „Energiefahrplan 2050“ vor, der der nationalen Energiepolitik „ein europäisches Gerüst geben soll.“  Deklariertes Ziel: Ausbau der Atomenergie. So berichtet die Süddeutsche Zeitung über den EU-Fahrplan: „Unterhändlern zufolge sehen die Details der Szenarien den Neubau von 40 Kernkraftwerken allein bis 2030 vor. […] Auch eine finanzielle Förderung der Atomenergie in Mitgliedsstaaten […] hält die Kommission Unterhändlern zufolge für möglich. Sie könnte demnach Subventionen für Neuinvestitionen in Atomkraftwerke, zum Beispiel in Großbritannien, erlauben.“ Drei Jahre später war es soweit: Die EU-Kommission genehmigt 2014 die staatliche Subventionierung des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point C. Die Gesamtkosten werden auf 43 Milliarden geschätzt, die staatlichen Subventionen auf 19 Milliarden.

Nuklear verstrahltes EU-Investitionspaket

Das von der Juncker-Kommission ins Leben gerufene 315 Milliarden EU-Investitionspaket könnte sich als Turbo für die Nuklearwirtschaft erweisen:  Polen hat im Rahmen dieses EU-Investitionspakets 12 Milliarden und Großbritannien gar 62 Milliarden Euro für den Ausbau seiner Nuklearenergie eingereicht.  Auch in einem Anfang 2015 an die Öffentlichkeit gelangten Papier der EU-Kommission über die zukünftige Energieunion wird ein Lanze für die Förderung der Atomkraft „als kohlenstoffarme Energiequelle“ gebrochen. Wörtlich heißt es: „Weil Atomkraft eine so wichtige Rolle spielt, wird die Kommission Forschung und Innovation (in diesem Bereich) weiter unterstützen“ (zit. n. Presse, 10.2.2015).

EU-Armee mit Atomwaffen?


Ohne solche Subventionen wäre die Atomkraft wirtschaftlich völlig unrentabel. Dass die EU-Kommission derart die Atomenergie protegiert, könnte daher weitreichende politische Motive haben: den Aufbau einer EU-Armee inklusive der Verfügung über Atomwaffen. Die sog. zivile und die militärische Nutzung der Atomkraft sind siamesische Zwillinge. Wer die Verfügung über die Atombombe will, braucht eine starke Atomwirtschaft. Schon 2003 skizzierte der regierungsnahe deutsche Think-Tank „Centrum für Angewandte Politikforschung“ eine solche Perspektive für die „Weltmacht Europa“:  "Nur im Szenario Supermacht Europa wird das große Europa seinem objektiven Weltmachtpotential gerecht. (...) Der Aufbau der Vereinten Europäischen Strategischen Streitkräfte, die sich unter einem gemeinsamen europäischen Oberkommando des Atomwaffenpotenzials Frankreichs und Großbritanniens bedienen können, wird die internationale Rolle der EU verändern. (...) Die Supermacht Europa verabschiedet sich endgültig von der Idee einer Zivilmacht und bedient sich uneingeschränkt der Mittel internationaler Machtpolitik" (CAP, Europas Zukunft, Mai 2003).  EU-Kommissionspräsident Juncker hat angekündigt, das Projekt einer solchen EU-Armee vorantreiben zu wollen.

Investitionsschutz für Atomkonzerne


Ein weiterer Vertrag, der von der EU initiiert worden ist und bei dem EURATOM sowie alle EU-Staaten Mitglied sind, erweist sich als höchst förderlich für die Atomwirtschaft: die Europäische Energiecharta. Dieser Vertrag hat nämlich – ähnlich wie das vielkritisierte TTIP-Abkommen – Investitionsschutzklauseln und private Schiedsgerichte zum Schutz der großen Energiekonzerne. Das hat sich der schwedische AKW-Betreiber Vattenfall zu Nutzen gemacht und klagt auf Grundlage der Energiecharta gegen den geplanten Atomausstieg Deutschlands, weil dem Konzern dadurch hohe Profite entgehen würden.


ImageEU-Mitgliedschaft untergräbt Anti-Atompolitik

Österreich steuert seit der Volksabstimmung von Zwentendorf (1978), bei der eine Mehrheit der Bevölkerung gegen die Inbetriebnahme des AKWs stimmte, offiziell einen Anti-Atomkurs. Dieser gerät jedoch zunehmend in Widerspruch zur Mitgliedschaft bei EURATOM und EU. Denn: Wie kann man international glaubwürdig für den Ausstieg aus der Atomkraft auftreten,...

… wenn man zugleich Mitglied in einer Organisation ist, die „die Voraussetzungen für den Ausbau einer mächtigen Kernindustrie“ (Präambel EURATOM-Vertrag) schaffen will?

… wenn man aufgrund der Mitgliedschaft bei EURATOM viele Steuergelder für die Förderung der Atomwirtschaft aufwendet? 2004 gab die Regierung zu, dass Österreich zu diesem Zeitpunkt rd. 40 Millionen Euro jährlich für EURATOM zahlt; seither verweigert die Regierung dazu konkrete Angaben. Da sich seither die EU-Gelder für die Atomwirtschaft verdreifacht haben, gehen Umwelt-NGOs davon aus, dass Österreich bereits deutlich über 100 Millionen Euro jährlich für die EU-Atomwirtschaft besteuert.

… wenn infolge der Marktliberalisierung und der Privatisierungsierungspolitik seit dem EU-Beitritt beträchtliche Teile der österreichischen Energiewirtschaft in den Einflussbereich großer europäischer Atomkonzerne geraten sind? Z.B.: 49% der Kärntner KELAG gingen an den deutschen Atomkonzern RWE, 32,5% der niederösterreichischen EVN an den deutschen Atomkonzern EnBW (Energie Baden-Würtemberg); 25% der Steiermark Energie an den französischen Atomriesen EdF. An der oberösterreichische Energie AG ist seit ihrer Teilprivatisierung die Tiroler TIWAG beteiligt, die vertraglich eng an den deutschen Atomkonzern E.ON gebunden ist.

… wenn das Verbot von Atomstromimporten gegen den heiligen „freien Warenverkehr“ im EU-Binnenmarkt (Art. 34 AEUV) verstößt? Eine diesbezügliche Anfrage der österreichischen Regierung beantwortete die EU-Kommission: „Das angedachte Verbot der Abgabe von Atom - sowie von ‚Graustrom‘ an Endverbraucher würde somit Unionsrecht verletzen“ (zit. nach Standard, 16.1.2012).

… wenn die österreichischen Machteliten bei der EU-Sicherheits- und Militärpolitik „in all ihren Dimensionen“ mitmachen wollen (Zitat aus der Österr. Sicherheitsstrategie 2013), obwohl damit die Perspektive einer EU-Armee einschließlich atomarer Bewaffnung verbunden ist? Und das wissen sie wohl auch. Bereits 2006 forderte der damals höchste Beamte im Verteidigungsministerium, Erich Reiter: „Alle EU-Völker sollen an der Atombombe teilhaben“ und „sie im Ernstfall auch einsetzen“ (News 6/2006).

Hinweise:
>100 gute Gründe gegen Atomkraft auf:  www.100-gute-gruende.de
>www.welt.de/wissenschaft/umwelt/article106365879/Atomarer-Super-GAU-droht-alle-zehn-bis-20-Jahre.html


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