Die Solidarwerkstatt schlägt vor, die Pflege in die Sozialversicherung einzubinden. Wir haben dazu ein neues Infoblatt herausgebracht, das bei uns - auf Spendenbasis - bestellt werden kann.

 In Österreich herrscht Pflegenotstand. Dieser hat viele Gesichter:

  • Pflege bedeutet Armutsrisiko für die Pflegebedürftigen. Das Pflegegeld reicht laut Rechnungshof nur bis zu 25% der wirklichen Pflegekosten.
  • In Österreich sind rd. 950.000 Menschen in der Pflege engagiert. 80% davon sind Familienangehörige, drei Viertel von ihnen Frauen. Die Belastungen für die Familien ist groß. Oftmals werden die Pflegenden selbst zum Pflege- und Armutsfall.
  • Finanzielles Ausbluten der Gemeinden, die mit hohen Pflegeaufwändungen und extremem Spardruck konfrontiert sind.
  • Über 78.000 Pflegekräfte – zumeist Frauen aus osteuropäischen Ländern – arbeiten in der 24-Stundenpflege. Das bedeutet: 14 Tage im Monat rund um die Uhr-Betreuung für 800 bis 900 Euro – Das ist Ausbeutung pur und dem Deckmantel der (Schein-)Selbständigkeit.
  • Aber auch regulär in der Pflege Beschäftigte sind oft am Rande ihrer Kräfte: Lt. AK-Studie sind 40% der PflegearbeiterInnen burn-out gefährdet. Der Personalmangel an allen Ecken und Ende gefährdet das Wohl der Pflegenden und der von ihnen Gepflegten.
Stabile Finanzierungsgrundlage

Um einen Ausweg aus diesem Pflegenotstand zu finden, schlägt die Solidarwerkstatt eine Änderung im Pflegesystem vor. Der Grundgedanke: Die Pflege soll in das bewährte System der Sozialversicherung integriert werden. Ähnlich wie in der sozialen Krankenversicherung soll dann die Pflege auf zwei Pfeilern beruhen:

Erstens: Jeder und jede hat einen Rechtsanspruch auf qualitativ hochstehende Pflegeleistungen entsprechen seines/ihres Bedarfs – unabhängig davon, wie groß die Brieftasche ist.
Zweitens: Jeder und jede leistet dafür einen Sozialversicherungsbeitrag entsprechend der jeweiligen finanziellen Leistungsfähigkeit. Im Unterschied zum derzeitigen Sozialversicherungssystem soll sich dieser Sozialversicherungsbeitrag auf die gesamte Wertschöpfung als Finanzierungsgrundlage erstrecken, also z.B. auch Gewinne und Abschreibungen mit einbeziehen. Auch die Höchstbeitragsgrundlage soll aufgehoben werden. Das schafft eine stabile Finanzierungsgrundlage und mehr Gerechtigkeit.

Gute Pflegeleistungen und echte Wahlfreiheit für alle!

Was ändert sich konkret? Derzeit bekommt ein Pflegebedürftiger im Pflegefall eine bestimmte Geldsumme (Geldleistungsprinzip), die i.d.R. nur einen Bruchteil der realen Kosten abdeckt. Die Folge ist eine Zwei- und Mehrklassenpflege. Beste Leistungen und echte Wahlfreiheit gibt es nur für jene, die entsprechend viel Geld auf der Seite haben. Mit der Einbeziehung der Pflege in die Sozialversicherung wird vom Geldleistungs- auf das Sachleistungsprinzip umgestellt. D.h. im Pflegefall besteht ein individueller Rechtsanspruch auf die notwendigen Pflegeleistungen – auf qualitativ hohem Niveau und mit echter Wahlfreiheit für alle. D.h. die Pflegebedürftigen haben die Wahl zwischen Pflegeeinrichtungen, mobilen Diensten und/oder Pflege im Kreis der Familie bzw. Angehörigen. Wird letzteres in Anspruch genommen gibt es jedoch einen erheblichen Unterschied zum derzeitigen System: Auch die pflegenden Angehörigen haben die Möglichkeit einer regulären Anstellung, die sozialversichert ist und einem Kollektivvertrag unterliegt. Diese Anstellung kann wie z.B. in skandinavischen Ländern bei der Gemeinde und Pflegeverbänden erfolgen. Also Schluss mit prekären Arbeitsverhältnissen und Schundlöhnen im Pflegebereich!

Ist das finanzierbar?

Österreich gibt derzeit rd. 1,6% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus öffentlichen Budgets für die Pflege aus. In Ländern wie Finnland oder Schweden sind es dagegen 3 bis 4%. Um das Niveau skandinavischer Länder zu erreichen, brauchen wir also rund eine Verdoppelung der öffentlichen Pflegeausgaben, das wäre ein Plus von 5 bis 6 Milliarden Euro für die Pflege. Ist das finanzierbar? Natürlich, es ist eine Frage der Prioritäten. Diese Summe, die wir für eine gute Pflege zusätzlich brauchen, entspricht fast jener Summe, die die Regierung mittelfristig zusätzlich (!) für die Erhöhung des Militärbudgets ausgeben will bzw. muss, um die Kriterien des EU-Aufrüstungspaktes „Ständig Strukturierten Zusammenarbeit“ (EU-SSZ/Pesco) zu erfüllen. Ist es nicht vernünftiger, das Geld für Pflege und Gesundheit, statt für Kampfbomber und Militärinterventionen der EU-Battlegroups auszugeben?

Unter dem Motto „Pflege in die Sozialversicherung! Pflegewohlstand statt Pflegenotstand!“ hat die Solidarwerkstatt ein Faltblatt erstellt.
Wir schicken dieses Faltblatt gerne auch in größeren Stückzahlen zu (auf Spendenbasis).

Falter:
Pflege in die Sozialversicherung
hier zum Herunterladen und zu bestellen unter: T 0732 77 10 94, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


EU-Fiskalpakt contra Pflege

Um die Finanzierung der Pflege abzusichern, brauchen wir ein Ende der neoliberalen Spar- und Kürzungspolitik. Diese ist im EU-Fiskalpakt ab 2012 einzementiert worden. Wie stark sich dieser Fiskalpakt auch auf die Pflege in Österreich ausgewirkt hat, zeigen neuer Zahlen (sh. Grafik). Seit Einführung des EU-Fiskalpakts im Jahr 2012 sind die realen Pro-Kopf-Ausgaben (bezogen auf die Bevölkerung im Alter 60 plus) um 8% gesunken, bezogen auf die Bevölkerung älter als 75 sogar um 15%. Der Bruch mit den neoliberalen Vorgaben des EU-Fiskalpakts ist unabdingbar, um eine gute Pflege für alle zu gewährleisten. Denn in der Pflege gilt wie in vielen anderen existenziellen Bereichen des Lebens: Den armen Staat können sich nur die Reichen leisten!