ImageDurch das Universitätsgesetz 2002 wurden die österreichischen Hochschulen grundlegend umgestaltet: massive Zurückdrängung der demokratischen Mitbestimmung, Privatisierung von Bildung, immer direkter Zugriff von Regierung und Großunternehmen.


Das UG 2002 führte die Universitätsautonomie für die österreichischen Universitäten ein und wurde letztes Jahr novelliert. Für den Hochschulsektor brachte die Autonomie vor allem hohe Anforderungen an die Universitäten mit sich, wie die Begrenzung des Budgets und die geforderte Erhöhung der finanziellen Unabhängigkeit vom Ministerium durch eigene Lukrierung von Finanzmittel sowie die Straffung der Verwaltung. Die Reform selbst wird unter Bedingungen der Finanzknappheit umgesetzt.

Die Leistungsvereinbarung macht die Universitäten fit für den Markt. Diese regelt, welche Leistungen von jeder Universität erbracht werden sollen - im Auftrag des Bundes - und welche finanziellen Mittel der Bund dafür bereitstellt. Die auf jeweils drei Jahre abgeschlossene Leistungsvereinbarung legt also gegenseitige Verpflichtungen fest und hat den Status eines öffentlich–rechtlichen Vertrags. Der Rektor ist der einzige Verhandler der Leistungsvereinbarung mit dem Bundesministerium, der Uni–Rat hat diese anzunehmen. Sie soll eine „Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit des universitären Handelns” sowie eine „Erhöhung der Planungssicherheit” sicherstellen. Die Verpflichtung auf bestimmte Leistungen betrifft in diesem Zusammenhang insbesondere die Bereiche Universitäts- und Personalentwicklung, Forschung und Lehre, Studien und Weiterbildung und die statistische Darstellung des Studienbetriebs (wie zum Beispiel Evaluierungen von Lehrveranstaltungen).

Die Erfüllung der Vereinbarung hängt eng mit der Profilbildung, also der geforderten strategischen Ausrichtung der Universität zusammen. Unter Profilbildung versteht das UG 2002, „dass die Universität ihre besonderen Stärken und Kompetenzen definiert und festlegt, welche vorhandenen Kapazitäten so ausgebaut werden können, dass sich die Universität auch in den nächsten Jahren im internationalen Wettbewerb erfolgreich positionieren kann”. Diese Schwerpunktsetzung implizierte einen Konzentration auf „starke Bereiche”, um eine „strategische Positionierung zu erreichen”.

Die Universitäten müssen gegenüber dem Ministerium genaue Rechenschaft ablegen und haben umfangreiche Berichtspflichten: So ist ein jährlicher Leistungsbericht zu erstellen, um die erbrachten Leistungen im Rahmen der Leistungsvereinbarung darzustellen sowie ein jährlicher Entwicklungsplan und Wissensbilanz. Diese stellt eine Art „Bestandaufnahme” des Wissens nach betriebswirtschaftlichen Kategorien dar und beinhaltet u.a. das Lehrpersonal als “Humankapital”. Die Leistungsvereinbarung ist auch die Grundlage, anhand der die Finanzleistungen des Bundesministeriums an die Uni festgesetzt werden. Das Budget setzt sich aus dem Grundbudget als frei disponierbares Budget und dem Formelbudget zusammen.

Der formelgebundene Anteil des Budgets wird mithilfe von bestimmten Indikatoren ermittelt, wobei das errechnete Ergebnis mit dem Durchschnitt der anderen Universitäten verglichen wird. Als Indikatoren dienen u.a. die Zahl der Studierenden bzw. AbsolventInnen, Publikationen, Drittmittel. Sie beziehen sich wiederum auf die Leistungsvereinbarung. Das formelgebundene Budget ist also somit ein wesentliches Element, das den Wettbewerb zwischen den Universitäten forciert. Für die inneruniversitäre Umsetzung der Leistungsvereinbarung, das heißt auch für die gesamte Budgetzuteilung, ist der Rektor/die Rektorin verantwortlich, der diese in Form von stufenweisen Zielvereinbarungen weitergibt. Der dahinter stehende Grundgedanke ist, einerseits eine „hierarchische Selbststeuerung”, wie es heißt, in Gang zu setzen und andererseits, die verfügbaren Mittel strikt leistungsorientiert zuzuteilen.

Entdemokratisierung. Auch im Hinblick auf die universitären Entscheidungsstrukturen gab es mit dem UG 2002 einige wesentliche Änderungen: So wurde der Universitätsrat (“Uni-Rat”, sh. Kasten unten) als neues Organ eingeführt. Seine Funktion besteht vor allem in „Genehmigungsbefugnissen” sowie „Aufsichtsbefugnissen”, die aber nicht als klassische Kontrollfunktion angelegt sind. So gehören zu seinen Kernaufgaben die Genehmigung des Entwicklungsplans, des Organisationsplans und des Entwurfs der Leistungsvereinbarung der Universität sowie die Wahl der Rektorin/des Rektors aus dem Dreiervorschlag des Senats und ist also vor allem für die strategische, langfristige Ausrichtung der Universität zuständig. Senat und Bundesregierung (diese auf Vorschlag des/der BundesministerIn) wählen dabei gleich viele Uni-RätInnen, eine/r ist von beiden gemeinsam zu bestimmen. Mit der UG-Novelle vermischen sich die politischen Funktionen auf Uni-Ebene noch mehr als bisher. Ist der Uni-Rat eigentlich einem Aufsichtsrat nachempfunden und sollte vor allem beratend und kontrollierend tätig sein, so hat dieser bei entscheidenden Fragen das letzte Wort und somit nicht zu vernachlässigende Entscheidungsmacht. Um die „Internationalität“ zu fördern, forciert der Wissenschaftsminister auch, dass der Uni-Rat noch stärker durch externe Mitglieder dominiert sein soll. Schon jetzt sitzen hauptsächlich Agenten der Wirtschaft im Uni-Rat.

Im Hinblick auf den Senat sind 2002 sogenannte Zustimmungsrechte neu geschaffen worden, über die das Vertretungsorgan für Studierende, ProfessorInnen und Uni-Personal, nun verfügt. Allerdings muss dieser innerhalb einer Frist zustimmen, tut er dies nicht, wird der Abstimmungsgegenstand trotzdem durchgesetzt. Das UG 2009 legte eine weitere Machtverschiebung zu Uni-Rat und Rektorat fest, denn diese beiden Gremien erhielten Kernkompetenzen des Senats, wie z.B. die Nominierung des Rektors/der Rektorin. Stimmt der Senat etwa der Ausschreibung durch den Uni-Rat nicht fristgerecht zu, geht die Zuständigkeit sogar an das Bundesministerium über, was ein Versuch nach mehr politischen Einfluss auf die Universitäten gleichkommt.

Prekarisierte Arbeitsverhältnisse. Jedoch nicht nur für die Studierenden selbst, sondern auch für das Unipersonal und insbesondere für den wissenschaftlichen Nachwuchs bedeutet das neue Unigesetz einen desaströsen Rückschritt: So fördern die neuen Regelungen prekäre Arbeitsbedingungen. Kettenarbeitsverträge ermöglichen es, befristete Arbeitsverträge von bis zu zehn Jahren (bisher maximal sechs Jahre) aneinanderzureihen - bei Teilzeit sogar bis zu zwölf Jahren.

Das UG 2002 und dessen Novellierung brachten nicht mehr Autonomie im Sinne von mehr Selbstbestimmung, sondern hierarchisierte die Entscheidungsfindung und Machtverteilung noch stärker. Dabei muss die Uni eigentlich von den Betroffenen selbst mitgestaltet sein. Dies wäre durch den Senat möglich, der demokratisch am besten legitimierte ist. Auch wenn der Senat über viele, durchaus wichtige Kompetenzen verfügen, so fehlt es dem Gremium doch an einer fehlenden rechtlichen Durchsetzungskraft.

Der Uni–Rat steht seit seiner Einsetzung ebenfalls immer wieder schwer in der Kritik, denn angesichts seiner weitreichenden Befugnisse stellt sich die Frage seiner Legitimation. Heftige Kritikpunkte sind einerseits seine teils externe Besetzung und die teilweise Wahl durch das Bundesministerium und somit die Frage seiner Unabhängigkeit sowie Intervention durch VertreterInnen der Wirtschaft. Rektor Karlheinz Töchterle (Uni Innsbruck) tritt für eine Ausweitung der Kompetenzen des Senats ein, denn „sonst könnte es passieren, dass die Uni nur von Leuten gelenkt werden, die nicht von der Uni sind”. Die Scheinautonomie realisiert sich durch den Zugriff des Ministeriums auf die Universitäten durch Budget und Leistungsvereinbarungen, die ein Instrumentarium für den ökonomisierenden Umbau der Universitätslandschaft darstellen.

Die kürzlich zugestandenen 34 Mio. Euro sind außerdem Mittel, die das Wissenschaftsministerium einbehalten hat und die den Universitäten ohnehin zustehen würden. Andererseits tut sich das Ministerium nun leicht, Forderungen der Universitäten mit dem Hinweis auf ihre “Autonomie” abblitzen zu lassen.

Stefanie Breinlinger