Die geplante Gründung einer neuen Technischen Universität in Linz ruft berechtigten Widerspruch von nahezu allen Seiten hervor. Nur Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer sind erfreut.

Linz soll eine neue Technische Universität (TU) erhalten – mit Schwerpunkt „Digitalisierung und digitale Transformation“. Ab 2023/24 soll der Betrieb starten. Die große Frage, die sich von Anfang an stellte: Warum wird eine eigene TU-Linz für Digitalisierung geschaffen, wo es eine solche TU in Linz bereits gibt – mit erheblichen Kapazitäten und Kompetenzen im Bereich Digitalisierung. Diese könnten fraglos weiterentwickelt werden, warum aber mit einer eigenen TU duplizieren? Diese Frage stellt sich umso mehr, als gerade die inhaltliche Beschreibung der neuen TU Linz im vorliegenden Gründungsgesetz großteils aus PR-Worthülsen mit wenig wissenschaftlichen Tiefgang besteht. „Insgesamt atmet das Gesetz ein unzeitgemäßes Misstrauen gegenüber Wissenschaft und Wissenschafterinnen und Wissenschaftern", hält der Senat der Johannes Kepler-Universität Linz mit seiner Kritik an den TU-Plänen nicht hinter dem Berg (ORF, 17.5.2022).

Eliminierung von Mitbestimmung

Wenn es also keine wissenschaftliche Begründung für diese neue TU gibt, welche gibt es dann? Die Vermutung liegt nahe, dass der Charme dieser neuen Uni für bestimmte Kräfte in Wirtschaft und Politik vor allem in der neuen Struktur liegt: De facto soll es eine Privatuniversität mit öffentlicher Finanzierung sein. Die TU Linz soll ausdrücklich nicht dem Universitätsgesetz unterliegen, die Beziehung zwischen Universität und Studierenden sollen nicht – wie an anderen öffentlichen Universitäten – hoheitlicher, sondern privatrechtlicher Natur sein. Auch wenn die Details noch in den Sternen stehen, hätte das weitreichende Folgen: Universitäten, die dem Universitätsgesetz unterliegen, haben Organe wie den Senat, in denen die verschiedenen Universitätsangehörige, auch die Studierenden, Mitbestimmungsrechte haben. Im Gesetzesentwurf für die TU Linz ist von Mitbestimmung keine Rede. Die Durchführung und Organisation der Verwaltungsabläufe sollen über eine GmbH abgewickelt werden. Dass das Verhältnis zwischen der TU Linz und ihren Studierenden privatrechtlicher Natur sein soll, schwächt klarerweise letztere. Denn damit unterliegen Auswahl der Studierenden, Ablauf des Studiums oder die Kosten des Studiums in hohem Maß der Willkür der Universität anstelle von hoheitlichen Vorgaben, auf die demokratisch Einfluss genommen werden kann.

ÖH: „Schlechter Scherz“

Scharf kritisierte daher auch die Studierenden-Vertretung der ÖH das vorliegende Konzept für die TU-Linz: "Hier werden öffentliche Mittel verwendet, um Studierende im Anschein einer öffentlichen Universität in teils rechtlich prekäre Ausbildungsverträge zu drängen. Das kann nur ein schlechter Scherz sein." (OTS, 24.1.2022)

„Extrem einseitige Orientierung an Industrieinteressen“

Keine Anwendung soll auf die neue TU der Kollektivvertrag für die ArbeitnehmerInnen der Universitäten finden. Entsprechend bestürzt reagierte der Betriebsrat der Johannes Kepler-Universität Linz, der das ganze Konzept für „untaulich“ hält. Die neue „Universität“ könne „politisch als Probelauf für eine Umgestaltung der österreichischen Universitäten genutzt werden“ kritisiert der Betriebsrat in einer Stellungnahme, das von 328 MitarbeiterInnen unterzeichnet worden ist (ORF, 17.5.2022). Wozu dieser „Probelauf“ dient, führt Sabine Seidler, Präsidentin der Österreichischen Universitätenkonferenz (Uniko), näher aus: "Das vorliegende Konzept zeigt eine extrem einseitige Orientierung an den Bedürfnissen der oberösterreichischen Industrie und damit einhergehend eine bedrohliche Einschränkung der Freiheit von Forschung und Lehre.“ (ORF, 17.5.2022)

Bezeichnenderweise zählen Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer zu den nahezu einzigen, die eine positive Stellungnahme zur geplanten TU Linz abgegeben haben. Dazu passt, dass diese neue TU Linz eine Idee des eh. Kanzlers Sebastian Kurz ist, der sich mittlerweile selbst in den Dienst eines Digitalmilliardärs in Übersee begeben hat.

Die neue TU Linz sollte daher ehrlicherweise auf den Namen „Sebastian Kurz Privatuniversität“ getauft werden. Oder noch besser: Diese missratene Idee verschwindet mit ihrem Ideengeber wieder von der Bildfläche. Wir brauchen mehr Geld für eine Wissenschaft, die einer demokratischen, nachhaltigen und friedlichen Gesellschaft verpflichtet ist. Was wir dagegen gar nicht brauchen, sind Universitäten, die – um den Chat eines Adlatus des seinerzeitigen Kanzlers zu paraphrasieren – als „H… von Großindustrie und Milliardären“ konzipiert sind.

Gerald Oberansmayr
(Juni 2022)

Beitrag aus SOLiNZ 2/2022 >> hier zum Nachblättern