Anlässlich des Tags der Arbeitslosen veranstaltet eine Aktionsgemeinsschaft verschiedener Organisationen am 29. April 2022 eine Kundgebung am Martin Luther Platz in Linz. Hier die wichtigen Forderungen dieses Bündnisses.

Menschenwürde und Respekt für arbeitslose Menschen!

Die Arbeitslosenversicherung wieder mehr auf menschliche Bedürfnisse statt auf marktwirt-schaftliche Mechanismen auszurichten, muss ebenso Ziel der anstehenden Reform sein, wie die Arbeitslosigkeit tatsächlich auf ein unvermeidbares Ausmaß zu reduzieren. Politische Entscheidungen werden getroffen, ohne dass die Betroffenen gehört werden. Daher braucht es ein gesichertes Mitspracherecht.

Arbeitslosen Menschen Unwilligkeit zu unterstellen, bereitet den Boden dafür, dass viele Maßnahmen wie degressives Arbeitslosengeld, Abschaffung der Zuverdienstmöglichkeit, Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen, stigmatisierende Kategorisierung mittels Algorithmus, etc. mit dem Ziel einer Erhöhung des Drucks auf Arbeitssuchende diskutiert werden. Das Menschenbild in der politischen und öffentlichen Diskussion muss geändert und den betroffenen Menschen wieder eine Perspektive für ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden.

Arbeitslosengeld auf mindestens 70% erhöhen!

Das Arbeitslosengeld ist eine Versicherungsleistung und dient zur Existenzsicherung (Lebensstandardsicherung). Es ist mit 55% des (letzten) Nettoeinkommens in Österreich im internationalen Vergleich sehr niedrig. Das mittlere Arbeitslosengeld beträgt monatlich unter 1.000,- Euro, bei Frauen deutlich weniger. Das schützt nicht ausreichend vor Armut, insbesondere Teilzeitkräfte aus der Gastronomie oder dem Einzelhandel, die aufgrund des geringen Einkommens auch nur ein sehr geringes Arbeitslosengeld bekommen. Menschen mit niedrige-rem Einkommen werden überdurchschnittlich oft arbeitslos und leben zu 2/3 in armutsgefähr-deten Haushalten (Statistik Austria 2019).

Wir fordern, dass das Arbeitslosengeld dauerhaft auf mindestens 70% des Letztbezuges angehoben werden soll. Auch volkswirtschaftlich wäre es sinnvoll, das Arbeitslosengeld samt Notstandshilfe zu erhöhen, weil diese zur Gänze wieder für Konsum ausgegeben werden (AKOÖ, Studie Europäisches Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung 2022). Das Arbeitslosengeld ist mit einer Obergrenze gedeckelt, d. h. eine Erhöhung nützt ausschließlich den niedrigen Einkommensschichten.

Ein degressiver Verlauf über die Dauer der Arbeitslosigkeit löst nicht die Probleme bei der Arbeitssuche, sondern erhöht den Druck sowie die Armutsgefährdung und ist daher abzulehnen.

Mit der Zuverdienstmöglichkeit durch eine geringfügige Beschäftigung halten arbeitslose Menschen den Kontakt zur Arbeitswelt mit allen positiven Aspekten. Es besteht insbesondere für langzeitarbeitslose Menschen die Chance, dass aus einer geringfügigen Beschäftigung wieder ein richtiges Dienstverhältnis entsteht.

Totalsperre des Arbeitslosengeldes abschaffen!

Die strengen Zumutbarkeitsbestimmungen für arbeitslose Menschen in Kombination mit den Sanktionen bewirken, dass der Druck bei längerer Arbeitslosigkeit enorm steigt und der Versicherungsschutz aufgeweicht wird. Das Arbeitslosengeld kann für 6 oder 8 Wochen auf Null gestrichen werden. Das ist eine existenzbedrohende und menschenunwürdige Bestrafung, die bewirken soll, dass arbeitslose Menschen irgendeine Arbeit, etwa mit schlechter Bezahlung, schlechten Arbeitsbedingungen oder Arbeitszeiten, längeren Wegstrecken, etc. annehmen müssen. Oberösterreich sanktioniert im Vergleich mit anderen Bundesländern überdurchschnittlich oft. Diese Sanktion ist zu hinterfragen, wenn z.B. ein Dienstverhältnis in der Probezeit aus gesundheitlichen Gründen aufgelöst wird.

Die aktuellen Zumutbarkeitsgrenzen für eine offene Stelle stehen mit der Verhältnismäßigkeit von Sanktionen in keiner Relation. Im Vergleich mit einer Geldstrafe bei einer gerichtlichen Verurteilung entspräche sie einer unbedingten Strafe von 42 bzw. 56 Tagsätzen. Daher sind die Sanktionen mit einer völligen Sperre des Bezuges abzuschaffen. Mehr qualifizieren statt sanktionieren muss das Motto in der Betreuung arbeitsloser Menschen sein.

Mehr Unterstützung für langzeitarbeitslose Menschen!

Besonders langzeitarbeitslose, geringqualifizierte oder zugezogene Menschen brauchen ausführliche und individuelle Beratung und Unterstützung bei der Arbeitssuche oder einen existenzsichernden Arbeitsplatz in gemeinnützigen, sozialökonomischen Betrieben. Die dabei eingesetzten Fördermittel fließen innerhalb weniger Jahre wieder als Einnahmen an den Staat zurück, das belegen zahlreiche SROI (Social Return On Investment) Berechnungen.

Aufgrund verschiedener Handikaps, und sei es nur das Alter, werden Bewerbungen vieler arbeitsuchender Menschen aussortiert. Auch wenn viele offene Stellen gemeldet sind, gibt es aufgrund regionaler und branchenabhängiger Unterschiede nicht für jede/n Arbeitssuchende/n einen passenden Arbeitsplatz. Daher braucht es ein öffentliches Investitionsprogramm zur Schaffung neuer sozial und ökologisch nachhaltiger Arbeitsplätze z. B. in der Gebäudesanierung oder mehr Mittel für zusätzliche und gute Arbeitsplätze in der Pflege.

Weiters braucht es ein - bis zur Gänze - gefördertes Beschäftigungsprogramm, in öffentlichen oder gemeinnützigen Einrichtungen z. B. für ältere Langzeitarbeitslose. Werden von ei-ner 100%igen Lohnkostenförderung alle zurückfließenden Steuern und Abgaben sowie das zu zahlende Arbeitslosengeld abgezogen, verbleiben Nettokosten von etwa 5,- Euro je Arbeits-stunde oder nur etwa 25%. Eine Jobgarantie und ein derartiges Förderprogramm sind somit gesamtwirtschaftlich betrachtet sehr sinnvoll.

Besonders in Kombination mit an die Lernkompetenzen angepassten Weiterbildungen haben langzeitarbeitslose und geringqualifizierte Menschen deutlich bessere Chancen auf einen zukunftsfähigen Arbeitsplatz. Während der Ausbildung muss das Einkommen (Beihilfe) existenzsichernd sein. Es ist besser, Beschäftigung und Qualifikation zu finanzieren als Arbeitslosigkeit.

Mehr Ausbildungsplätze für Jugendliche!

Junge Menschen, die nach der Pflichtschule keinen Lehrplatz finden, oder sich nach einem Schulabbruch für eine Lehre entscheiden, müssen eine Chance auf einen Ausbildungsplatz erhalten. Daher braucht es den Ausbau des überbetrieblichen Ausbildungsangebotes, damit alle jungen Menschen bis 25 Jahre einen garantierten Ausbildungsplatz für einen Berufsabschluss oder zumindest für eine qualitative Teilqualifizierung haben.

Die Corona-Krise hat erhebliche Folgen für die psychische Gesundheit, insbesondere für ausgrenzungsgefährdete Jugendliche. Persönliche Engpässe oder belastende familiäre Situationen erzeugen vielschichtige Problemlagen, welche allein kaum zu bewältigen sind. Es braucht daher auch mehr Betreuungsplätze mit professioneller Unterstützung für den Arbeitswelteinstieg.

Besonders in ländlichen Gebieten ist fehlende Mobilität bzw. schlechte Erreichbarkeit von potenziellen Lehrstellen für junge Menschen oft ein unüberwindbares Hindernis auf dem Weg zu einem Ausbildungsplatz. Es braucht daher leistbare Möglichkeiten, damit junge Menschen diese Arbeitswege überwinden können (Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel, Freifahrt für Jugendliche außerhalb von Schule und Lehre, etc.).

Die Aktionsgemeinschaft bilden:
Bischöfliche Arbeitslosenstiftung, Caritas für Menschen in Not, epicenter.works, Katholische Jugend OÖ, Katholische ArbeiterInnenbewegung OÖ, Volkshilfe OÖ, ÖGB & Themenforum Arbeitslosigkeit, AUGE – Alternative und grüne Gewerk-schafterInnen, Solidarwerkstatt Österreich, Sozialplattform OÖ, Verein arbeitslos.selbstermächtigt, VSG – Verein für Sozial- und Gemeinwesenprojekte.

www.facebook.com/tagderarbeitslosen