ImageAb 2015 wird die LehrerInnen-Ausbildung in Österreich grundlegend reformiert. Unter anderem fällt die bisher eigenständige Ausbildung zum Sonderschulpädagogen weg und es werden deren Inhalte mit dem Studium für Primar- oder Sekundarstufenlehrer zusammengelegt. Das bedeutet, dass sich StudentInnen, die mit beeinträchtigten Kindern arbeiten wollen, zu Beginn des Studiums für eine Altersgruppe entscheiden müssen. Entweder lässt man sich zum Volksschullehrer mit Schwerpunkt Sonderpädagogik ausbilden oder man wird Hauptschullehrer und wählt ein Unterrichtsfach plus Sonderpädagogik.


Hintergrund dieser Reform ist, dass dann einerseits jeder Student lernt, wie inklusiver Unterricht (mit Einbindung geistig und mehrfach behinderter Schüler) funktioniert, andererseits sollen die Sonderschulen langfristig ganz abgeschafft werden.
 
Im ersten Moment klingt das recht vielversprechend, die Idee der inklusiven Pädagogik ist sehr visionär, es gibt nichts daran auszusetzen, sich eine Schule zu wünschen, die wirklich allen Kindern offen steht und in der sie ganz ihren individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten entsprechend gefördert werden. Es ist außerdem längst überfällig, dass sich alle LehrerInnen mit den grundlegenden Inhalten der Sonderpädagogik im Rahmen ihrer Ausbildung auseinandersetzen, da sich in jeder Regelklasse mittlerweile SchülerInnen mit Wahrnehmungs-, Konzentrations- und/oder Verhaltensproblemen befinden.

Warum ich dieser Entwicklung trotzdem sehr kritisch gegenüberstehe?

Weil es einfach Faktum ist, dass es seit Mitte der 90er Jahre immer wieder große Einsparungen im Bildungsbereich gegeben hat und es weitere in naher Zukunft mit Sicherheit geben wird. Damit Inklusion aber gelingen kann und sich die Unterrichtsqualität für die SchülerInnen (vom hochbegabten bis zum schwerstbehinderten Kind) nicht weiter verschlechtert, müssten große Beträge in die Bildung investiert werden. Das beginnt schon damit, dass im Vorfeld der genaue sonderpädagogische Förderbedarf (SPF) der SchülerInnen erhoben werden muss und sich die Ressourcenzuteilung nicht an einer theoretisch festgelegten Prozentzahl (2,7% aller PflichtschülerInnen), orientieren darf.

Es geht weiter mit der Senkung der Klassenschülerhöchstzahl auf 15 – 20 Kinder, die bei Bedarf noch weiter unterschritten werden muss. Gerade schwer mehrfach behinderte Kinder und/oder Schüler mit erheblichen emotionalen und sozialen Defiziten gelingt es oft nur in sehr kleinen Gruppen mit intensiver Zuwendung und Beziehungsarbeit seitens der Lehrpersonen zu lernen. Teamteaching, multiprofessionelle Zusammenarbeit und Ausbau des Förderunterrichts (ähnlich wie in Finnland) sind weitere wichtige Bausteine für einen gelingenden inklusiven Unterricht.

Da im Zuge der neoliberalen Sparpolitik nicht damit zu rechnen ist, dass in den nächsten Jahren deutlich in die Bildung investiert wird, sondern im Gegenteil auch hier weiter eingespart werden wird, ist es naheliegend, dass dann zumindest fallweise nur ein Lehrer in einer extrem heterogenen Klasse steht, denn er verfügt ja nun auch über ein Basiswissen in Sonderpädagogik. Er hat nun die Aufgabe, „eine Wandergruppe von Spitzensportlern und Behinderten bei Nebel durch unwegsames Gelände in nordsüdliche Richtung zu führen, und zwar so, dass alle bei bester Laune und möglichst gleichzeitig an drei verschiedenen Zielorten ankommen“ (Prof. Müller-Limmroth).

Es liegt auf der Hand, dass dann alle SchülerInnen kaum mehr adäquat gefördert werden (können). Besonders betroffen wären davon aber vor allem Kinder mit Beeinträchtigungen.

Aus diesen Überlegungen ergeben sich mehrere Forderungen:

  • Sicherstellung, dass genügend StudentInnen den Schwerpunkt Sonderpädagogik wählen (vor allem auch für die Sekundarstufe)
  • Ressourcenzuteilung nach tatsächlichem Sonderpädagogischen Förderbedarf
  • Aufstockung des Bildungsbudgets, um die Voraussetzungen für ein Schulsystem zu  schaffen, von dem alle Schüler gleichermaßen profitieren

Susanne Müller

 

2. Juli 2014