ImageDie Proteste und Kampfmaßnahmen der Studierenden sind ermutigend. Sie zeigen, dass die Versuche der Mächtigen, die Krise für das Schüren von Angst und Anpassung zu instrumentalisieren, nicht aufgehen müssen. Wir können auch mit Solidarität und Widerständigkeit reagieren, wir können damit die Grundlagen für eine demokratische Wende legen, die aus der neoliberalen Sackgasse herausführt. Die Werkstatt Frieden & Solidarität solidarisiert sich mit den kämpfenden Studierenden und wird alles in ihrer Macht stehende tun, um diese Kämpfe zu unterstützen.


Die Forderungen der Studierenden nach einer besseren materiellen Ausstattung der Universitäten und nach Aufhebung der zunehmenden Selektion im Bildungsbereich, sind sowohl in ihrem eigenen Interesse als auch im Interesse der großen Mehrheit der Bevölkerung sinnvoll und vernünftig. Und sie treffen den Kern herrschender Hochschulpolitik.

Diese bewegt sich in einem wiederkehrenden Widerspruch: Auf der einen Seite brauchen die Kapitaleliten im globalen Konkurrenzkampf zunehmend mehr wissenschaftliches Know-how. Auf der anderen Seite kostet das Geld und erzeugt, je mehr der Zugang zu Wissen und Bildung verallgemeinert wird, einen – aus ihrer Sicht unerwünschten - emanzipatorischen Überschuss. Denn bekanntlich ist Wissen auch Macht, und je breiter der Zugang zu höherem Wissen, desto höher auch die Möglichkeit zur Demokratisierung von Macht. Im sog. Bologna-Prozess haben sich die EU-Machteliten auf ein System zur Vereinheitlichung der EU-Hochschullandschaft geeinigt, um diesen Widerspruch kapital- und herrschaftskonform zu kanalisieren – durch Schaffung einer steilen Bildungshierarchie: Rasch verwertbare Schmalspurausbildung für die Masse in Form eines kurzen Bachelor-Studiums, nur mehr ein kleiner Teil dieser Studierenden soll anschließend zum Masterstudium weitergelangen, von denen wiederum nur mehr ein Bruchteil zum Doktorat. Die Länge und die Kosten der weiterführenden wissenschaftlichen Qualifikation sorgen dafür, dass sich sozialen Eliten „weitervererben“. Es ist kein Zufall, dass sich mit dem EU-Beitritt der gesellschaftliche Rückwärtsgang an den österreichischen Unis  beschleunigt hat:

-       Die studentische und demokratische Mitbestimmung wurde über weite Strecken abgeschafft bzw. zurückgedrängt, während Ministerium auf der einen Seite und Industrie- und Bankmagnanten (Androsch, Scharinger, Siemens, usw.) auf der anderen immer direkter ihre Interessen an den Unis durchsetzen können.

-       Die Studienpläne der meisten Studien wurden bereits auf die Bologna-Hierarchie umgestellt (Bachelor, Master, Doktor)

-       Einschränkung von Familienbeihilfe und Freifahrt, sowie die Einführung von Studiengebühren verschärfen die soziale Selektion (Die teilweise Abschaffung der Studiengebühren zeigt freilich auch, dass hartnäckiger Widerstand auch am Establishment nicht spurlos vorbeigeht).

-       Durch das EUGH-Urteil betreffend die Zulassung von deutschen Studierenden an den österreichischen Unis wurde der Vorwand geschaffen, Zugangsbeschränkungen für alle einzuführen. Mit dem neuen Universitätsgesetz wird es ermöglicht, solche Selektionshürden sowohl am Beginn des Studiums als auch zwischen Bachelor und Master flächendeckend zu installieren.

Zugleich kamen und kommen auch die Hochschulen verstärkt unter die Maastricht-verordnete Sparpolitik. Seit Mitte der 90er Jahren stagniert die Zahl der ProfessorInnen und sinkt die Zahl des gesamten universitären Lehrpersonals. Die ständige Verschlechterung der personellen und materiellen Ausstattung schlägt sich auch in den Studierendenzahlen nieder. Vergleicht man die 14 Jahre vor dem EU-Beitritt mit den 14 Jahren seither, so ist die Bilanz eindeutig: Von 1980 bis 1994 stieg die Zahl der Studierenden um 87%; von 1994 bis 2008 nur mehr um mickrige 3,4% (nachdem sie zwischenzeitlich nach Einführung der Studiengebühren sogar dramatischen gesunken war).
EU-Kommission und Regierungsvertreter haben bereits unmissverständlich angekündigt, dass so bald wie möglich neue Sparpakete geschnürt werden sollen. Damit sollen die Krisenlasten vorwiegend von jenen getragen werden, die in hohem Maß von öffentlichen Ausgaben abhängig sind: zukünftige Generationen, sozial Schwache, PensionistInnen, Kranke und – last but not least – Studierende und SchülerInnen.

Sparen bei der Bildung ist extrem kurzsichtig. Wir brauchen viel mehr Bildung für viel mehr Menschen, um einen demokratischen Ausweg aus den tiefen wirtschaftlichen, soziale und ökologische Krisen durchsetzen zu können. Es ist absurd zu behaupten, dass das Geld dafür nicht vorhanden wäre. Selbst im Krisenjahr 2008 haben die 40 börsenotierten ATX-Unternehmen mehr Dividende an ihre Aktionäre ausgeschüttet als das gesamte Hochschulbudget ausmacht. Von 2006 bis 2008 wurde das Militärbudget um 740 Millionen erhöht – alleine dieser Zuwachs für Rüstung entspricht einem Drittel des gesamten Budgets für den tertiären Bildungssektor im vergangenen Jahr.

Staatliche Sparpakete, Sozial- und Bildungsabbau stellen keinen Ausweg aus der Krise dar, im Gegenteil: Diese Politik hat maßgeblich die derzeitigen wirtschaftlichen Verwerfungen verursacht. Wir brauchen einen Weg raus aus der Sackgasse statt noch weiter in sie hinein. Die Bewegung der Studierende gegen den herrschenden Bildungsnotstand kann auch anderen Bevölkerungsgruppen Mut machen, aktiv für ihre Interessen und gemeinsam für eine solidarische, ökologische und demokratische Wende einzutreten: Umverteilung von oben nach unten, Schaffung zukunftsfähiger Arbeitsplätze durch massive Steigerung der öffentlichen Ausgaben für Bildung, Gesundheit, soziale Sicherheit, umweltfreundlichen Verkehr und erneuerbare Energien! Alle, die sich in diese Richtung engagieren wollen, laden wir herzlich zur Mitarbeit bei der Werkstatt Frieden & Solidarität ein.

Am Mittwoch, 28. Oktober 2009 finden in vielen Hochschulstädten Demonstrationen gegen den Bildungsnotstand statt. Hinkommen, mitmachen! Aktuelle Termine auch unter http://unibrennt.at/

Livestream aus dem besetzten Audi-Max http://www.ustream.tv/channel/unsereuni#unsereuni

Für eine demokratische, solidarische und ökologische Wende siehe auch www.werkstatt.or.at