ImageLehrerInnen schlagen Alarm. Durch die überhastete und ungenügend vorbereitete Einführung der teilzentralen Reifeprüfung drohen einem ganzen Jahrgang von SchülerInnen erhebliche Nachteile bei der Matura. Teile der Lehrerschaft appellieren an BM Claudia Schmied die Einführung zu verschieben. Presseerklärung und Offener Brief des LehrerInnenkollegiums des GRG 21, Schulschiff „Bertha von Suttner“ (Wien) an Bildungsministerin Schmied.



Geht es nach BM Claudia Schmied so werden ab dem Schuljahr 2013/2014 alle AHS-MaturantInnen bei der schriftlichen Reifeprüfung zentral vorgegebene Fragestellungen beantworten müssen. Die Kritik der PädagogInnen macht sich an zwei Punkten fest.

„War bisher in der Oberstufe Individualisierung gefragt, in Wien etwa mit dem Schulversuch „Modulare Oberstufe“, so erfordert die neue Reifeprüfung das Abgehen von unserem schülerzentrierten, individualisierten Unterricht“, klagt Mathematikprofessorin Mag. Judith Bachmann, Obfrau des Dienststellenausschusses am Schulschiff. „Unser bewährtes Kurssystem, an dem wir jahrelang gearbeitet haben, ermöglicht es den SchülerInnen, eigenverantwortlich und entsprechend ihren Interessen Kurse aus einem Angebot zu wählen. Dieser Schulversuch wird durch die Einführung der neuen Reifeprüfung gefährdet.“ Außerdem seien die SchulpartnerInnen (SchülerInnen, Eltern, LehrerInnen) zu wenig bei der Erarbeitung der neuen Reifeprüfung einbezogen worden.

Aber auch die bisherige Vorbereitung dieser grundlegenden Veränderung der Reifeprüfung ist aus Sicht der LehrerInnen viel zu vage und zögerlich. „Uns läuft die Zeit davon. SchülerInnen der nächstjährigen 5. Klassen müssen bereits ab Herbst auf die neue Reifeprüfung vorbereitet werden“, stellt Mag. Berthold Gubi von der Personalvertretung am Wiener Schulschiff fest. „Fortbildung dazu soll es laut Ministerium in den kommenden Jahren geben. Wir müssen aber schon jetzt wissen, welche konkreten Anforderungen und Modalitäten sich für unsere SchülerInnen durch eine teilzentrale Reifeprüfung ergeben !“ Es gehöre zu den Aufgaben der LehrerInnen, die betroffenen SchülerInnen und deren Eltern über die zukünftige Form der Reifeprüfung zu informieren. 

In einem Offenen Brief an die Ministerin fordert das LehrerInnenkollegium des Wiener Schulschiffes nun eine Verschiebung der Reform. Darüber hinaus erwarten sich die LehrerInnen eine bessere Einbeziehung aller Schulpartner und hoffen, dass die Bundesministerin die geäußerte Kritik an einzelnen Aspekten der neuen Reifeprüfung ernst nimmt.

Beilage: Offener Brief des LehrerInnenkollegiums des GRG 21, Schulschiff „Bertha von Suttner“, zur Einführung der standardisierten, kompetenzorientierten Reifeprüfung Donauinselplatz, 1210 Wien.
Ansprechpartner: Mag. Berthold Gubi (Tel.: 0650/4083283)




OFFENER BRIEF

LehrerInnenkollegium des GRG 21, Schulschiff Bertha von Suttner
Donauinselplatz
1210 Wien

 

An Frau
Bundesminister Dr. Claudia Schmied
Minoritenplatz 5

1014 Wien

 

Wien, am 15. März 2010

 

Betreff:   Offener Brief des LehrerInnenkollegiums des GRG 21,Schulschiff Bertha von Suttner, zur Einführung der standardisierten, kompetenzorientierten Reifeprüfung

  

Sehr geehrte Frau Bundesminister!

Wir, das LehrerInnenkollegium des GRG 21, Schulschiff Bertha von Suttner, haben uns im Rahmen eines sechsjährigen Schulentwicklungsprojekts mit der Ausgestaltung eines Schulversuchs für die Oberstufe befasst, der den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, eigenverantwortlich und entsprechend ihren Interessen Kurse aus einem Angebot zu wählen. Daher haben wir in den vergangenen Jahren die Absicht der Parteien und Ihres Ministeriums zur Einführung einer Zentralmatura mit Unbehagen und Skepsis verfolgt, sahen wir doch unseren Schulversuch durch die Einführung der neuen Reifeprüfung gefährdet.

Im Oktober vergangenen Jahres hat der Österreichische Nationalrat auf Ihre Initiative eine Novelle des Schulunterrichtsgesetzes beschlossen, welche die Durchführung der neuen Reifeprüfung für das Schuljahr 2013/14 vorsieht. Seitdem sind wir bemüht, uns über die Anforderungen und Abläufe der neuen Matura zu informieren, um unsere Schülerinnen und Schüler bestmöglich darauf vorbereiten zu können.

Mit Erstaunen und großem Unverständnis haben wir einer Broschüre Ihres Ministeriums unter der Überschrift „Wie werden die LehrerInnen auf die neue Reifeprüfung vorbereitet?“ folgenden Passus entnommen: „In den kommenden Jahren werden zahlreiche Schulversuche durchgeführt. Viele (vor allem fachbezogene) Fortbildungsveranstaltungen und Handreichungen werden in den kommenden Jahren die Stützen dieses Konzeptes sein. Den Fach-ARGE wird in diesem Veränderungsprozess eine wichtige Vermittlerrolle zukommen.“ (>SCHULNEWS< 2, September 2009, S. 4)

Das bedeutet: Die LehrerInnen werden „in den kommenden Jahren“ darauf vorbereitet, wie sie ab September 2010 die Schülerinnen und Schüler der 5. Klassen auf die neue Matura vorbereiten sollen! Wir beurteilen diese Situation für die davon betroffenen Schülerinnen und Schüler der Unterstufenklassen und der Hauptschulen als unverantwortbar. Wir ersuchen Sie daher dringend, die von Ihnen parlamentarisch in die Wege geleitete Einführung der neuen Reifeprüfung mit Schuljahr 2013/14, was den Zeitpunkt betrifft, zu korrigieren. Es kann nicht sein, dass LehrerInnen wie SchülerInnen erst im Maturajahr oder knapp davor erfahren, welchen konkreten Anforderungen und Modalitäten sie sich bei der Reifeprüfung stellen müssen. Es gehört zu unseren Aufgaben, die betroffenen Schülerinnen und Schüler und deren Eltern über die zukünftige Form der Reifeprüfung in der bisher vorliegenden Fassung zu informieren.

Darüber hinaus bitten wir Sie eindringlich, die Erarbeitung der neuen Reifeprüfung unter Einbeziehung aller Schulpartner zu organisieren und bereits jetzt geäußerte Kritik an einzelnen Aspekten der neuen Reifeprüfung ernst zu nehmen. Auch in unserem LehrerInnenkollegium werden die bisher bekannt gewordenen Eckpfeiler der neuen Reifeprüfung kritisch hinterfragt. Wir sehen es als vertane Chance, wenn Sie die Anregungen derjenigen, welche die Umsetzung der Neuregelung leisten müssen, nicht berücksichtigen, indem Sie die Umsetzung ohne ausreichende Probephase vorantreiben.

Mit freundlichen Grüßen

Mag. Judith Bachmann, Mag. Berthold Gubi, Mag. Barbara Holy-Kiermayr, Mag. Natascha Kutusow (Dienststellenausschuss)

für das LehrerInnenkollegium des GRG 21, Schulschiff Bertha von Suttner