Johann Zuljevic-SalamonInterview mit Johann Zuljevic-Salamon, Gründer der Firma "Die Querdenker" zu den Hintergründen der drastischen Sparmaßnahmen bei Menschen mit Beeinträchtigung, die derzeit in Oberösterreich geplant werden.

Frage an Johann Zuljevic-Salamon, Gründer der Firma Die Querdenker:
Im Jänner wurde bekannt, dass im Bereich der Behindertenbetreuung (?) in Oberösterreich 25 Mio Euro, das sind angeblich 7% dieses Budgettopfs eingespart werden sollen. Hast Du eine Erklärung für diese drastischen Sparmaßnahmen?
 
Johann Zuljevic-Salamon: Ich glaube ja so ganz grundsätzlich das die budgetäre Gesamtsituation Österreichs viel schlechter ist, als bekannt ist. Ich glaube es werden gerade immense Summen für Bankenrettungen bzw. Bankenabwicklungen einerseits und andererseits große Summen zur Finanzierung von Kurzarbeitsprogrammen die zum Teil schon bekannt sind, und die uns zum Teil in den nächsten Wochen und Monaten präsentiert werden sollen, umgeschichtet werden müssen, die aber der Wirtschaftssektor verlangt. Weiters steckt da meiner Meinung nach ein  gut vorbereiteter Plan dahinter. Das hat mit der Mindestsicherung (so restriktiv wie sie eingeführt wurde), mit der katastrophalen Pensionsreform, Einführung Rehageld etc. zu tun.
 
Es wird sukzessive an der Bildung eines Sektors gearbeitet den man in Deutschland Hartz IV Sektor nennt. Es wird in den nächsten Jahren und Jahrzenten eine relativ große Menge an TransferleistungsbezieherInnen geben, die in diesem System gefangen sind und mittelfristig keine Chance mehr haben da raus zu kommen. Nur so gelingt es Arbeitsbedingungen laufend zu verschlechtern, den Druck zu erhöhen und sich einen Hinterhof von relativ anspruchslosen Menschen zu halten, die den Markt bedienen und dynamisch halten. Die künstliche Dynamisierung des Arbeitsmarktes ist es, die dieses System am Laufen hält. Wenn man die Aktionen der letzten Jahre nebeneinander legt erkennt man das System dahinter. Schrittweise Verschlechterung des AMS Systems, Reduzierung der aktiven Arbeitsmarktpolitik, Einführung einer sehr restriktiven Mindestsicherung die Vorsorge nicht zulässt sondern Abhängigkeit verlangt und fördert, Rausschmiss vieler dauerhaft oder zeitlich begrenzt kranker Menschen aus dem System der Pensionsversicherung, Einführung des Rehageldes vor absichernder Pensionsleistung, Diskussion des Teilzeitkrankenstandes mit Unterstützung der AK und so weiter, sind keine zufällige Anordnung von Böswilligkeiten sondern die gezielte Schaffung eines exkludierten Personenkreises.

Wie wirken sich die Sparmaßnahmen in Deinem Betrieb aus?

Wir haben fast die Hälfte unseres österreichischen Geschäftes verloren. Glücklicherweise war das schon vorher absehbar und ich habe rechtzeitig begonnen gegen zu steuern, so konnte ich das meiste durch ein verstärktes Engagement in internationalen Projekten auffangen. Die Querdenker sind eine soziale Firma nach den CEFEC Kriterien. Das heißt das ein hoher Prozentsatz unserer MitarbeiterInnen Personen mit besonderen Bedürfnissen sind. Ich bin sehr froh und stolz dass wir alle halten können, und niemanden abbauen müssen. Derzeit arbeiten insgesamt 17 Personen in Österreich, Rumänien und Rep. Moldawien für die Querdenker.

Bis jetzt ist es auffallend ruhig. Wird es Widerstandsaktionen der Trägerorganisationen geben?

Ich glaube es wird keine großen gemeinsamen Aktionen geben weil sich vor allem die großen Träger absolut uneins sind und Einzelne hoffen aus dem Nachteil der Anderen Profit schlagen zu können. Das hat auch in der Vergangenheit schon gut funktioniert und wird auch diesmal wieder gut gehen. Es wird keine Kampfmaßnahmen geben, vielleicht ein bisserl Theaterdonner aber nix ernsthaftes, weil es ist ja in Wirklichkeit e schon durch und über die Bühne gegangen ist. Fakt ist, wir verabschieden uns gerade von einer Qualität in der sozialen Dienstleistung die es in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nicht mehr geben wird.

Der Grund dafür ist nicht wirklich die nicht Finanzierbarkeit, sondern nur die politische Prioritätensetzung in der öffentlichen Finanzierung. Es ist klar, es wird auch in Zukunft keine Besteuerung des besitzenden Viertels im Land zugunsten des nicht besitzenden Drittels geben, damit ist auch klar dass Systeme Einzug halten werden die stärker auf eine Selbstfinanzierung sozialer Dienstleistungen setzen, und in der Breitenversorgung werden Systeme und Qualitäten eingezogen die eben dann noch möglich sind. Der Charme des Substandards wird Alltag werden. In unseren internationalen Projekten beschäftigen wir uns sehr mit der Anhebung der Sozialstandards in Ländern wie Rumänien oder den Balkanstaaten. Ich hätte nicht gedacht dass es so eine starke Gegenbewegung zum Upgrade der Sozialsysteme in diesen Ländern durch das Downgrade in den zentraleuropäischen Staaten gibt. Es gibt zwar noch immer einen erheblichen Abstand, aber der Annährungsprozess ist viel dynamischer als ich noch vor ein paar Jahren gedacht habe.