Irina Vana, Aktivistin des Volksbegehrens "Arbeitslosengeld rauf!", argumentiert im Standard-Kommentar der Anderen, warum es hoch an der Zeit, das Arbeitslosengeld sofort und dauerhaft anzuheben.

Bei bescheidener Lebensführung braucht ein Singlehaushalt in Österreich für Miete, Strom, Essen, Telefon und Mobilität rund 1.426 Euro im Monat. Arbeitslose haben im Schnitt weniger als 1.000 Euro im Monat zur Verfügung; 36 Prozent der arbeitslosen Haushalte sind von Armut bedroht. Grund ist die auch im internationalen Vergleich geringe Nettoersatzrate von 55 Prozent des letzten Gehalts.

Das Volksbegehren "Arbeitslosengeld rauf!", das seit Anfang Juni zur Unterstützung aufliegt, problematisiert diesen Missstand. Gefordert wird eine dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf mindestens 70 Prozent und eine entspreche Anpassung der Notstandshilfe sowie die Entschärfung der Zumutbarkeitskriterien für Arbeitslose.

Es soll eine Politik angestoßen werden, die nicht die Arbeitslosen, sondern Arbeitslosigkeit bekämpft – etwa durch öffentliche Investitionen zur Schaffung von Arbeitsplätzen und eine inklusive Arbeitsmarktpolitik.

Schafft keine Jobs

Ein existenzsicherndes Arbeitslosengeld erhält die gesellschaftliche Teilhabe der Arbeitslosen und schützt vor Folgekosten durch Krankheit und psychische Belastungen. Der Erhalt der Kaufkraft von Arbeitslosen trägt auch zur Bewältigung der wirtschaftlichen Krise bei.

Im Mai standen rund 320.000 Arbeitslose etwa 97.600 offenen Stellen gegenüber. Warum also hält sich die Mär, dass der Existenzdruck auf Arbeitslose Arbeitslosigkeit bekämpft?

Ein geringes Arbeitslosengeld schafft keine Jobs. Vielmehr werden Menschen gezwungen, schlechtbezahlte Arbeit anzunehmen. Der Niedriglohnsektor wächst an, und die Phasen der Arbeitslosigkeit häufen sich. Ein höheres Arbeitslosengeld erlaubt es Arbeitslosen hingegen, nach einer passenden Stelle zu suchen, und stärkt damit die Verhandlungsposition aller Lohnabhängigen. Es ist daher ein wichtiges Mittel der Lohnpolitik.

Die Antwort der Regierung auf die Forderung nach einem höheren Arbeitslosengeld ist der Vorschlag eines degressiven Arbeitslosengeldmodells, das nach einem anfangs höheren Bezug absinkt. Ein solches marginalisiert vor allem jene, die schwerer eine Stelle finden. Es bedeutet die Abkehr von dem versicherungsbasierten Regime sozialer Absicherung, das auf den Statuserhalt ausgerichtet ist, und die Hinwendung zu einem Regime der Fürsorge in der Tradition einer Politik, die die Schuld für Arbeitslosigkeit bei den Arbeitslosen verortet.

"Und wer soll das bezahlen?", fragen Unternehmensvertretungen. Zur Erinnerung: Im Jahr 2020 wurden mehr als 18 Milliarden Euro an Unternehmenssubventionen ausbezahlt. Rund 5,5 Milliarden davon flossen in die Kurzarbeit. Der Großteil der Förderungen ging mithin direkt an die Unternehmen. Die Regierung setzte bei den Corona-Hilfen ihre unternehmensfreundliche Politik fort. Jene, die am stärksten unter den Folgen der Pandemie leiden, werden am schwächsten unterstützt. Was wir uns leisten können, ist eine politische Frage und keine Frage der Ressourcen.

Es ist Zeit, die Gelder dort einzusetzen, wo sie zur Armutsbekämpfung gebraucht werden, denn staatliche Unterstützungen dienen nicht der Sicherung privater Profite. Die dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes ist ein Schritt in die richtige Richtung. 

(Standard, 18.6.2021)

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