ImageDie Solidarwerkstatt sammelt bereits seit einigen Monaten Unterschriften für die Petition „Pflege in die Sozialversicherung“. Wir wollen hier nochmals die Grundgedanken und oftmals an uns dazu gestellte Fragen wie u.a.: "was bedeutet Umstellung auf das Sachleistungsprinzip", "warum löst der Pflegefonds nicht den Pflegenotstand", erläutern. Weitere Fragen dazu beantworten wir gerne per Mail unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!  oder am Telefon unter 0732/771094 (Mi und Do von 13:00 - 17:00h).


Der Grundgedanke zur Petition „Pflege in die Sozialversicherung“

1) Umstellung vom derzeitigen (vorwiegenden) “Geldleistungsprinzip” auf das sog. „Sachleistungsprinzip“. D.h. anstatt pflegebedürftigen Menschen Geld – in der Regel (viel) zu wenig – in die Hand zu drücken, um sich die Pflege „einzukaufen“, haben alle Pflegebedürftigen einen Rechtsanspruch auf qualitativ hochstehende Pflegedienste- und –leistungen (ähnlich der sozialen Krankenversicherung).

2) Finanzierung über die Einbeziehung der Pflege in eine reformierte Sozialversicherung, wo die gesamte Wertschöpfung, also auch Gewinne, Abschreibungen, Fremdkapitalzinsen, Mieten, Pachten, erfasst wird und alle Bevölkerungsgruppen erreicht werden. Das ebenso einfache wie solidarische Prinzip: Jeder zahlt entsprechend seiner finanziellen Leistungsfähigkeit, jeder hat im Gegenzug Anspruch auf die selben qualitativ hochstehenden Dienstleistungen. D.h. Schluss mit der derzeitigen „Zwei-Klassen-Pflege“!

Es freut uns, dass die Idee der Einbeziehung der Pflege in die Sozialversicherung Kreise zu ziehen beginnt. Vor allem Menschen, die den derzeitigen Pflegenotstand am eigenen Leib verspüren, aber auch Gemeindevertreter, deren Haushaltskassen durch diesen Notstand immer klammer werden, reagieren positiv auf diese Idee. So unterstützte etwa der Bürgermeister von Traiskirchen Fritz Knotzer die Forderungen der Solidar-Werkstatt. Und der Bürgermeister von Eidenberg Adi Hinterhölzl forderte in einem Offenen Brief die Nationalratsabgeordneten auf, endlich eine gesetzliche Pflegeversicherung einzuführen. Sein Mahnruf: „Der Pflegebereich kann doch kein Glücksspiel sein, wo im Sozialstaat Österreich durch Unfälle oder Krankheiten Existenzen zerstört werden.“ (01.03.2011) Image

Oftmals an uns dazu gestellte Fragen:

  • Bedeutet die Umstellung auf das „Sachleistungsprinzip“ nicht, dass die Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen eingeschränkt wird?

    Nein, weil wir das skandinavische Modell vor Augen haben, wo der Pflegebedürftige selbst darüber entscheidet, unter welchen Rahmenbedingungen er sich von wem pflegen lassen will. Das können soziale Einrichtungen genauso sein wie seine Angehörigen. In Schweden etwa werden diese dann von den Gemeinden angestellt und sind somit sozial- und arbeitsrechtlich abgesichert. Wir meinen: Erst unter solchen Bedingungen kann wirklich von Wahlfreiheit gesprochen werden, denn die derzeitigen Pflegegeldleistungen reichen für anständige Entlohnungen oft überhaupt nicht aus, führen daher entweder zur Überbelastung im Familienbereich, prekären Arbeitsverhältnissen bzw. zur nicht erwünschten Pflege in Heimen.

  • Wäre nicht eine Vermögenssteuer zur Finanzierung der Pflege sinnvoller als die Einbeziehung in die Sozialversicherung?

    Natürlich halten wir Vermögenssteuern für sinnvoll, aber als Finanzierungsgrundlage für die laufenden Ausgaben des Soziastaates sind sie brandgefährlich. Denn Vermögen und ihre Bewertungen sind, die Finanzkrise hat das drastisch verdeutlicht, höchst schwankend. Wollen wir die Finanzierung des Sozialstaats von den Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten abhängig machen? Wir sehen Vermögenssteuern vorwiegend als Lenkungssteuern: Sie besteuern ein gesellschaftliches Übel, sprich den überbordenden Reichtum weniger bzw. die spekulative Exzesse der Reichen und Superreichen. Der Erfolg dieser Steuer bemisst sich – ähnlich wie Öko-Steuern – daran, dass ihre Einnahmen in dem Maß weniger werden, wie das ihnen zugrunde liegende Übel zurückgedrängt werden kann. Wer die Finanzierung des Sozialstaates an Vermögenssteuern koppelt, müsste jedoch auf einmal ein Interesse an wachsender Ungleichverteilung und Spekulationsexzessen haben, um sich Pflege, Gesundheit usw. noch leisten zu können. Das wäre wohl die letzte Kapitulation vor dem Neoliberalismus! Eine stabile und nachhaltige Finanzierung des Sozialstaates muss daher über wertschöpfungsbezogene Abgaben erfolgen.

  • Hat die Regierung mit der Einrichtung des Pflegefonds nicht bereits den Pflegenotstand in den Griff bekommen?

    Daran zweifelt selbst die Regierung, die den Pflegefonds auch nur als „Übergangslösung“ bis 2014 bezeichnet. Danach könnte sich sogar Sozialminister Hundstorfer eine „Versicherungslösung“ vorstellen. Der jetzige Pflegefonds ist mehrfach unzureichend: Zum einen wird nur wieder (zum Teil) zurückgeben, was zuvor genommen wurde: Der Bund spart nämlich beim Pflegegeld bis 2014 rund 580 Millionen Euro durch verschärfte Zugangskriterien ein und gibt davon jetzt 457 Millionen Euro an die Länder und Gemeinden mit dem Mascherl Pflegefonds weiter. Das ist ein „Etikettenschwindel“ (NR-Abg. Öllinger). Zum anderen ist die Gesamtsumme von knapp 700 Millionen verteilt auf vier Jahre nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Bis 2020 wird mit zusätzlichen Pflegekosten in der Höhe von 1,7 Mrd. (WIFO) bzw. von  2 Mrd. (GPA) pro Jahr gerechnet, der Pflegefonds macht also jährlich nur rd. ein Zehntel dieser Summe aus.

Nähere Informationen dazu auf www.solidarwerkstatt.at (sh. Rubrik “Kampagnen & Projekte”).