Das solidarische Pensionssystem gerät immer mehr ins Visier der Neoliberalen. Es droht ein massiver Anstieg der Altersarbeitslosigkeit. Pensionsraub und Lohnraub sind dabei zwei Seiten einer Medaille.

 

Die sog. „Pensionsreform“ aus dem Jahr 2003 stellt einen negativen Markstein in der Sozialgeschichte der zweiten Republik in Österreich dar. Nie vorher war ein Sozialraub dreister, frecher und tief greifender als diese „Pensionssicherungsreform“ der schwarz/blauen Koalition (die dann auch noch die Zustimmung der oppositionellen Grünen und SozialdemokratInnen sowie des ÖGB gefunden hatte). Durch die „Reformen“ konnten massive Kürzungen des Pensionsniveaus durch eine Verlängerung des bisherigen Durchrechnungszeitraumes von 15 Jahre auf die gesamteLebensarbeitszeit sowie abfallend geringere Steigerungssätze bei der Berechnung der Pensionen durchgedrückt werden. Kurz gesagt:

Die Reform führt im Endstadium bei bis zu 40 Versicherungsjahren zu einer Pensionsminderung um durchschnittlich 38% und bei 45 Versicherungsjahren von 27%. (vgl. Hans-Böckler-Stiftung, Jänner 2005) Bereits diese „Pensionsreform“ hatten den ungeteilten Applaus der EU-Kommission gefunden, geht sie doch unmittelbar auf die „EU-Lissabon-Strategie 2010“ aus dem Jahr 2000 zurück. Damals vereinbarten die EU-Staatschefs, bei den Sozialausgaben, insbesondere bei den Pensionen, auf die Bremse zu steigen. Es ist wohl kein Zufall, dass exakt ab diesem Zeitpunkt die Anpassung der Pensionen an die Inflation fallen gelassen wurde. Seit 2000 verlieren die PensionistInnen in Österreich real über 7% an Kaufkraft (sh. Grafik).

Doch dieser Raubzug an den Pensionen ist den KommissarInnen in Brüssel zu wenig, viel zu wenig. Am 21.09.2012  lässt der EU-Kommissar Laszlo Andor in einem Interview (Standard, 19.9.2012) die Katze aus dem Sack. Die Lohnabhängigen arbeiten dem „Sozial“Kommissar viel zu kurz. Das Pensionantrittalter soll weit über das 65. Lebensjahr hinaus um weitere 5 bis 7 Jahre ausgedehnt werden. Also Anhebung auf 70 bis 72 Jahre. Hintergrund dafür ist der EU-Fiskalpakt, samt Reduktion von Ausgaben- und Abgabenquoten. Auch die Anhebung der Pensionen um einem Prozent unter der Inflationsrate im Jahr 2013 findet bereits unter dem Eindruck des EU-Fiskalpaktes statt. Dabei liegen die realen Kaufkraftverluste für PensionistInnen wohl deutlich höher als 1 Prozent, da die Inflation beim sog. „Kleinen Warenkorb“, der die Güter des alltäglichen Verbrauchs umfasst, oftmals beim Doppelten der „durchschnittlichen“ Teuerung liegt.

Dieser Angriff auf die Pensionen ist umso unverschämter, wenn man sich die realen Lebensverhältnisse der Mehrheit der Menschen anschaut. Der derzeitige Ausgleichzulagenrichtsatz liegt bei 814,82,-, das ist sage und schreibe über 20% unter der Armutsgefährdungsschwelle von 1.031 Euro. Von 2,2 Millionen Pensionen liegen über 1,2 Millionen unter dieser Armutsgefährdungsschwelle. Deutlich über 10 Prozent (exakt 239.800) aller PensionistInnen bekommen nur den Ausgleichszulagenrichtsatz - und das oft nach bis zu 50 harten Arbeitsjahren. Untersuchungen der Arbeiterkammer zeigen, dass der Anteil der ArbeitnehmerInnen, die mit ihrem Arbeitseinkommen nicht mehr über die Runden kommen, deutlich ansteigt. Im Jahr 2000 waren es 256.000 Beschäftigte (rd. 8%), im Jahr 2008 bereits 350.000 (10%). Wenn sie schon mit ihrem Erwerbseinkommen nicht auskommen, wie wird das erst in der Pension sein?

ImageDabei ist gerade die wachsende Ungleichverteilung auch einer der Hauptgründe für die Austrocknung der sozialen Kassen. Seit dem EU-Beitritt gab es einen Reallohnverlust von -0,5%, während die Pro-Kopf-Steigerung der Produktivität um 24% zugenommen hat. Wären die Löhne und Gehälter im Ausmaß der Produktivität mitgewachsen, hätten die ArbeitnehmerInnen im Zeitraum 1995 bis 2010 nicht nur netto 63 Milliarden mehr in ihren Brieftaschen, auch die sozialen Kassen hätten um 28 Milliarden Euro mehr erhalten, davon alleine fast 18 Milliarden für die Pensionsversicherung. Die Ausweitung prekärer Beschäftigung haben drastische Auswirkungen auf Einkommen,  Pensionssystem und die zukünftige Pensionshöhe des einzelnen:

  • im Jahr 2009 sind rund 1.000.000 Menschen, das waren 29,6% aller unselbstständigen Erwerbstätigen atypisch beschäftigt (alleine im Teilzeitbereich waren das 886.000 Lohnabhängige, davon wieder 732.000 Frauen)
  • 188.000 Lohnabhängige haben nur befristete Arbeitsverhältnisse
  • 65.000 Unselbstständige haben als Leih- oder ZeitarbeitnehmerInnen keinerlei gesicherte Arbeitssituation
  • völlig den kurzfristigen Schwankungen der ArbeitgeberInnen ausgeliefert sind die 53.600 Freien DienstnehmerInnen
  • atypische Beschäftigungsverhältnisse sind deutlich häufiger im Niedriglohnsektor anzutreffen; allein 24,2% aller lohnabhängigen Frauen sind im Niedriglohnbereich beschäftigt (Brutto-Stundenlohn unter 7,65 Euro), der Frauenanteil in diesem Bereich beträgt 68,3%.

Es ist unter diesen Bedingungen absehbar, dass nicht nur die „working poor“, sondern auch die Altersarmut dramatisch zunehmen wird. Beschäftigte und PensionistInnen dürfen sich daher nicht gegeneinander ausspielen lassen. Schluss daher mit Nulllohnrunden oder Abschlüssen unter der Inflationsrate, ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen haben gleichermaßen einen Anspruch auf Inflationsausgleich (gemessen an den realen Lebenshaltungskosten!) und volle Beteiligung am Produktivitätswachstum. Wir brauchen eine deutliche Anhebung der Mindestlöhne und der Mindestpensionen. Wir brauchen die Ausweitung der Sozialversicherungspflicht auf die gesamte Wertschöpfung (inklusive Abschreibungen, Gewinn- und Besitzeinkommen). Und nicht zuletzt: die Rücknahme der unsozialen „Pensionssicherungsreform“ aus dem Jahre 2003!

Rudi Schober

 

„Die früher sterben, sollen länger arbeiten“

Zwei Stehsätze werden wieder einmal landauf, landab getrommelt: Erstens: Die Menschen werden immer älter. Deswegen müsse zweitens das Pensionsalter angehoben werden. Zweiteres ist schon deswegen fragwürdig, weil nicht berücksichtigt wird, dass auch die Produktivität der im Erwerbsleben Stehenden deutlich ansteigt. Doch stimmt überhaupt der erste Stehsatz? Im statistischen Durchschnitt offensichtlich, was ja auch ein Grund zur Freude ist. Viel weniger erfreulich ist jedoch, dass neuere Studien darauf hindeuten, dass die Lebenserwartung sozial benachteiligter Menschen bereits wieder sinkt. Hohe Arbeitslosigkeit, ständige Existenzsorgen und wachsender Arbeitsstress nagen offensichtlich an der Gesundheit. Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Lebenserwartung für Menschen ohne einen Schulabschluss mit geringer Bildung innerhalb der letzten 20 Jahre um fünf Jahre gesunken ist. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt eine Untersuchung der deutschen Rentenversicherung für die BRD. So hat die Lebenserwartung gering verdienenden Männer (weniger als 75% des Durchschnittslohns) in Deutschland in den letzten zehn Jahren um fast 2 Jahre abgenommen; unter geringverdienenden Männern der ehemaligen DDR sogar um fast vier Jahre. Deren Lebenserwartung ist zwischen 2001 und 2010 von 77,9 Jahren auf 74,1 Jahre zurückgegangen. Das liegt nur mehr wenig über den 72 Lebensjahren, auf die die EU-Kommission das Pensionsantrittsalter anheben möchte. Die dahinter stehende Devise hat der Publizist Richard Schuberth zutreffend aufs Korn genommen: „Die früher sterben, sollen länger arbeiten, damit die, die länger leben, länger ihre hohen Renten und Privatvermögen genießen dürfen. Ansonsten, sagt der Sachzwang, sei das Pensionssystem nicht mehr zu retten.“ (Standard, 5.10.2012)

 

Mitmachen, sich engagieren, weiterverbreiten!

Online unterschreiben "Für eine volle Teuerungsabgeltung für alle Pensionistinnen und Pensionisten!"  Hier unterschreiben - Vielen Dank!

Unterschriftenlisten zum Herunterladen
Falter zum Verteilen kann bestellt werden bei Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!


Veranstaltungshinweise:


- Dabei sein beim Tafelmarsch "Gegen PensionsRaub". Setzen wir uns gemeinsam "Für eine volle Teuerungsabgeltung für alle PensionistInnen und Pensionisten!" am: Sa, 8. Dezember 2012 in Linz ein. Treffpunkt: 11h Schillerpark

-
Ebenfalls Sa, 8. Dezember 2012 veranstaltet die Solidar-Werkstatt in Wien einen Infostand mit Unterschriftensammlung für den vollen Teuerungsausgleich bei den Pensionen, Ort: Karmelitermarkt (Leopoldsgasse 45, 1020 Wien), 10.00 - 12.00 Uhr

Rückfragen, Informationen: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder T0732 77 10 94