Im Frühjahr setzte sich die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer noch für die Anhebung des Arbeitslosengeldes ein. Im aktuellen Krone-Interview will sie davon nichts mehr wissen und wärmt eine Idee aus der türkis-blauen Giftküche auf: das „degressive Arbeitslosengeld“, mit dem auf jene, die länger arbeitslos sind, Druck gemacht werden soll, zu Dumpinglöhnen zu arbeiten. Das erklärt auch, warum jetzt wiederum nur ein befristetes Almosen von dreimal Eur 150,- für Arbeitslose von Vizekanzler Kogler angekündigt wird und im Budgetvoranschlag nichts für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes vorgesehen ist. 

Solidarwerkstatt Österreich
Waltherstraße 15
4020 Linz

Offener Brief an alle Grünen Nationalrats-Abgeordneten

Betrifft Arbeitslosengeld: Wie stehen Sie zu den asozialen Aussagen der grünen Klubobfrau Sigrid Maurer?

Wie soeben bekannt wurde, plant die Regierung eine weitere einmalige Zuzahlung für „Corona-Arbeitslose“ bis zu 450 Euro. Eine dauerhafte Anhebung der in Österreich besonders niedrigen Nettoersatzrate von 55% lehnt die grüne Klubobfrau Sigrid Mauer im aktuellen Krone-Interview dezidiert ab. Sie legt damit eine völlige Kehrtwende gegenüber dem Frühjahr hin, wo sie sich – in Beantwortung eines Offenen Briefs der Solidarwerkstatt – ausdrücklich für eine Erhöhung der Nettoersatzrate aussprach. Mehr noch: Mit diesen befristeten Almosen verbindet Maurer bereits die Absicht, am Ende des Tages ein „degressives Arbeitslosengeld“ einzuführen. D.h. je länger jemand arbeitslos ist, desto niedriger das Arbeitslosengeld.

Wir zitieren aus dem Interview in der Kronen-Zeitung am 18.10.2020:

Frage: Nicht im Budget verankert ist, obwohl im Sommer vom Grünen-Chef erhofft, eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes, die über die Einmalzahlung hinausgeht.

Antwort Maurer: Die Umgestaltung des Arbeitslosengeldes wäre jetzt nicht sinnvoll. Das ist ein Projekt, das Sinn macht, wenn die Beschäftigungskrise überwunden ist. Jetzt in der Krise haben wir andere Unterstützungsleistungen.

Frage: Aber es sind doch jetzt über 400.000 Leute arbeitslos.

Antwort Maurer: Die Umgestaltung hätte eine Erhöhung am Anfang zum Ziel. Je länger man arbeitslos ist, desto weniger wird es. Das hat aber keinen Sinn, wenn es so wenige Jobs wie jetzt gibt.

Diese Aussagen der Grünen Klubobfrau sind aus unserer Sicht asozial und zynisch:

  • Den Arbeitslosen wird eine dauerhafte Hilfe verweigert, weil sie zu viele sind. Dazu kommt: Menschen, die schon länger arbeitslos sind, schauen auch bei diesen einmaligen Almosenzahlungen durch die Finger. Das betrifft viele, denn die Zahl der Langzeitarbeitslosen ist – nicht erst seit Corona - in den letzten Jahren massiv nach oben gegangen.
  • Und gerade den Langzeitarbeitslosen stellt Sigrid Maurer mit dem „degressiven“ Arbeitslosengeld bereits jetzt die Rute ins Fenster. Diese Idee stammt bekanntlich aus der Giftküche der türkis-blauen Regierung, um Langzeitarbeitslose dazu zu zwingen, möglichst stark als Lohndrücker am Arbeitsmarkt aufzutreten und auch in Österreich – nach dem „Vorbild“ von Hartz IV in Deutschland – den Billiglohnsektor auszuweiten. Das ist ein Angriff nicht nur auf Arbeitslose, sondern auf Löhne und Arbeitsbedingungen aller ArbeitnehmerInnen.

Beide Positionierungen stehen in völlig Kontrast zu den Äußerungen der Grünen Klubobfrau im Frühjahr und brechen grüne Wahlversprechen.

Wir fragen Sie als grüne Nationalratsabgeordnete daher:

  • Hat die Grüne Klubobfrau in Ihrem Namen gesprochen?
  • Entspricht diese Äußerung von Sigrid Maurer im Krone-Interview tatsächlich der Positionierung des Grünen Parlamentsklubs?
  • Sind Sie bereit, jetzt für eine dauerhafte Erhöhung des Arbeitslosengeldes zu kämpfen?

Wir ersuchen Sie um eine klare Rückmeldung. Die Menschen, insbesondere die Hunderttausenden arbeitslosen bzw. von Arbeitslosigkeit bedrohten Menschen, haben ein Recht darauf zu erfahren, wie Sie als grüne(r) Abgeordnete(r) zu dieser existenziellen Frage stehen. Und bitte: Verstecken Sie sich nicht hinter Schweigen, das als eine (feige) Form der Zustimmung zu den Äußerungen von Sigrid Maurer interpretiert werden müsste.

Wir laden Sie außerdem herzlich ein, sich an der Aktion für die Erhöhung des Arbeitslosengeldes zu beteiligen, die bei der Konferenz für eine ökosoziale Opposition am 17.10.  beschlossen wurde und vor der nächsten Sitzung des Nationalrats am 17. November stattfinden wird (8 Uhr, Josephsplatz).

Mit freundlichen Grüßen

Vorstand der Solidarwerkstatt Österreich
(22.10.2020)