ImageStellungnahme der Österreichischen LehrerInnen-Initiative (ÖLI) und Unabhängigen GewerkschafterInnen (UGÖD) zu den Schulverwaltungsreformplänen von Bund und Ländern:

- Ohne gemeinsame österreichische Schulverwaltung keine gemeinsame Schulreform.
- Ohne flächendeckende Einbindung von NMS und AHS-Unterstufe keine Modellregionen.
- Ohne Demokratisierung und Vertrauen in die LehrerInnen kein Motivationsschub.

 

Bis zur parlamentarischen Beschlussfassung der Bildungs-Verwaltungsreform besteht parteiunabhängiger Veränderungsbedarf!

Die Unabhängigen GewerkschafterInnen sehen in dem vorgelegten Regierungspapier kein Endergebnis, sondern einen Zwischenstand, der in den für Zweidrittelmaterien notwendigen Verhandlungen der Regierung mit Oppositionsparteien überarbeitet wird.

Modellregionen in Vorarlberg, Tirol und Wien brauchen keine Prozentklausel, sondern die LehrerInnen brauchen gute Arbeitsbedingungen und gemeinsame Personalvertretung.

Die Schulverwaltung NEU (Bildungsdirektionen mit einem/einer bundesbeamteten  Direktor/in auf Vorschlag des Landeshauptmannes, Abschaffung der Kollegien, bei unveränderter Landeskompetenz über 76.400 vom Bund bezahlte LandeslehrerInnen [1] und die im Regierungsvorschlag auf 15% pro Land und Schulart limitierten Modellregionen zur gemeinsamen Schule können von SPÖ und ÖVP nicht im koalitionären Alleingang beschlossen werden. Die FPÖ hat jede Zusammenarbeit mit der Regierung abgelehnt, anders die Grünen – die fordern seit Jahren sozial wirksame, demokratische und kinderfreundliche Reformen, können aber grade deshalb dem Regierungspapier in seiner am 17. November vorgelegten Form nicht zustimmen.

  • Was Bundes- und LändervertreterInnen von SPÖ und ÖVP in der Bildungsreformkommission vereinbart haben, bedient im „Schulorganisations-Paket“ die alteingesessenen Machtinteressen der ÖVP-Landes­hauptmänner und Landes-Parteien, denn deren Schulverwaltungskompetenz bleiben auch unter dem neuen Namen „Bildungsdirektion“ unangetastet [2]. Die von der ÖVP gebilligte Abrechnung auch der LandeslehrerInnen durch das Bundesrechenzentrum ist ein erster Schritt aus der föderalen Doppel- und Mehrgleisigkeit und könnte ein brauchbarer Verhandlungseinstieg sein – eine gemeinsame Verwaltung der LehrerInnen erleichtert auch die Zusammenarbeit über die Schultypen hinweg: LehrerInnenkooperation, regional organisiertes zusätzliches Unterstützungspersonal, Flüchtlingshilfe ….

 

  • Das „Modell-Region-Paket“ mit seiner 15%-Klausel ist ein Modellregionen-Verhinderungspaket, mit dem ÖVP-Standespolitiker und FCG-LehrerInnengewerkschafter die flächendeckende Einführung von Gesamtschulmodellen in Vorarlberg und Wien verhindern wollen, in denen das Nebeneinander von NMS-Hauptschulen und AHS-Unterstufen aufgehoben wird. Die Überwindung der mit den Schulgesetzen von 1962 einbetonierten Zweiklassenschule wird noch Zeit brauchen, für den Einstieg in funktionierende Modellregionen ist es aber höchste Zeit.

 

  • Alle 5 Schulreform-Pakete klammern die Frage der gesetzlichen LehrerInnen-Personalvertretung aus. Auch hier herrscht unterschiedliches Recht, werden zwischen allgemeinbildenden LandespflichtschullehrerInnen und AHS-LehrerInnen, zwischen Landwirtschafts-, Berufsschul- und BMHS-LehrerInnen Trennlinien gezogen. Die Zusammenarbeit und gemeinsame Vertretung der ArbeitnehmerInnen-Interessen an der Schule, in der Region und bundesweit wird gehemmt. Standes- und Landesunterschiede und föderalistische Sonder-Rechte behindern schon zu lange notwendige Veränderungen bei Schul-Kompetenzen und -Organisation, den Rahmenbedingungen für die pädagogische Arbeit an den Schulen.

ParlamentarierInnen müssen „Bildungsreformpaket“ aufschnüren und nachbessern

Die Unabhängigen GewerkschafterInnen erwarten von den verhandelnden Regierungsmitgliedern und Abgeordneten von SPÖ, ÖVP und Grünen noch vor den Weihnachtsferien ihre Verhandlungen aufzunehmen, unter Einschluss des Elementarpädagogik- und des Autonomiepakets:

Elementarbildung

  • Bundesgesetzliche Rahmenbedingungen und die Umsetzung der in diesen festzulegenden Mindeststandards dürfen nicht weitere 10 Jahre auf die lange Bank geschoben werden.

 

  • Die Umwandlung der BAKIP in BHS (Schule) bringt keine tertiäre Ausbildung (Studium) für die ElementarpädagogInnen.

  • Durch die geplante Lehrplanreform 2016 für die BAKIP bekommt der Bereich der „Frühen Kindheit“ einen höheren Stellenwert zu Lasten der Instrumentalmusik und anderer Kreativfächer. Das bringt aber reichlich wenig, wenn das dafür erforderliche professionelle Lehrpersonal fehlt oder nicht eingesetzt wird. Dieser Bereich im Ausbildungsbogen der KindergartenpädagogInnen ist internationaler Standard. Aber können jene Lehrpersonen, die heute diesen Fachbereich unterrichten, meist nur eine Matura besitzen und sich wissenschaftlich nicht weiterentwickelt mussten, die dafür inhaltlichen Erfordernisse erfüllen? Steht also in den nächsten Jahren ausreichend Personal in Bezug auf Anzahl und Qualifikation zur Verfügung?

  • Dramatische Streichungen von Instrumentalmusik und anderer Kreativfächer sind Sparmaßnahmen. Es geht darum Lehrpersonal einzusparen und nicht um pädagogische Überlegungen3. Im Kulturland Österreich ist diese signifikante Reduzierung des Instrumental- und Kreativunterrichtes scharf abzulehnen [3].

  •  Das neue Aufnahmeverfahren ändert nichts an der bestehenden frühen Berufsentscheidung.

 

  • Standard-Testungen von Dreijährigen sind kein Ersatz für qualifizierte laufende individuelle Beobachtung und Förderung der Kinder, können auch selektiv und ausgrenzend eingesetzt werden und den Druck auf Kinder, Eltern und PädagogInnen erhöhen. Diese Bedenken betreffen ebenso die geplante „durchgehende Sprachstandards- und Entwicklungsdokumentation“
    Zu alledem soll am Ende der Pflichtschule das Screening mit einem „Talente-Check“ abschließen, den die Wirtschaftskammern mit den Ländern machen. Ganz am Schluss holen sich die Wirtschaftskammer und die Industriellenvereinigung für ihre Klientel die elf Jahre gesammelten Screening-Daten der Kids - für den Talente-Check.

Schulautonomie

  • Pädagogische und organisatorische Freiräume für Schulen brauchen zur Verwirklichung ihres bundesgesetzlich geregelten Bildungsauftrages vor allem Ressourcen- und Planungssicherheit (finanzielle Autonomie), der Bund hat seine Verpflichtung der Fürsorge für Schulen durch die rechtsverbindliche Bereitstellung sozial-indizierter und besonderen Anforderungen am Standort angemessener Personal- und Sachressourcen zu gewährleisten.

  • Die geplante Stärkung der Gestaltungsmöglichkeiten der Schulleitung braucht eine Novellierung des Personalvertretungsgesetzes zur den neuen Kompetenzen der Schulleitung angemessenen Stärkung der ArbeitnehmerInnenrechte.

 

  • Die Diensteinteilung obliegt der Schulleitung im Einvernehmen mit der Personalvertretung der LehrerInnen, zur Vermeidung von Verzögerungen und Behinderungen des Schulbetriebes ist in Konfliktfällen die direkte Anrufung der Personalvertretungsaufsichtsbehörde (PVAB) des Bundes zu ermöglichen.

 

  • Unterstützungspersonal ist zusätzliches Personal: SonderpädagogInnen, SozialarbeiterInnen, ÜbersetzerInnen, PsychologInnen, FreizeitpädagogInnen, Musik-/InstrumentallehrerInnen, Verwaltungspersonal – diese Arbeitsplätze sind über das Bildungsbudget zu finanzieren und nicht „autonom“ durch ein Umwandeln=Streichen von LehrerInnenstunden und Bildungsangeboten. Autonomie soll zusätzliche pädagogische Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen, aber keine neuen Wege zu weiteren Einsparungen und Mangelverwaltung auf Kosten von Unterrichtsqualität und Bildungschancen

 

  • Evaluations- und Schulentwicklungsarbeiten dürfen nicht zulasten der pädagogischen LehrerInnenarbeit beliebig ausgeweitet werden und erfordern die Bereitstellung von zusätzlichem Personal bzw. die Einrechnung in die Wochen- bzw. Jahresarbeitszeit der LehrerInnen oder des Unterstützungspersonals

 

  • Eigenständige Schulen bzw. Schulverbünde brauchen Mitbestimmungsrechte der LehrerInnen, sowie der SchülerInnen- und Elternvertretung bei der endlich einzuführenden Wahl der Schulleitung auf Zeit, die dadurch und durch eine jährliche Rechenschaftspflicht auch gegenüber den SchulpartnerInnen am Standort demokratisch legitimiert wird.

 

  • Qualitätssicherung im Vertrauen auf die LehrerInnen, aber ohne den Zeigefinger Schulaufsicht.

Demokratie-Debatte, Schuldiktatur und Nordkorea

  • Selbst auf 15% eingeschränkte Modellregionen einer gemeinsamen Schule sind für ÖVP-Standespolitiker wie den FCGler und AHS-Gewerkschaftsvorsitzenden zu viel. Er zeigt sich gegenüber der PRESSE empört, fürchtet, dass es dort mit dem Nebeneinander von NMS für alle und gymnasialen Unterstufen für die Kinder der besseren Leut‘ vorbei sein könnt‘. Da auf einen Bildungsvorteil ihrer Kinder bedachte AHS-Eltern, LehrerInnen seiner Fraktion und die Schülerunion dem nie zustimmen würden, führe die Regierung eine Schuldiktatur à la Nordkorea ein.

 

  • Mit NMS-Schulversuchen hat die ÖVP schon einmal Gesamtschul-Modellregionen verhindert, und wenn weiterhin einzelne AHS-Schulgemeinschaftsausschüsse über die Teilnahme ihrer AHS am Schulversuch entscheiden, dann gibt es keine Gesamtschulen, weil damit auch in Zukunft AHS-Standorten ein Veto-Recht eingeräumt wird - gegen jede Weiterentwicklung der gesamtösterreichischen Schulorganisation, die NMS-Pflichtschule und AHS-Unterstufe zusammenführt. Der Abbau bestehender, im Nebeneinander von Pflichtschule und AHS-Unterstufe begründeter, sozialer Selektion der 10-jährigen Kinder könnte damit für weitere 10 Jahre blockiert werden.

 

  • Österreich ist eine Demokratie, alles Recht geht vom Volk aus: Das Parlament beschließt für das Bundesgebiet verbindliche Schulreformen und ihre Finanzierung, das gilt auch für Gesamtschul-Regionen. Die SchulpartnerInnen im SGA bzw. Schulforum beschließen an ihrem jeweiligen Schulstandort Maßnahmen zur Umsetzung dieser Gesetze. Gewerkschaft und Personalvertretung sind von den LehrerInnen zur parteiunabhängigen Wahrung der ArbeitnehmerInnen-Interessen (Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen, Arbeitszeit, Arbeitseinkommen) gewählt worden und nicht zum Parteipolitisieren.

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1) Derzeit werden rund 71.500 Lehrerinnen und Lehrer an allgemeinbildenden Pflichtschulen rund 4.900 an Berufsschulen und rund 41.600 an Bundesschulen (AHS, BMS, BHS) beschäftigt. https://www.bmbf.gv.at/schulen/lehr/labneu/fakten.html
2) ÖVP-Verhandler Staatssekretär Mahrer nennt die Bildungsdirektionen eine „Sonderbehördenform, die es so in Österreich noch gar nicht gibt, mit einem Bundesbeamten an der Spitze, nicht einem Politiker“ (Standard, 23.11.2015), er vergisst, dass in den Bundesländern Wien, NÖ, OÖ und der Steiermark die Schulämter der Landesregierung bereits in die Bundesbehörde Landes- bzw. Stadtschulrat integriert worden sind. Dieses Konstrukt wird künftig Bildungsdirektion NEU heißen, am alten Nebeneinander von Landes- und Bundesschulen, von APS und AHS, BS und BMHS, von Landes- und BundeslehrerInnen samt vorgesetzten Behörden darf das nichts ändern. In die Obhut der Landeshauptleute bzw. der von ihnen nominierten BildungsdirektorInnen soll die föderale Ausgestaltung der in einem Autonomiepaket verpackten neuen Freiräume für Schulen und SchuldirektorInnen fallen. Auch konkrete Umsetzung und Gebiete von Gesamtschul-Modellregionen sollen Landessache werden, das würde den neunfachen Föderalismus verstärken und wie gehabt jede gesamtösterreichische Reform der Schulen der 6-14-Jährigen behindern.http://derstandard.at/2000026211118/Gesamtschulregion-Lehrer-muessen-sich-versetzen-lassen
3) Beispiel: Streicht man für eine Klasse mit 25 Schüler/innen eine Instrumentalstunde werden mindestens fünf Lehrer/innen-Stunden eingespart. Für eine zusätzliche Pädagogikstunde wird nur eine benötigt.