Die Griechenland von der EU aufgezwungenen Spardiktate im Sozial- und Gesundheitsbereich haben verheerende soziale Folgen: Die Lebenserwartung der GriechInnen ist seither um zwei Jahre gesunken. Eine Studie über die Folgen der Sparwut der konservativ-liberalen Regierung in Großbritannien zwischen 2010 und 2015 kommt zum Ergebnis, dass diese Kürzungspolitik zu 100 zusätzlichen Toten pro Tag führt. Ein Autor der Studie spricht von „ökonomischem Mord“.


Der griechische Kardiologe Giorgos Vichas, Gründer und Leiter der Sozialklinik Elliniko in Athen berichtete bei einem Vortrag in Hamburg über erschreckende Entwicklungen, seitdem dem Land eine drakonische Sparpolitik durch die EU aufgezwungen wurde: Seit 2008 sind die öffentlichen Gesundheitsausgaben um rund 60 Prozent gekürzt worden, von 24 auf 9,5 Milliarden Euro. Viele Gesundheitszentren und Krankenhäuser hätten in den letzten Jahren schließen müssen, die Hälfte aller Ärzte an staatlichen Kliniken seien entlassen worden. Rund 20.000 Ärzte hätten Griechenland verlassen, die Abwanderung halte an (1).

Griechenland: Lebenserwartung sinkt um zwei Jahre

Längst überwunden geglaubte Erkrankungen, wie die Tuberkulose, breiten sich wieder aus. In ganz Griechenland gibt es – so ein ARD-Bericht – 650 Betten auf Intensivstationen, 200 davon sind wegen Personalmangels nicht nutzbar. Die Säuglingssterblichkeit hat um 43 Prozent und die Zahl der Selbstmorde um 45 Prozent zugenommen. Bei Schwerkranken ist die Sterblichkeitsrate auf 45% gestiegen. Die Lebenserwartung in Griechenland ist um zwei Jahre gesunken ist (2).

Großbritannien: 120.000 zusätzliche Todesfälle

Welche schweren Auswirkungen die Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich haben, zeigt auch ein Studie der Universität Oxford und der London School of Hygiene and Tropical Medicine, die die Sparpolitik der liberal-konservativen Regierung in Großbritannien zwischen 2010 und 2015 analysierte. Die Sparwut der Regierung gab vor, das Defizit des Staates zu senken, doch statt dessen sank vor allem der Lebensstandard der Menschen: durch Streichung von Wohngeld, Rückgang des sozialen Wohnbaus, Abbau von Pflegekräften, Kürzungen bei Arbeitslosen und Menschen mit Behinderung, Ausweitung prekärer Jobs, usw. Laut der Studie ist dadurch die Lebenserwartung für 65-Jährige um 21 Tage gesunken, die von 75-Jährigen um ganze 40 Tage. Die Studie spricht von 45.000 zusätzlichen Todesfälle in den ersten vier Jahren der Kürzungspolitik (2010-2014). Aufbauend auf diesen Daten sind es bis heute etwa 120.000 Todesfälle, bis 2020 droht die Zahl auf 200.000 hochzuschnellen. Das sind ganze 100 Tote pro Tag, die es ohne die Kürzungen der Ausgaben nicht geben würde.

Austerität: „Schlechte Wirtschaftspolitik, aber gute Klassenpolitik“

Professor Lawrence King von der Cambridge University, Ko-Autor der Studie, fällt ein eindeutiges Urteil: “Austeritätspolitik steigert weder das Wachstum, noch senkt es die Defizite – das ist mittlerweile klar. Austerität ist eine schlechte Wirtschaftspolitik, aber gute Klassenpolitik. Sie hat ein öffentliches Gesundheitsdesaster verursacht. Es ist keine Übertreibung, wenn wir von ökonomischem Mord sprechen.“ (3)

Seit dem Brexit-Votum im Vorjahr kehrt sich die konservative Regierung in Großbritannien von diesem Austeritätskurs ab und kündigt Lohnerhöhungen im öffentlichen Sektor und die Aufstockung der Sozialausgaben an.

Quellen:

(1) EU-Spardiktat tötet in Griechenland, in Junge Welt, 16.11.2017
(2) ARD-Tagesschau, 14.5.2016
(3) The Independent, http://www.independent.co.uk/news/health/tory-austerity-deaths-study-report-people-die-social-care-government-policy-a8057306.html