ImageMit diesen Worten beginnt ein Offener Brief, den die eh. ÖGB-Vizepräsidentin Irmgard Schmidleithner an den oberösterreichischen Landeshauptmann Josef Pühringer richtet. Anlass dafür ist dessen Rechtfertigung für die von der schwarz-blauen Landesregierung geplanten massiven Einschnitten bei der Mindestsicherung.

 


Sehr geehrter Herr Landeshauptmann Dr. Pühringer!

Ich kenne Sie nun seit mehr als 50 Jahren, aber noch nie war ich von politischen Aussagen, die Sie machten, so betroffen.

Kennen gelernt habe ich Sie bei meinen sonntäglichen Kirchgängen ab Anfang der 60- er Jahre in Traun. Damals waren Sie Religionslehrer und gingen Sonntag für Sonntag mit dem Klingelbeutel durch die Kirchenreihen. Ich habe noch heute Ihr „Vergelts Gott“ im Ohr.

Zwei Punkte vorweg:

  • Wie Sie wissen gehöre ich nicht Ihrer Partei an.
  • Gemeinsamkeiten ergeben sich für mich daher ausschließlich auf die Mitgliedschaft in der katholischen Kirche. Das bedeutet für mich im Besonderen, auf gelebte Nächstenliebe.

Und nun zu meinen Fragen, die sich aufgrund Ihres Interviews für mich stellen. (An den Politiker, aber auch an den Christen.)

Ich beschränke mich auf ein paar, um nicht all zu lange zu werden.

  • Auf die Frage ob den 914 Euro so attraktiv sind, antworten Sie: „Ich bin ein sehr sozialer Mensch und gönne allen alles. Aber man muss gewisse Prinzipien in der Gesellschafts- und Sozialpolitik aufrechterhalten.“ Sie vergleichen das Einkommen der unselbständigen Erwerbstätigen mit dem der Mindestsicherungbezieher/innen. Dabei vergessen Sie, dass der Vergleich, dass auf dieser Welt einerseits 62 Menschen genau so viel besitzen wie andrerseits 3,5 Mrd. Menschen!!!!!!!!!!  Ich denke hier wäre eine Umverteilung leichter möglich.
  • Auf die Frage, ob den nicht die Gefahr besteht, dass Kürzungen Folgeprobleme schaffen (Jobsuche), antworten Sie: „Es kann nur so sein, dass das Bemühen des Staates dahin gehen muss, dass jemand, der den Asylstatus bekommt, möglichst rasch arbeiten kann.“ Haben Sie vergessen, dass Ende Dezember in OÖ 60.339 Menschen arbeitslos (mit den in Schulung befindlichen Erwerbslosen) waren und die Anzahl der offenen Stellen 8.061 betrug. Was wurde und wird von Ihnen und Ihrem Wirtschaftslandesrat alles unternommen um diese Zahl (auch für österreichische Staatsbürger/innen) zu vermindern? Was wird unternommen, dass Menschen die bei uns Zuflucht suchen rascher die deutsche Sprache lernen um auch wirklich am Arbeitsprozess teilnehmen zu können? (Ich gehöre zu einer Gruppe von Ehrenamtlichen in Neuhofen, die sich bemüht, schon von Beginn an Integration möglich zu machen. Von Seiten der Landespolitik sehe ich keine Massnahmen im Bereich von Spracherlernung und Sonstigem)
  • Sie geben auf eine andere Frage auch die Antwort: „ …dass ich meine Weltanschauung nicht beim Landhaus- Portier abgeben werde".
  • Hier meine Fragen an den Christen: „Was heißt es für Sie- DU SOLLST DEN  NÄCHSTEN LIEBEN WIE DICH SELBST?“ Was bedeutet für Sie das Zitat, das Jesus in seiner Weltgerichtsrede gebracht hat: „Ich war fremd und du hast mich aufgenommen oder du hast mich nicht aufgenommen“. Wie verstehen Sie die Forderung von Papst Franziskus im Evangelium Gaudium „Es darf sich niemand von der Sorge um die Armen und um die soziale Gerechtigkeit freigestellt fühlen“?

Abschließend wünsche ich Ihnen noch einen guten Kurerfolg (ich hoffe, dass Sie mit Ihrer positiven Einstellung zu dieser Maßnahme in unserem Land auch dazu beitragen, dass Sie von Mitgliedern Ihrer Partei nicht immer als „billiger Urlaub“ gesehen wird) und hoffe eine Antwort von Ihnen zu bekommen.

Mit freundlichen Grüßen

Irmgard Schmidleithner
(ehem. ÖGB- Vizepräsidentin)