Mitte 2008 legte die EU-Kommission einen Vorschlag zur Anwendung von Patientenrechten bei der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung vor. Der Richtlinienentwurf soll die Urteile des EuGH kodifizieren, nach denen der Zugang zu und die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen im Wesentlichen durch die Binnenmarktbestimmungen geregelt werden. Die Kommission möchte besonders den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen – und die Bezahlung der Behandlungskosten – im EU-Ausland auf das Kostenerstattungsprinzip stützen. Dies bedeutet, dass die PatientInnen die Behandlung aus ihrer eigenen Tasche vorstrecken müssen, um sie später zu Hause in Höhe einer gleichwertigen Behandlung in ihrem Versicherungsmitgliedstaat erstattet zu bekommen. Das verschärft den Trend in Richtung 2-Klassenmedizin. Reiche PatientInnen könnten auf diese Weise Wartelisten in ihren Heimatländern entgehen und die besten europäischen Spezialisten aufsuchen. Das gewöhnliche Volk wäre dazu kaum in der Lage, da für sie das Vorstrecken der Kosten, die hohen Kosten für Reise und Unterkunft, usw. zumeist unerschwinglich wären. Leute aus Ländern wie Bulgarien und Rumänien könnten kaum Behandlungen in Deutschland oder Frankreich in Anspruch nehmen, da ihre Gesundheitssysteme nur einen Bruchteil der dort anfallenden Kosten zurückerstatten würden. Umgekehrt könnten Patienten aus reichen Staaten auf “Schnäppchenjagd” in Ländern mit niedrigeren Behandlungskosten gehen.
Thomas Kattnig, internationaler Referent der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten, warnt, dass mit dem vorliegenden Entwurf zu einer EU-Richtlinie „die Gesundheit zum reinen Geschäft (wird). Optimale medizinische Betreuung steht dann nur jenen Menschen zur Verfügung, die sie sich leisten können.“ (OTS, 30.03.2009)
Tanja Kaizar, Pflegeexpertin und Werkstatt-Aktivistin: "Bei dieser EU-Patient/innenrichtlinie geht es um Angriffe auf die Sozialversicherungen bzw. das öffentlich organisierte Gesundheitswesen. Z.B. spart man in Großbritannien bei Menschen über 70 alle größeren Eingriffe ein. Wer über das nötige Kleingeld verfügt, lässt sich in Skandinavien operieren und die heimische Klinik kümmert sich um die Rehabilitation. Oder Firmen wie die Helathcare-Company (1) errichten spezielle Kliniken als PPP-Projekte*) an den Grenzen zu Österreich (Slowakei, Tschechien), da spart man dann in Österreich die ganz teuren Operationen ein und privat Versicherte können es dort gut gehen lassen. Die Slowaken werden dann eben weiter östlich auf den Gesundheitsmarkt verwiesen."
Finanzielle Austrocknung der sozialen Kassen